Asylanträge in der EU stark zurückgegangen
Das UN-Flüchtlingshilfswerk kritisiert die Hysterie der EU-Staaten, die zunehmend Asylbewerber als illegale Immigranten betrachten
Die Einwanderungspolitik wird zunehmend zu einem der wichtigsten Themen in den Wahlkämpfen in der EU. Auch wenn die EU-Innenminister bei ihrem Treffen in Rom einmal wieder betont haben, dass Europa keine Festung werden soll, so ist der Druck groß, die Grenzen dicht zu machen und Flüchtlinge abzuschieben. Mehr und mehr gelten diese nur noch als illegale Einwanderer, während das Wissen, dass die schrumpfenden und vergreisenden europäischen Gesellschaften nur durch Zuwanderung ihr Wohlergehen und ihre Zukunft sichern können, populistisch von den Politikern übergangen wird. Ausbaden müssen dies die kommenden Generationen.
Dänemarks rechtsgerichtete Regierung hat gerade die Rechte der Asylbewerber eingeschränkt. Ausländerfeindliche Parteien haben in Frankreich und Holland große Erfolge bei Wahlen eingefahren. Großbritannien überlegt, Tausende von Asylbewerbern abzuschieben, bevor sie gegen die Ablehnung Einspruch erheben können (Tunnel zur Sehnsucht). Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) kritisierte diese beabsichtigte Abschiebung von Asylbewerbern als illegale Immigranten scharf: "Das Problem mit dieser Terminologie ist, dass Asylbewerber damit völlig gleichgesetzt werden, aber nach dem internationalen Recht ist es für einen Flüchtling nicht illegal, ein Land ohne Papiere zu betreten", sagte Rupert Colville, ein Sprecher von UNHCR. Die Gefahr bestehe, dass Gesetze übereilt verabschiedet und Asylbewerber als Sündenböcke für andere Probleme herhalten müssen.
Weil die Grenzen immer dichter gemacht werden, würden als Folge Flüchtlinge in die Hände von Menschenschmugglern getrieben. Überdies habe der Zustrom in den letzten Jahren drastisch abgenommen. Allerdings gibt es Verschiebungen, so ist die Zahl der Asylbewerber, die nach Deutschland kamen, von 438.190 im Jahr 1992 auf 88.290 im letzten Jahr gesunken. Europaweit gab es im letzten Jahr in Deutschland und Großbritannien die meisten Asylanträge. Im Gegensatz zu Deutschland ist die Zahl der Asylbewerber in Frankreich und Großbritannien angestiegen. EU-weit sank die Zahl der Asylbewerber im letzten Jahrzehnt um die Hälfte. In vielen Ländern gibt es wie in Spanien oder Italien gerade einmal ein paar Tausend Asylanträge im Jahr. Das sollte eigentlich kein Anlass sein, die Grenzen noch dichter zu machen. Überdies ist der Zustrom an Flüchtlingen in den meisten europäischen Ländern klein, wenn man sie mit Entwicklungsländern vergleicht, die unter ganz anderen Bedingungen Hunderttausende oder wie Iran oder Pakistan Millionen von Flüchtlingen aufnehmen mussten.
In die EU kommen mittlerweile jährlich zwischen 350.000 und 400.000 Flüchtlinge, die Asylanträge stellen. Die Höhepunkte des Zustroms waren Anfang und Mitte der 90er Jahre verbunden mit den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien. Wie Statistiken der UNHCR zeigen, kommen die meisten Flüchtlinge aus Ländern, in denen Krieg oder interne Konflikte herrschen, sind also keineswegs Wohlstandsflüchtlinge.
Aus Rumänien kamen in den letzten 10 Jahren nach Jugoslawien und vor der Türkei am meisten Flüchtlinge in die EU. Der größte Flüchtlingsstrom entstand in den Jahren nach dem Sturz von Ceausescu, als die politische Lage sehr instabil war und das Land einer ungewissen Zukunft entgegensah. Nach 1993 sind die Zahlen der Asylbewerber aus Rumänien stetig geringer geworden, zudem sind viele der Immigranten wieder in ihre Heimat zurückgekehrt. Bis zum letzten Jahr kamen viele Asylbewerber auch aus Afghanistan und dem Irak.
"Wenn man sich diese Statistiken ansieht, dann wird die Vorstellung kaum gestärkt, die in manchen europäischen Ländern vorherrscht, nämlich dass sie überschwemmt werden von betrügerischen Asylbewerbern, dass - um das allgemeine Mantra zu zitieren - 'die große Mehrheit Betrüger sind'. Diese Behauptungen sind selbst weitgehend falsch und irreführend", sagt Colville.
Auch UNHCR gehe natürlich davon aus, dass beispielsweise auch nicht alle Iraker als Flüchtlinge anerkannt werden müssen. Sie aber als "Betrüger" zu bezeichnen, gehe dennoch zu weit, meint Colville: "Auch wenn sie sich nicht als Flüchtlinge qualifizieren können, ist es mehr als verständlich, dass sie sich selbst für Flüchtlinge betrachten, wenn man den Zustand ihrer Länder, die grundsätzliche Unterdrückung der Menschenrechte sowie die Sanktionen und militärischen Aktionen gegen ihre Regime berücksichtigt."
Vergleicht man EU-Länder wie Deutschland, Großbritannien oder Holland allerdings mit einem Land wie Japan, so sieht man, dass es tatsächlich noch "Inseln" gibt. Im letzten Jahr haben hier gerade einmal 155 Menschen Asylanträge gestellt. Interessant ist, dass auch in den Vereinigten Staaten noch vor dem 11.9. und den darauf folgenden Versuchen, die Grenzen besser zu schließen, die Zahl der gestellten Asylanträge drastisch von über 200.000 zu Beginn der 90er Jahre auf jetzt knapp 90.000 zurück gegangen ist.