Auch ohne Atombomben ist Südkorea militärisch Geisel von Nordkorea

Am Samstag besuchte Kim Jong-un eine Schweinefarm.

Das Provokationsspiel zwischen Donald Trump und Kim Jong-un ist hoch gefährlich, so lange keine diplomatische Lösung offeriert wird

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Wenn es um Nordkorea geht, ist stets großes Rätselraten angesagt. Die wahrhaft geschlossene Gesellschaft bleibt in vielen Belangen inmitten des Internetzeitalters dunkel und daher hoch unberechenbar. Gerade wieder will man von Bildern kommerzieller Satelliten, da auch die militärischen Spionagesatelliten mit viel höherer Auflösung verschlossen bleiben, erkannt haben, dass wieder Aktivitäten auf dem Atomtestgelände Punggye-ri stattzufinden scheinen, während noch eine Woche zuvor auf dem Gelände auf mehreren Plätzen Volleyball gespielt worden war.

Die von 38North.org ausgewerteten Satellitenbilder stammen allerdings bereits vom 19. April. Dort heißt es, es seien einige Anhänger am Ausgang des Nordstollens zu sehen, der angeblich für einen weiteren Atomtest vorbereitet wurde. Zudem seien 5 Förderwagen zu sehen. Es würde aber kein Wasser abgepumpt werden. Zu sehen sei auch weiterhin eine größere Abdeckung, "wahrscheinlich um Ausrüstung zu verbergen". Spiele würden nicht stattfinden. Man muss wie immer davon ausgehen, dass Nordkorea weiß, wann die Anlage von Satelliten überflogen wird, es sich also um eine Art Schauspiel handelt, was gezeigt wird. Die Analysten müssen eingestehen, dass sich darauf kaum etwas schließen lässt: "Es ist unklar, ob die beobachtete Aktivität eine 'taktische Pause' vor einem bevorstehenden Test, eine größere, verlängerte Ruhephase vor einem Test oder normale Betriebsaktivitäten darstellt." Sie bleiben aber dabei, dass alles auf dem Testgelände bereit sei, einen sechsten Atomtest durchzuführen, wenn der Befehl dazu käme.

Aus Pjöngjang hört man die üblichen Drohungen. Die nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA schrieb am Sonntag auf einen Kommentar in der Staatszeitung Rodong Sinmum hinweisend, die USA würden die Situation in der Region extrem zuspitzen, "nachdem sie riesige atomare strategische Systeme und Streitkräfte auf die koreanische Halbinsel gebracht" habe. So sollen "mehrere atomgetriebene Flugzeugträger, darunter Carl Vinson und Nimitz" am 25. April eintreffen. Die nordkoreanische Armee habe erklärt, sie werde "rücksichtslose Zerstörungsschläge gegen die Feinde ausführen, sollten sie eine rücksichtslose Provokation begehen". Die "Juche-Waffen" hätten "unvorstellbare Kapazitäten" und würden "die US-Streitkräfte und ihre Puppen bis zum letzten Mann zerstören", die Aggressoren könnten "unserem Atomschlag" weder auf der Halbinsel, noch auf den pazifischen Stützpunkten oder in den USA entkommen. Die Trump-Regierung solle sich also besser zurückhalten.

Am Freitag wurde auf KCNA auch Australien gewarnt, das sich auf die Seite der USA gestellt hat. Die australische Außenministerin Julie Bishop hatte beim Besuch von US-Vizepräsident Pence zugestimmt, dass alle Optionen gegen Nordkorea auf dem Tisch seien. Wenn Australien weiter den USA folge, werde dies ein selbstmörderischer Akt sein, weil es damit in die Reichweite eines Atomangriffs Nordkoreas komme.

Kim Jong-un setzt inzwischen seine Besuche fort. Ob symbolisch gemeint oder nicht, besuchte er am Samstag die Schweinezuchtanlage Thaechon der Luftwaffe. Die sei auf dem höchsten Stand der Technik, es gebe eine Echtzeit-Überwachung und eine automatische Kontrolle aller Prozesse. Das fand Kim Jong-un natürlich gut, der auch meinte die Anlage zeige über den technischen Stand hinaus auch Patriotismus, weil damit die heimische Produktion und die Ernährung des Militärs gesichert werde. Der junge Herrscher macht den Eindruck, nicht sonderlich besorgt zu sein und eher die weltweite Aufmerksamkeit zu genießen, die er durch gefährliche Spiele gerade genießt. Rodong Sinmum machte mit dem Besuch bei den Schweinen die Titelseite auf.

Ähnlich wie Donald Trump sich gerne an der Küste Floridas in seinem Klub Mar-a-Lago aufhält, er nennt seine Anlage auch "Winter White House", hat auch Kim Jong-un eine Luxusanlage an der Ostküste des Landes auf einer Insel. FoxNews publiziert Satellitenaufnahmen und schreibt, die Insel heiße auch "Nordkoreas Ibiza". Hier "unterhält der Atomwaffen liebende Diktator seine Kumpane und plane wie ein James-Bond-Schurke die Weltherrschaft". Der frühere Basketballstar Dennis Rodman sei dort zu Besuch gewesen und habe gesagt, dort kriege man nur das Beste. Kim Jong-un halte sich dort mit 50-60 normalen Leuten auf, trinke Cocktails und lache ständig.

Derweil wird berichtet, dass bereits der dritte US-Bürger in Nordkorea verhaftet worden sei. Der zuvor an der Universität für Wissenschaft und Technik Yanbian in China tätige koreanisch-amerikanische Professor soll sich seit einem Monat in Nordkorea aufgehalten haben, um nicht näher genannte Hilfsprogramme zu diskutieren. Der Student Otto Warmbier und der koreanisch-.amerikanische Pastor Kim Dong-chul waren wegen subversiver Tätigkeit zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Man geht davon aus, dass die nordkoreanische Führung mit den Verhaftungen Geiseln nimmt, um bessere Verhandlungsergebnisse erzwingen zu können.

Inzwischen haben sich dem Flugzeugträgerverband von USS Carl Vinson auch zwei japanische Kriegsschiffe auf dem Weg zur koreanischen Halbinsel angeschlossen. Angeblich würde bei den Philippinen gemeinsam Übungen ausgeführt. Man hatte sich schon lustig über Präsident Donald Trump gemacht, als dieser sagte, er habe eine "mächtige Armada" nach Nordkorea geschickt, während der Flugzeugträger noch über 5000 km entfernt Übungen mit australischen Streitkräften durchführte und keineswegs auf dem Weg war. Jetzt soll er in einigen Tagen ankommen, sagte US-Vizepräsident Pence am Samstag in Australien.

Fraglich ist, was die provokative Strategie Trumps als Reaktion auf die Provokationen Nordkoreas bezwecken kann. Offenbar hat der US-Präsident bei seinem Treffen mit Xi Jinping vereinbart, dass China mehr Druck auf Nordkorea ausüben wird, auch wenn er dem wohl misstraut und warnend auf Twitter nach schob, zur Not auch alleine zu handeln. Seitdem sind "alle Optionen auf dem Tisch", aber es bleibt unklar, wie weit Trump gehen würde. Eine rote Linie wäre bereits wohl, wenn Kim Jong-un einen Test mit einer Langstreckenrakete oder gar einen Atomwaffentest durchführen ließe. Trump könnte dann wohl kaum mehr einfach zuschauen oder neue Sanktionen verhängen. Einen Verhandlungsweg, um Nordkoreas Atomwaffen zurückzufahren, hat Trump noch nicht vorgelegt, möglicherweise finden aber Geheimverhandlungen hinter dem Getöse der Warnungen statt.