Auch die ESA beschäftigt sich verstärkt mit Perspektiven der Astrobiologie
Die Suche nach Leben im All intensiviert sich
Bei der Suche nach Leben außerhalb der Erde wechseln sich Zeiten der Zuversicht mit eher pessimistischen Perioden ab. So sanken die Hoffnungen, jemals außerirdisches Leben zu finden, vorübergehend gegen Null, als die Viking-Sonden im Jahr 1976 auf dem Mars landeten und keinerlei Lebensspuren nachweisen konnten. Das Sonnensystem und das übrige Weltall erschienen als eine tote (und damit auch etwas langweilige) Wüste mit der Erde als einziger Oase. Doch dieses Bild hat sich in den letzten Jahren wieder drastisch gewandelt.
Forschungsergebnisse aus ganz unterschiedlichen Disziplinen haben zu einer grundlegend neuen Bewertung der Chancen geführt, auf anderen Himmelskörpern Leben zu finden. Zunächst einmal gibt es offenbar mehr Himmelskörper, die dafür in Frage kommen, als bisher gedacht: Seit Astronomen Mitte der neunziger Jahre die ersten Planeten außerhalb unseres Sonnensystems entdeckten, hat sich deren Zahl auf derzeit über 60 erhöht und legt die Annahme nahe, dass die Bildung von Planetensystemen recht häufig erfolgt.
Aber auch innerhalb unseres eigenen Sonnensystems könnte es außerirdisches Leben geben oder gegeben haben. Raumsonden entdeckten auf dem Mars und auf dem Jupitermond Europa Hinweise auf flüssiges Wasser, das als Grundvoraussetzung für die Entwicklung von Leben angesehen wird. In interstellaren Staubwolken und auf Kometen wurde komplexe, organische Materie nachgewiesen, die die Grundbausteine des Lebens darstellen könnte – oder auch dessen Abfallprodukte, wie manche Wissenschaftler vermuten: "Neben der Untersuchung des Halleyschen Kometen haben auch Beobachtungen interstellarer Staubwolken ergeben, dass etwa ein Drittel des dort gefunden Kohlenstoffs in Form von Molekülen vorkommt, die von bakterieller Materie nicht unterschieden werden kann", sagt etwa der Astronom und Mathematiker Chandra Wickramasinghe von der University of Wales in Cardiff. "Bislang lässt sich nicht befriedigend erklären, wie diese Stoffe auf anorganische, nicht-biologische Weise entstanden sein sollen."
Forschungen auf der Erde selbst haben ebenfalls die Hoffnungen auf außerirdisches Leben beflügelt. "Wir haben sehr viel neue Erkenntnisse über Extremophile gewonnen, also über Organismen, die in extremen, eigentlich lebensfeindlichen Umgebungen existieren", sagt Peter D. Ward, Geowissenschaftler an der University of Washington in Seattle und fügt hinzu: "Es gibt daher gute Gründe, auf dem Mars oder dem Jupitermond Europa nach Leben zu suchen. Noch vor zehn Jahren hätte niemand an den Erfolg solcher Missionen geglaubt. Heute dagegen herrscht große Zuversicht, weil wir diese wunderbaren Bakterien und Archaea an so ungewöhnlichen Orten gefunden haben."
Ward ist überzeugt, dass Leben im All weit verbreitet ist – allerdings nur primitives Leben. Für komplexe, mehrzellige Lebensformen schätzt er die Chancen dagegen weit geringer ein, wie er in dem gemeinsam mit dem Astronomen Donald Brownlee verfassten Buch "Rare Earth – Why Complex Life Is Uncommon in the Universe" (erscheint Anfang Juni auf deutsch), einem der meist diskutierten Beiträge zum Thema der letzten Jahre, ausführlich begründet.
Leben unter Extrembedingungen war auch eines der zentralen Themen auf der ersten europäischen Arbeitstagung zur Exo-/Astrobiologie, die Ende Mai in der ESA-Niederlassung ESRIN in Frascati, Italien, stattfindet. Daneben ging es um die Chemie der Entstehung des Lebens, Strategien der Suche nach Leben außerhalb der Erde und die notwendigen planetaren Bedingungen für die Entwicklung von Lebensformen. Wissenschaftler des Potsdamer Instituts für Klimaforschung etwa stellten in einem Beitrag eine Schätzung der "Anzahl der Gaias in der Milchstraße" vor.
Mit dieser, gemeinsam vom Europäischen Exobiologie-Netzwerk und der europäischen Weltraumorganisation ESA organisierten Konferenz, knüpft die europäische Weltraumforschung an die Strategie der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA an, die Suche nach Leben im All stärker in den Mittelpunkt der Aktivitäten zu stellen. Mit der Gründung desAstrobiology Institute vor drei Jahren hat die NASA dieser neuen Schwerpunktsetzung auch institutionellen Ausdruck verliehen. Dessen Leiter Baruch Blumberg wird gleich in der ersten Plenarsitzung der Konferenz von seine Erfahrungen berichten. Ob sie die europäischen Weltraumforscher dazu bewegen wird, ein Schwesterinstitut auf dieser Seite des Atlantiks zu gründen, bleibt abzuwarten.