"Atomkraftwerke sind wirtschaftlich nicht tragbar"
Seite 2: Frankreich ist angesichts einer verfehlten Energiepolitik im Atomnetz gefangen
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Dass wirklich lückenlos aufgeklärt und geprüft wird, darf bezweifelt werden. Die atomfreundliche französische Umweltministerin Ségolène Royal ließ ohnehin schon einmal verkünden, dass die von Forges Creusot hergestellten Teile "gut" seien. Es gäbe nur Probleme mit den Unterlagen und nicht mit den Teilen selbst. Doch kann man den staatlichen Stellen und den Staatsfirmen noch Areva und EDF noch glauben? Die Zeitung Le Monde spricht längst davon, das "Gift des Misstrauens" wirke schon.
Zudem ergibt sich in Frankreich eine noch krassere Situation als in Belgien, wo die Laufzeiten von Uraltkraftwerken verlängert wurden, um "Engpässe" bei der Stromversorgung zu verhindern. Frankreich hängt mit 80% Atomstrom noch stärker von der Atomkraft ab. Das Land ist angesichts einer verfehlten Energiepolitik im Atomnetz gefangen. Es kann eigentlich nur zum Ergebnis kommen, die Meiler unter großem Risiko weiter zu betreiben. Gegen seine Versprechungen wollte Staatschef François Hollande zuletzt nicht einmal Fessenheim abschalten, so lange Flamanville nicht am Netz ist. Der Meiler musste erst wegen auslaufenden Wassers außer Kontrolle geraten, um dann anzukündigen, dass er noch im Laufe des Jahres aus dem Verkehr gezogen werden soll.
Allerdings, und das ist die nächste teure Nachricht für den staatlichen Betreiber EDF, gibt es die fatalen Probleme, die in Fessenheim hätten zur Katastrophe führen können, auch in anderen französischen Meilern. Auch dort kann Wasser in die Schaltkästen eindringen, was zum Ausfall der Steuerungen führen kann. Bekannt ist, dass alle 58 Reaktoren teuer überprüft und einige nachgerüstet werden müssen, was zwei Jahre dauern soll.
Die vielen teuren Baustellen haben dazu geführt, dass die EDF immer stärker in eine finanzielle Schieflage geraten ist. Der Konzern benötigte gerade eine Kapitalerhöhung um vier Milliarden Euro und der Konzern ist schon mit 35 Milliarden Euro verschuldet. Anleger verlieren zusehends das Vertrauen in den Konzern, deshalb versicherte die Regierung an, Aktien im Volumen von drei Milliarden Euro zu kaufen. Der Kurs der EDF-Aktie stürzte kürzlich erneut um mehr als 8% ab. Wegen der vielen teuren Baustellen und der wachsenden Unsicherheit hat sie etwa einem Jahr schon gut Hälfte ihres Werts verloren. Der Staatsanteil am Konzern beträgt 85%.
Das Vertrauen in den Atomstrombetreiber sinkt und sinkt. Der neue Kurssturz hatte aber vor allem damit zu tun, dass die Kapitalerhöhung eigentlich dafür dienen sollte, das umstrittene Projekt des Kraftwerksneubaus im britischen Hinkley Point abzusichern. Doch offenbar wird das Geld für den laufenden Betrieb und die vielen teuren Baustellen benötigt. Die Entscheidung über das mehr als 23 Milliarden Euro teure Projekt wurde gerade erneut um vier Monate verschoben.
Der Widerstand gegen dieses extrem teure Projekt wird auch in der EDF stärker. Vor gut einem Monat trat der Finanzchef Thomas Piquemal zurück. Er hat nun kürzlich sein Schweigen gebrochen und bestätigt, dass der Rücktritt direkt mit dem ökonomischen Abenteuer in Hinkley Point zusammenhängt, was ohnehin allseits vermutet worden war. Das Projekt könne EDF in "eine ähnliche Situation wie Areva" bringen. Er meinte damit, dass der staatliche Hersteller von Atomanlagen längst pleite ist. Sein Geschäft läuft nicht und nun kommen noch die massiven Probleme aus seiner Schmiede Forges du Creusot hinzu.
Aus dem EPR wurde eben kein Exportschlager, wie es Nicolas Sarkozy das einst vorhatte (Frankreich setzt trotz steigenden Widerstands auf Atom), sondern ein teurer Rohrkrepierer. Und auch hiermit sind wir wieder am Ausgangspunkt angelangt. Man kann nachvollziehen, warum der Atomstromanbieter Iberdrola die Atommeiler wirtschaftlich für untragbar hält und sich aus dem teuren und gefährlichen Geschäft verabschieden will.