Assange-Urteil in London "Bewährungsprobe für Ampelkoalition"

Julian Assange (2014). Bild: Cancillería del Ecuador, CC-BY-SA-2.0

High Court in London hebt Auslieferungsstopp für Wikileaks-Gründer auf. Deutsche Journalistenvertreter und Politiker entsetzt. Wie verhält sich neue Bundesregierung?

Der Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, Julian Assange, kann grundsätzlich aus Großbritannien an die USA ausgeliefert werden, das hat am heutigen Freitag der Oberste Gerichtshof (High Court) in London entschieden. Das Gericht machte damit eine geltende Auslieferungssperre rückgängig. Deutsche Journalistenorganisationen und Vertreter von Regierungs- wie Oppositionsparteien kritisierten den Schwenk der britischen Justiz umgehend.

Die heutige Entscheidung versetzt den Bemühungen einen schweren Schlag, die Auslieferung des Wikileaks-Gründers an die USA zu verhindern. Allerdings ist der Rechtsweg in Großbritannien noch nicht ausgeschöpft.

Die US-Staatsanwaltschaft, die Assanges habhaft werden will, hatte im Verlauf des Prozesses einige menschenrechtliche Zusicherungen für den Fall einer Auslieferung gemacht. Das Ziel war, ein Urteil der bisherigen Richterin Vanessa Baraitser aus dem Januar dieses Jahres zu revidieren.

Baraitser hatte aufgrund psychischer Probleme des Inhaftierten und eines daraus resultierenden Suizidrisikos eine Auslieferungssperre verhängt.

Die höchsten Richter Ian Burnett und Victor Holroyde nahmen diese Entscheidung heute im Namen des Obersten Gerichtshofs zurück und bescherten der US-Justiz damit einen Etappensieg.

Assanges Verlobte, die Juristin Stella Moris, kündigte nach der höchstrichterlichen Entscheidung umgehend Berufung an. "Wir werden diese Entscheidung baldmöglichst anfechten", heißt es in einer Stellungnahme Moris'.

Zugleich kritisierte die Juristin die Entscheidung des britischen High Courts als "gefährlich, fehlgeleitet" sowie einen "Fall schwerer Rechtsbeugung".

Moris beanstandete vorrangig, dass die Richter mit ihrer heutigen Entscheidung die zu erwartenden menschenrechtswidrigen Haftbedingungen in den USA außer Acht gelassen und den Zusicherungen der US-Justiz ohne weiteres Glauben geschenkt haben.

Die US-Justiz will Assange über die Amtszeit von nun drei Präsidenten hinweg wegen seiner journalistischen Arbeit in Haft sehen. Dem aus Australien stammenden Journalisten, der nach der Gründung des Enthüllungsportals Wikileaks unter anderen mit dem deutschen Nachrichtenmagazin Der Spiegel und der US-Tageszeitung New York Times zusammengearbeitet hat, drohen bei einer als sicher geltenden Verurteilung bis zu 175 Jahre Haft.

Spionagevorwürfe aus den USA

Die US-Justiz wirft Assange vor, sich gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning widerrechtlich geheimes Material über die US-Kriege in Irak und Afghanistan angeeignet und es veröffentlicht zu haben.

Assange hatte aufgrund einer drohenden Auslieferung an die USA mehrere Jahre in der ecuadorianischen Botschaft in London im politischen Exil verbracht. Während dieser Zeit entwickelte sich die Beziehung mit Moris. Das Paar hat zwei kleine Kinder.

Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) kritisierte der UN-Sonderberichterstatter zum Thema für Folter. Nils Melzer, das Londoner Urteil als "Armutszeugnis für die britische Justiz". Man könne über Assange unterschiedlicher Meinung sein, "aber er ist nicht in einem Zustand, in dem man ihn ausliefern kann".

Melzer sprach der dpa zufolge von einem politisch motivierten Urteil. "Man will ein Exempel an ihm statuieren", zitiert die Nachrichtenagentur den UN-Experten.

Offenbar sollten andere Aktivisten abgeschreckt werden, jemals wie Assange geheime Regierungsdokumente zu veröffentlichen, so Melzer.

Zugleich kritisierte er die in dem Fall bestehende westliche Sicherheitskoalition, die gegenseitig ihre Interessen wahre: "Da würde ich auch Deutschland zurechnen", sagte er laut dpa: "Sie alle wollen Assange nicht auf freiem Fuß sehen, weil sie das Business-Modell der Geheimhaltung schützen wollen."

Als "eine Schande für die Pressefreiheit" und ein "furchtbares Urteil" bezeichnete gegenüber Telepolis der Pressesprecher des Deutschen Journalisten-Verbandes, Hendrik Zörner, das Londoner Urteil.

Die grundsätzliche Auslieferungsentscheidung treffe "den gesundheitlich und psychisch stark angeschlagenen Julian Assange besonders hart". Auch Zörner sah "eine verheerende Signalwirkung auf alle Whistleblower, deren Informationen und Insiderkenntnisse an die Öffentlichkeit gehören".