Atomvereinbarung: "Die Unterschrift des US-Präsidenten kann mit einem Strich zunichte gemacht werden"
Amerikanische Senatoren schreiben einen Brief an die iranische Führung, um sie über die US-Verfassung aufzuklären. Der iranische Außenminister antwortet mit Aufklärung über internationale Abmachungen
Showtime: Erst durfte der israelische Ministerpräsident Netanjahu auf Einladung der Republikanischen Partei, ohne Absprache mit dem US-Präsidenten, vor dem Kongress, eine Rede halten, in der Iran mit dem "Islamischen Staat" gleichgesetzt und die anstehende Vereinbarung über Irans Atomprogramm als Weg zur Atombombe beschrieben wird. Etwa eine Woche später verfassen republikanische Angeordnete einen offenen Brief an "die Führer der islamischen Republik Iran", in dem sie darauf hinweisen, dass die Unterschrift des US-Präsidenten unter die Vereinbarung nichts taugt.
"Möglicherweise verstehen Sie unser Verfassungssystem nicht völlig", heißt es in dem Brief, den Tom Cotton verfasst haben soll und den weit über vierzig andere republikanische Senatoren unterzeichnet haben. Ihnen allen liegt die Aufklärung der iranischen Führung darüber am Herzen, dass die Unterschrift des Präsidenten unter eine Vereinbarung keine Unterstützung der Mehrheit im Kongress haben wird, und Obama somit lediglich ein "executive agreement" zeichnet und keinen Vertrag, der ratifiziert wird (vgl. dazu Treaty vs. Executive Agreement).
Dazu komme, dass die Amtszeit des Präsidenten bald ablaufe, indessen die Amtszeit der Senatoren noch eine ganze Weile länger währe: "Präsident Obama wird im Januar 2017 sein Amt verlassen, aber die meisten von uns werden noch weit über diesen Zeitpunkt hinaus im Amt bleiben - vielleicht Jahrzehnte."
Der nächste Präsident, so die Botschaft des Briefes, könnte das "executive agreement" mit einem Federstrich annulieren und der künftige Kongress die Modalitäten der Vereinbarung jederzeit ändern.
Erwartungsgemäß hat der Brief in den politischen Kreisen in Washington Wirkung erzielt. Obama unterstellte den Verfassern ironisch, dass sie gemeinsame Sache mit den Hardlinern in Iran machen würden, womit er einige weitere Kommentare anregte, die ihn ganz ernst beim Wort nehmen, während andere mit Verschwörungsvorwürfen nach dem Logan Act spekulieren.
Vize-Präsident Bidden empörte sich über das unerhörte Verhalten der Senatoren ("In meiner 36jährigen Laufbahn im Senat noch nie da gewesen") und der bekannte Washington Post-Kommentator Ignatius beurteilte den Brief als "gefährlich". Auch der britische Außenminister Hammond äußerte wenig Freude über die Briefschreiber ("spammer").
"Möglicherweise verstehen Sie internationale Regelungen nicht"
Bemerkenswert fiel die offizielle Antwort des iranischen Außenministers Javad Zarif auf den Brief aus, den er als Propaganda-Masche bezeichnete, als wertlos, was die legalen Implikationen betrifft.
Denn, so klärt Zarif, die US-Senatoren auf, sie würden weder das System internationaler Abmachungen verstehen noch die Nuancen ihrer eigenen Verfassung. Das Verfahren zwischenstaatlicher Verhältnisse werde nicht von Binnengesetzen der Vereinigten Staaten geregelt, sondern von internationalen Regelungen. Ein Regierungswechsel würde einen Staat nicht einfach von Verpflichtungen entbinden, die er unter der vorherigen Regierung eingegangen ist.
Zumal es sich im Fall der Vereinbarungen zu Irans Atomprogramm nicht um ein bilaterales Abkommen, sondern um ein multilaterales (5+1 plus Iran) handele, das, so Zarif, schließlich auch von einer UN-Sicherheitsratsresolution gestärkt werde.
An diesen Punkten - der Zustimmung der Partnerstaaten Großbritannien, Frankreich und Deutschland sowie der Sicherheitsratmitglieder Russland und China - wird sich jede Regierung nach Obama politisch orientieren müssen, stellen auch US-Experten fest, egal wie strittig die Sache zwischen Kongress und dem Präsidenten jetzt ist.