Assange helfen - aber wie?
Ein Appell fordert die Freilassung von Julian Assange. UN-Sonderberichterstatter Nils Melzer erhebt schwere Vorwürfe gegen Rechtsstaatlichkeit
Mehr als 130 Politiker, Künstler und Medienschaffende unterstützen eine Initiative, die die sofortige Freilassung von Wikileaks-Gründer Julian Assange fordert. Günter Wallraff, Sigmar Gabriel, Gerhard Baum und Sevim Dagdelen stellten heute auf einer Pressekonferenz in Berlin den Appell "Julian Assange aus der Haft entlassen" vor (zu den Erstunterzeichnern gehört auch Florian Rötzer für Telepolis). Seit April sitzt Assange im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh südöstlich von London in Haft, sein Gesundheitszustand sei besorgniserregend. Ende Februar soll das Auslieferungsverfahren stattfinden.
"Das Recht ist auf Seiten der Opfer", sagte Wallraff auf der Pressekonferenz, doch diese Haltung fehle im Falle von Julian Assange. Er werde "systematisch zur Unperson" erklärt. "Wie kann es ein Verbrechen sein, ein Verbrechen aufzudecken?", so Wallraff. Für Unternehmen gäbe es einen Whistleblower-Schutz, jedoch nicht für politische Whistleblower wie Manning, Snowden oder Assange.
Der Appell "Assange helfen" richtet sich an die deutsche Regierung. "Ungeachtet der Vorwürfe, die Assange gemacht werden, rufen wir Großbritannien aus den genannten menschenrechtlichen und medizinischen Gründen dringend dazu auf, Julian Assange umgehend aus der Haft zu entlassen, damit er unter fachärztlicher Aufsicht genesen und seine Grundrechte ungehindert ausüben kann. Wir rufen auch die Bundesregierung dazu auf, sich bei der britischen Regierung in diesem Sinne einzusetzen."
Der Menschenrechtsrat müsse aktiv werden, und den Entschluss fassen, dass Whistleblower nicht verachtet und ausgegrenzt werden. Ende Januar hat auch die Parlamentarische Versammlung des Europarates (PACE) die Mitgliedsstaaten dazu aufgefordert, sich der Auslieferung des WikiLeaks-Gründers Julian Assange an die USA zu widersetzen und sich für die "unverzügliche Freilassung" des australischen Journalisten einzusetzen.
Assange solle genesen und sich auf seinen Prozess vorbereiten, so Günther Walraff. Mitunter könne der Prozess drei bis vier Jahre andauern, die Sorge sei begründet, dass Assange die Haft nicht überleben wird. In einem offenen Brief haben sich im November mehr als 60 Ärzte für Assanges Verlegung in eine Universitätsklinik ausgesprochen.
Menschen wie Manning, Snowden oder Assange hätten den Friedensnobelpreis verdient, so Wallraff. Stattdessen werden sie etwa von dem ehemaligen CIA-Direktor und nun US-Aussenminister Pompeo öffentlich zu Terroristen erklärt. Dies zeuge davon, dass die Staaten Rache nehmen wollen. "Auch in Demokratien werden werden wir belogen", so Wallraff, "wenn Lügner ertappt werden, will man Rache nehmen." Die Wahrheit zu unterdrücken, sei unerträglich.
Die Frage, ob die USA während seiner Amtszeit Druck auf die Bundesregierung ausgeübt habe, verneinte der ehemalige Aussenminister Gabriel, der die Pressekonferenz vorzeitig verlassen musste. Dagdelen und Wallraff zeigten sich danach auf Nachfrage kritisch gegenüber Gabriels Aussage. Sehr wohl sei davon auszugehen, dass es Druck gab. Im Falle Snowdens etwa sei 2013 Boliviens Präsidentenmaschine auf Druck und Verdacht der USA gezwungen worden, in Wien zu landen.
Scharfe Kritik von UN-Ermittler Nils Melzer
In der Pressekonferenz wurde vielfach auf die Berichte von UN-Sonderberichterstatter Nils Melzer verwiesen. Melzer hatte im Mai 2019 nach einem Besuch bei Assange gravierende Gesundheitsschäden festgestellt. Assange weise Symptome "psychologischer Folter" auf. Melzer forderte zudem, dass die "kollektive Verfolgung" von Julian Assange aufhören müsse.
"Ich verurteile auf das Schärfste die vorsätzliche, konzertierte und anhaltende Art des Missbrauchs, der Herrn Assange angetan wurde, und bedaure zutiefst, dass alle beteiligten Regierungen Maßnahmen zum Schutz seiner grundlegendsten Menschenrechte und seiner Würde nicht getroffen haben."
"Indem diese Regierungen im besten Fall Selbstgefälligkeit und im schlimmsten Fall Mitschuld zeigen, haben sie eine Atmosphäre der Straflosigkeit geschaffen, die Herrn Assanges ungehemmte Verleumdung und Misshandlung fördert."
Im Telepolis-Interview sagte Melzer im Januar, es handle sich um einen "Präzedenzfall für ein repressives Vorgehen gegen investigative Journalisten, die man notfalls auch mit politischer Verfolgung und Folter zum Schweigen zu bringen versucht." Melzer beklagte, die schweren Menschenrechtsverletzungen, die von Assange und WikiLeaks aufgedeckt wurden, einschließlich systematischer Folter, blieben ungesühnt.
"Aus meiner Sicht ist es durchaus im Kernbereich meines Mandats, öffentlich zu protestieren, wenn enttarnte Kriegsverbrecher straflos bleiben, während die Whistleblower und Journalisten für die Enthüllung solcher Verbrechen drakonisch bestraft werden", so Melzer im Telepolis-Interview
Zuletzt klärte Melzer in einem von dem Online-Magazin "Die Republik" veröffentlichten Interview mit einigen Fake-News über Assange auf. Wie mit Assange umgegangen wird, sei ein "Riesenskandal und die Bankrotterklärung der westlichen Rechtsstaatlichkeit. Wenn Julian Assange verurteilt wird, dann ist das ein Todesurteil für die Pressefreiheit."
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