Atomenergie soll für über 65 Millionen Tote verantwortlich sein
Nicht nur Atomwaffen, auch die zivile Nutzung der Atomkraft fordern ihre Opfer
Im letzten Golfkrieg und auch im Kosovo setzte die US-Armee Waffen mit abgereichertem Uran ein. Auch im Irak sollen sie wieder zum Einsatz kommen, gelten sie offiziell doch noch als weitgehend ungefährlich. Dass auch niedrige Strahlendosen gefährlich sein können, davon berichtet eine neue Studie der Europäischen Kommission für Strahlenrisiken (ECRR).
Die ECRR stellte in ihrem Bericht "The Health Effects of Ionising Radiation Exposure at Low Doses for Radiation Protection Purposes" fest, dass herkömmliche Risikomodelle nicht das gehäufte Auftreten von Krebs und Leukämie in Bevölkerungen erklären, die radioaktiven Isotopen aus anthopozentrischen Quellen ausgesetzt sind.
Die Kommission entstand 1998 als Antwort auf das von der "International Commission on Radiological Protection" (ICRP) während eines STOA-Workshops entwickelte Risikomodell. Dieses Modell liegt vielen Strahlenschutz-Gesetzgebungen zugrunde. Rund 30 unabhängige Wissenschaftler arbeiten für die ECCR. Geleitet wird sie von Chris Busby, der in Großbritannien der Kommission für Strahlenrisiko angehört und das britische Verteidigungsministerium in Sachen angereichertes Uran berät.
Die ECRR-Wissenschaftler entwickelten in den letzten fünf Jahren ein neues Risikomodell. Es beruht nicht nur auf jüngsten epidemiologischen, sondern auch radiobiologischen Erkenntnissen. ECRR unterscheidet zwischen niedrigen radioaktiven Dosen, die über einen langen Zeitraum hinweg auf eine Bevölkerung wirken und hohen radioaktiven Dosen, wie sie etwa beim Atombombenabwurf im japanischen Hiroshima erzeugt wurden. Die Modelle der ICRP gehen jedoch von hohen, einmaligen radioaktiven Dosen aus.
Dass der bisherige Modellansatz der ICRP unzureichend ist, legen mehrere Studien nahe. So gibt es beispielsweise eine Diskrepanz um den Faktor 100 zwischen den Modell-Vorhersagen der ICRP und den beobachteten Leukämiefällen unter Kinder in der Gegen um die Wiederaufbereitungsanlage in Sellafield. Um den Faktor 100 bis 1000 unterscheiden sich gar die Ergebnisse zweier Studien aus Tschernobyl von den gebräuchlichen Modellen.
Laut ICRP sind zwischen 1945 und 1989 bislang 1,2 Millionen Menschen an Krebs aufgrund radioaktiver Einflüsse gestorben. ECRR geht hingegen von 61,7 Millionen Toten aus sowie 1,5 Millionen Kindern und 1,9 Millionen Babys, die bereits im Mutterleib sterben. ECRR sieht auch einen Verlust der Lebensqualität von etwa 10 Prozent aufgrund der durch radioaktiven Fallout verursachten Krankheiten aus.
ECRR kommt zu dem Schluss, dass die gegenwärtig zu beobachtende Krebsepidemie eine Folge der Atombombentests in den Jahren 1959 bis 1963 ist, die die globale Atmosphäre mit radioaktivem Fallout verpesteten. Sie gehen davon aus, dass die Abgabe von Radioisotopen in die Umwelt im Rahmen ziviler Atomkraftnutzung in den letzten Jahren bald für einen weiteren Anstieg von Krebs und anderen Krankheiten sorgen wird.
Das Modell zeigt deutlich, dass die Menschheit es sich nicht erlauben kann, die Umwelt mit radioaktivem Material zu kontaminieren. Die Politiker müssen realisieren, dass wenn das Millitär, Waffen mit angereichertem Uran oder taktische nukleare Waffen in einem künftigen Krieg benutzen darf, die Folgen für Soldaten und Zivilisten schrecklich sein werden.
Chris Busby