Atom-Gewinne privatisieren und Kosten für Abriss und Endlagerung sozialisieren
Nach der Auslagerung der Bankenrisiken sollen nun auch riesige Kosten für Abriss der Atommeiler und Endlagerung auf die Steuerzahler aufgelastet werden
Die deutschen Atomkraftwerksbetreiber wollen zukünftige Risiken aus dem Milliardengeschäft mit dem Atomstrom auf die Steuerzahler verlagern, hatte das Nachrichtenmagazin "Spiegel" berichtet. Zwischen Eon, RWE und EnBW gäbe es sogar schon direkte "Gespräche mit der Bundesregierung", fügte die Nachrichtenagentur Reuters mit Bezug auf einen Branchenvertreter an. Die Stiftung könne sogar den Betrieb der Anlagen, den Abriss der Meiler und die Endlagerung organisieren. Mit Bezug auf eine mit der "Angelegenheit vertraute Person" berichtete Reuters, dass Gespräche "über ein solches Modell werden schon seit einiger Zeit geführt" würden.
Doch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat diese Vorgänge nun dementieren lassen. "Es gibt weder Verhandlungen noch Beschlüsse zu diesem Thema", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Doch irgendwie bleibt dann doch unklar, ob nicht doch schon gesprochen wird. So erklärte die Sprecherin von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks: "Für uns ist entscheidend, dass die Rückstellungen verfügbar sind, sobald sie benötigt werden."
Denn auch das ist nicht sicher. Es ist eine deutsche Besonderheit, dass die bisherigen Rückstellungen für Abriss und Endlagerung der AKW-Betreiber steuerfrei sind, aber nicht einmal auf ein Sperrkonto überwiesen werden müssen. Die Energieriesen können frei über das Geld - anders als zum Beispiel in Frankreich - verfügen. Wolfram König, der Präsident des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS), verwies schon 2003 darauf, dass Rückstellungen "keinen besonderen Bindungen unterliegen" und sie "nicht insolvenzsicher" seien. Mit dem "liberalisierten europäischen Energiemarkt und Aufsehen erregender Unternehmenskrisen" sei über die Rückstellungen "die künftige Finanzierungssicherheit bei der Endlagerung nicht mehr gegeben."
Schon vor 11 Jahren forderte er "eine andere, langfristig sichere Finanzierungsvorsorge", da die Firmen die Rücklagen irgendwo investieren und sogar komplett in den Sand setzen können. Gerade darüber wird scheinbar eine gewisse Zwangslage geschaffen, sich auf eine "Lösung" einzulassen, bevor das Geld komplett weg ist. So könne das Risiko gebannt werden, dass im Falle einer Insolvenz der AKW-Betreiber die Öffentlichkeit auf den Kosten sitzen bleibe, wird zum Beispiel argumentiert.
Aus dieser Sicht könnte es sogar gut sein, an die bisher 36 Milliarden Euro zu kommen, die eigentlich zurückgestellt worden sein müssten. Dabei läge eine Novellierung der entsprechenden Gesetze nahe, damit das Geld im Rahmen des Atomausstiegs nun unter staatliche Kontrolle kommt. Die Pläne der "großzügigen" Atomkraftwerksbetreiber sehen dagegen nur vor, etwa 30 Milliarden Euro in eine öffentlich-rechtliche Stiftung einzubringen, die dann die Alt-Meiler bis zum endgültigen Ausstieg 2022 betreibt und für die nicht abschätzbaren Kosten für die Endlagerung über die nächsten 100.000 Jahre aufkommen soll.
Die Süddeutsche Zeitung (SZ) meint dazu: "Steuerzahler, die einst schon den Einstieg in die Atomkraft sponsern durften, dürfen dann auch noch für den Ausstieg aufkommen. Über die Gewinne aus der Zeit zwischendrin aber durften sich die Aktionäre freuen. Gewinne privatisieren, Risiken sozialisieren: darauf versteht sich diese Branche seit jeher gut." Die SZ kommt zu dem optimistischen Ergebnis: "Eine Bad Bank für Atommüll darf und wird es nicht geben." Das muss man angesichts "alternativloser" Bankenrettungen nicht glauben. Und auch im Atomgesetz gibt es schon einen bedenklichen Präzedenzfall, wie wir sehen werden.
