Astrale Wetterfrösche
Warum uns das Wetter im All näher ist als wir bisher glaubten
Braucht der Mann im Mond einen Regenschirm, oder ist es dort immer so sonnig wie im Flugzeug über den Wolken? Naive Fragen, weil Astronauten und Weltraumforscher längst berichtet haben, daß unsere fünf Sinne nicht ausreichen, um das "Space Weather" in Worte zu fassen. Oberhalb der Troposphäre liegt der schier unermeßliche Raum, in dem die Sonne das "Wetter im All" macht. Daniel N. Baker vom Laboratory of Atmospheric and Space Physics an der Universität von Colorado berichtet nun in Science (How to Cope with Space Weather): "Wir haben das Stadium erreicht, in dem unsere Meßeinrichtungen, Simulationen und prädiktiven Modelle genügen, um mit dem Space Weather umzugehen."
Es war einmal ... die Sonne der Feuergott. Recht haben die Alten: "Coronal mass ejections" sind die Wolken, die von der Sonne mit 1000 km pro Sekunde und mehr ausgestoßen werden und hoch energetische Partikel sowie ein gewaltiges magnetische Feld mit sich tragen. Dazu kommen kräftige Solarwinde. Nordlichte (Aurora), wenn überhaupt noch gegen die Straßenlaternen und deren Widerschein mit dem bloßen Auge wahrnehmbar, erfassen nur einen Bruchteil der energetischen Partikel. Heute ersetzen komplizierte Geräte und Meßanordnungen auf Satelliten und Bodenstationen das fehlende Gefühl für geomagnetische Stürme.
In den USA hat die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) dank der angeschlossenen Arbeitsgruppen mit irdischen und außerirdischen Meßstationen ein solides Netzwerk aufgebaut. Das NOAA Space Environment Center in Boulder ist verantwortlich für Beobachtungen, Voraussagen und Warnungen - für die NASA ebenso für den amerikanischen Präsidenten und die Welt. "NOAA's neue Bewertungskriterien sind die Richter Skala für das Space Weather," erklärt die Behörde stolz.
Der technische Aufwand ist riesig und läßt sich am Beispiel des NOAA`s Polar-orbiting Operational Environmental Satellite (POES) nur erahnen. POES misst kontinuierlich das "Aurora pattern", also energiereiche Strahlungen, in 850 km Höhe. 8 Detektoren, vier für positive Ionen, vier für Elektronen erfassen nicht nur die Durchströmung, sondern geben durch die um 30 Grad versetzte Anordnung zugleich ein Abbild der Wechselwirkungen. Protonen mittlerer Energie werden durch vier zusätzliche detektierende Teleskope und Elektronen durch "dome" Detektoren mit einem Einfallwinkel von 180 Grad gemessen.
Warum dieser Aufwand? "Hoch-energetische Protonen und andere Ionen, hinterlassen zuallererst Spuren in der Mikroelektronik unserer Raumschiffe," erklärt Daniel N. Baker "und verändern die Kapazität der Speicherbausteine oder schädigen die Elektronik selbst." Die Folge sind unterschiedliche Störungen, seien es am Solarpanel, den optischen Leitsystemen oder der Steuerungssoftware. "Hochenergetische Protonen und Ionen können auch die Astronauten selbst verletzen und schlimmstenfalls töten". Weniger energiereiche Elektronen durchschlagen die Außenhaut der Raumschiffe und Satelliten, die Isolierungen bis hin zu den Kabeln und erreichen die elektronischen Boards. Das erzeugt Kurzschlüsse wie beim Blitzeinschlag. Niedrig energetische Elektronen (10-100 kV) hingegen dringen zwar nicht unter die Oberfläche, laden die jedoch auf und erzeugen so unerwünschte Effekte.