Hört man sich die Politiker vor den Europaparlamentswahlen an, könnte man sogar zu der positiven Einschätzung der SZ kommen. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) meinte ebenfalls, die Betreiber müssten uneingeschränkt sämtliche Kosten der Stilllegung und der Endlagerung tragen. "Die uneingeschränkte Verantwortung für den sicheren Auslaufbetrieb, die Stilllegung, den Rückbau und die Zwischenlagerung des Atommülls liegt bei den Energieunternehmen. Diese haben uneingeschränkt sämtliche Kosten der Stilllegung, des Rückbaus sowie der Endlagerung zu tragen."
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Oliver Krischer sprach sogar von einem "billigen Erpressungsversuch". Zuerst habe man jahrzehntelang Milliarden verdient und am Ende würden die Kosten auf die Gesellschaft und die Steuerzahler und sogar auf die Menschen übertragen, die nicht einmal Kunden der Atomenergielieferanten seien.
Für die Partei- und Fraktionsvize der Linkspartei, Caren Lay, handelt es sich um einen "skandalösen Vorschlag". Sie verweist ebenfalls auf bisherige "riesige Profite". Für die Kosten würde, wie bei Banken, nun erneut nach dem Staat gerufen. Es müsse aber das Verursacherprinzip gelten. "Wer Profite macht, muss auch alle Risiken finanziell absichern." Nur Lay stellte die Forderung, dass der Staat endlich den vollen Zugriff auf die Rücklagen bekommen müsse, um sie vor einer Insolvenz zu sichern. Erinnert sei, dass auch Tepco in Japan nach den Havarien in Fukushima verstaatlicht werden musste (Japanische Regierung rettet Tepco durch Verstaatlichung). Um einem solchen Fall vorzubeugen, sei "die beste Risikovorsorge eine sofortige Abschaltung aller Atomkraftwerke".
Asse als Exempel
Die Position der SPD in der großen Koalition ist ohnehin wenig glaubwürdig. Man muss sich nur anschauen, wie mit den Stimmen der SPD, FDP und Unionsparteien den Steuerzahlern genau das im "Versuchsendlager" Asse 2009 schon aufgebrummt wurde, was die Atomkraftwerksbetreiber nun für die gesamte Abwicklung der Atomkraft vorhaben. "Die Kosten für den Weiterbetrieb und die Stilllegung trägt der Bund", heißt es in der Novelle des Atomgesetzes (Hohe Radioaktivität in der Asse).
Denn der Super-Gau in der Endlagerfrage wurde längst den Steuerzahlern aufgebrummt, wo schon AKW-Betreiber ihren strahlenden Müll versenkt haben (Supergau der Endlagerfrage). Noch schwammiger ist das Dementi der Bundeskanzlerin. Denn es wird nur dementiert, dass es schon Gespräche oder Beschlüsse gab. Ob sie mit dem Vorschlag einverstanden ist, ließ Merkel nicht verlauten. Aus ihrer CDU hat Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier schon eine Diskussion angeregt, "ob es zum Beispiel eine Möglichkeit gibt, einen sicheren Fonds aufzubauen, aus dem man dann auch nachhaltig entsprechend die Altlasten beseitigen kann".
Wie lächerlich die 30 Milliarden Euro sind, die für den Fonds angeboten werden, machen bisherige Kosten für die Endlagerung deutlich. Allein die Sanierung der Asse soll nach bisherigen Schätzungen vier Milliarden Euro ausmachen. Doch wenn der Müll zurückgeholt wird, muss er anderswo eingelagert werden. Die Kosten für Schacht Konrad, wo in der Nähe von Salzgitter nur schwach- und mittelradioaktiver Müll aus Atomkraftwerken, Medizin und Forschung gelagert werden soll, sind von 900 Millionen auf drei Milliarden Euro explodiert und die Inbetriebnahme auf 2022 erneut verschoben.
Dazu kommen Milliarden für Gorleben und die neue Endlagersuche für hochradioaktive Abfälle. Es ist völlig klar, dass mit den angebotenen 30 Milliarden niemals ein Abriss und die Endlagerung der gefährlichen Atom-Ära zu meistern sein wird. Der Vorschlag der Atomkraftbetreiber läutet aber definitiv die Stunde der Wahrheit des angeblich so billigen Atomstroms ein: Denn sie gestehen ein, dass die realen Kosten für Abriss und Endlagerung sie auch ohne Havarie eines Atommeilers in die Pleite treiben dürfte.