Von diesen Einflüssen, so haben die Forscher nachgewiesen, ist nicht nur die Arbeit im Weltraum betroffen. Das Wetter im All greift durchaus tiefer. Sonnenstürme beeinträchtigen Radiowellen und damit die Kommunikation zwischen Flugzeugen, und können, wie 1989 im kanadischen Quebec, die komplette Energieversorgung der Provinz für mehr als 8 Stunden stillegen, weil das magnetische Feld sowohl Transformatoren, Überlandleitungen und Vermittlerstationen außer Kraft setzt. "In unserer Zeit, die von den modernen Erfolgen der Kommunikation bestimmt ist, brauchen wir robuste Systeme, die nicht nur Hurrikanen, Erdbeben und Überflutungen Stand halten, sondern auch dem Wetter aus dem All," so wiederum Daniel N. Baker.
Mit dieser Forderung wendet sich der Wissenschaftler gegen die noch weit verbreitete Ansicht, wonach das Wetter im All nur wenig Auswirkungen auf die Erde hat. Vielfach wird auch heute noch gemutmaßt, die energiereiche Strahlung käme nicht näher als 50-60 km an die Erde heran. Auch seien die Veränderungen der Sonneneinwirkung, wie sie über zwei Jahrzehnte von den Satelliten gemessen wurden, natürliches Rauschen und kein Beweis für die zunehmende Erwärmung durch außerirdische Einflüsse. Heute müssen die Schlußfolgerungen in Kenntnis des neuen Meßspektrums mitunter neu überdacht werden.
Die aufwändige Space-Weather-Analyse hat bereits eine Entsprechung in irdische Langzeitindikatoren gefunden. Gerald Bond und seine internationale Arbeitsgruppe haben Anfang des Jahres in Science ihre Untersuchungen aus dem grönländischen Eis vorgelegt und anhand der Staubeinschlüsse und der Konzentrationen markierten Kohlenstoffs und Berylliums wahrscheinlich gemacht, dass es in den letzten 10.000 Jahren insgesamt neun Zyklen gab, in denen sich der nördliche Nordatlantik erwärmte und wieder abkühlte. In den Worten von Bond: "Unsere Ergebnisse vermitteln den Eindruck, dass das irdische Klimasystem ungemein empfindlich auf schwache Einflüsse der Sonnenenergie reagiert. Nicht nur gemessen nach Jahrzehnten, sondern ebenso nach Jahrhunderten und Jahrtausenden." Daraus folgern die Wissenschaftler, dass die "kleine Eiszeit" im 17.Jahrhundert, in dem für 70 Jahre keine Sonnenflecken beobachtet wurden, ebenso wie die gegenwärtige Erwärmung astral ausgelöst und unterhalten werden.
Wer die mächtigen Wolken sieht, nimmt die Auswirkungen auf das technische Gerät unseres Planeten ernst. Weil es bisher nicht messbar war, bleibt dennoch vieles im Ungefähren. Dazu gehören die Einflüsse beim Fliegen in großen Höhen auf Piloten, Flugbegleiter und Vielflieger. Wo Ströme fließen, ist auch Magnetismus. Die Ölkonzerne können ein Lied davon singen: Die Korrosion der großen Pipelines wird nicht unerheblich vom Space Weather bestimmt. Und wir Menschen? Elektromagnetischen Störungen haftet der Geruch des Okkultismus an. Ganz anders im Tierreich: Tauben, Delphine und Wale sind nachweislich davon betroffen. Heftige Sonneneruptionen, so wissen die Brieftaubenzüchter, beeinträchtigen die Orientierung ihrer Tiere, und deshalb verzichten sie in diesen Perioden gerne auf Wettkämpfe.
Noch sind die Daten auf der Webseite der NOAA (vielfältig und unpersönlich, eben wie lange Zahlenkolonnen. Es fehlen die erklärenden Symbole für den einfachen Menschen, womit sich die Frage auftut: brauche ich nun den Regenschirm, oder brauche ich ihn nicht?