Auf der Jagd nach extrasolaren Planeten
Interview mit dem Schweizer Astronomen Michel Mayor, der den ersten extrasolaren Planeten entdeckt hat
Extrasolare Planeten scheinen im Universum an der Tagesordnung zu sein. 77 dieser Objekte haben die Astronomen bisher gefunden, viele davon kreisen um nahe gelegene Sterne. Die meisten von ihnen gleichen Gasriesen wie Jupiter. Einige der bekannten Exoplaneten umrunden ihre Sonne innerhalb der bewohnbaren Zone - und geben damit der Diskussion über Leben im Weltall neue Nahrung. Der Schweizer Michel Mayor, 59 Jahre, ordentlicher Professor am Institut für Astronomie an der Universität Genf und seit 1998 Direktor des Genfer Observatoriums entdeckte zusammen mit Didier Queloz im Jahr 1995 den ersten extrasolaren Planeten 51 Pegasi b. Diese Entdeckung wurde von Science als eine der zehn wichtigsten Entdeckungen des Jahres 1995 bezeichnet.
Michel Mayor ist ständiger Mitarbeiter im Rahmen der Programme des European Southern Observatory in Chile (ESO) und des Observatoriums der Haute-Provence (CNRS, Frankreich). Er förderte die Forschung als Vorsitzender der Kommission der galaktischen Struktur der Internationalen Astronomischen Union (IAU von 1988 bis 1991 und u.a. der Schweizerischen Gesellschaft für Astrophysik und Astronomie von 1990 bis 1993. Ob es ihm vorbehalten sein wird, den ersten erdähnlichen Planeten zu detektieren steht in den Sternen, welche die Planetenjäger derzeit anvisieren. In einem Interview mit Telepolis äußerte sich der sympathische Forscher in dieser Hinsicht zumindest pessimistisch.
Nach Ihrer Entdeckung war es sicherlich eine sehr anstrengende Erfahrung für Sie, im Mittelpunkt des Interesses der Presse zu stehen!
Michel Mayor: Das stimmt. Es war eine ganz neue Erfahrung für mich. Normalerweise arbeiten die meisten Wissenschaftler ihr ganzes Leben lang, ohne in direktem Kontakt zur Presse zu stehen.
Wie oft sind Sie seit Ihrer Entdeckung von Journalisten kontaktiert worden?
Michel Mayor: Ich habe fast jede Woche Kontakt zu mehreren Journalisten. Zu Beginn habe ich mir selbst zugeredet, geduldig zu sein, da sich dieser Ansturm nach einer Weile legen wird, aber es ist immer noch kein Ende in Sicht. Darum habe ich irgendwann aufgehört, meine Kontakte zur Presse zu zählen.
Schwarze Löcher, Superstrings, Wurmlöcher – all diese technischen Begriffe scheinen im Moment sehr in Mode zu sein. Denken Sie, dass Astronomie die Öffentlichkeit im Allgemeinen fasziniert?
Michel Mayor: Ich glaube nicht, dass die breite Öffentlichkeit an extrasolaren Planeten interessiert ist. Was die Leute wirklich wissen wollen, ist die Antwort auf folgende Frage: Gibt es Leben im Universum? Also steht sicherlich das Thema der Exobiologie im Interesse der allgemeinen Öffentlichkeit.
Stehen Sie in engem Kontakt zu wissenschaftlichen astrobiologischen Gruppen?
Michel Mayor: Ja, ich bin Mitglied der Bioastronomy Commission of the International Astronomical Union und ich nehme an einigen weltweiten Konferenzen teil. Diese Art von interdisziplinären Konferenzen ist sehr hilfreich, um Probleme aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, sich über andere Gebiete zu informieren und andere Forscher zu treffen. In diesem Jahr werde ich zum Beispiel in Australien an der Bioastronomie 2002-Konferenz Life among the Stars teilnehmen. Diese Art Kontakt ist mir sehr wichtig.
Wie ist Ihre persönliche Meinung über die SETI-Radioastronomen, die nach extraterrestrischen Radiosignalen suchen? Denken Sie, dass ein solches Projekt Sinn macht oder ist das Ziel, eine “kosmische Flaschenpost“ zu entdecken, nicht vielmehr verschwendete Zeit und Geld?
Michel Mayor: Das ist eine sehr sehr schwierige Frage. Auf der einen Seite sind diese Forscher sehr ernst zu nehmen, weil sie wirklich clevere und leistungsstarke Instrumente bauen. Andererseits haben wir keine Möglichkeit, die Erfolgschancen eines solchen Experiments abzuschätzen. Aber wenn sie eines Tages wirklich Erfolg mit ihrem Experiment haben sollten, wird die Bedeutung ihrer Entdeckung gewaltig sein. Was ist also das Resultat dieses Projekts? Es ist ein bisschen so, als wollte man Geld verdienen: Man kann arbeiten wie jedermann, wird dabei aber nie reich werden. Andererseits hat man die Sicherheit, am Ende des Monats Geld zu bekommen. Aber die Mitarbeiter von SETI haben eine sehr geringe Chance etwas zu verdienen. Ich persönlich könnte nicht in einem solchem Team arbeiten. Meiner Meinung nach sind die Erfolgschancen einfach zu gering, um so viele Jahre Arbeit irgendeiner Art von SETI-Projekt zu widmen.
Wenn Sie die potentielle Wahrscheinlichkeit von extraterrestrischem intelligentem Leben im Universum abschätzen müssten – was würden Sie sagen?
Michel Mayor: Es ist sehr schwierig, darauf eine wissenschaftlich fundierte Antwort zu geben. Zweifellos würde ich der Idee, dass eine Art intelligentes Leben wirklich existiert den Vorzug geben. Aber da spricht nicht die Wissenschaft, sondern nur mein persönliches Gefühl.
Nach Ihrer Entdeckung wurden Sie von der Zeitschrift "Nature“ aufgefordert, jeglichen Kontakt zur Presse zu vermeiden, solange der Artikel noch nicht veröffentlicht ist. Diese Vorgehensweise ist obligatorisch für jeden Nature-Autor. Es hatte allerdings zur Folge, dass die amerikanische Presse berichtete, zwei amerikanische Wissenschaftler hätten den ersten Exoplaneten entdeckt. Das muss das frustrierendste Erlebnis Ihrer Laufbahn gewesen sein.
Michel Mayor: Es war nicht das frustrierendste Erlebnis. Aber es stimmt, dass wir ein wenig irritiert waren, dass alle Welt diese Entdeckung kommentierte und diskutierte, während wir immer noch unter dem Embargo von "Nature“ standen. Die Situation war damals ein bisschen verrückt.
: Mögen Sie eigentlich den Begriff "planet hunter“?
Michel Mayor: Ja, der ist in Ordnung.
Es sieht so aus, als ob sich "planet hunting“ zu einer neuen olympischen Disziplin entwickelt. Offensichtlich wird die Wissenschaftscrew, die den ersten wirklich mit der Erde vergleichbaren Planeten entdeckt, die Goldmedaille erhalten. Wann wird die Siegerehrung statt finden? Wann werden Wissenschaftler den ersten extrasolaren erdähnlichen Planeten entdecken? Wie ist diesbezüglich Ihre Einschätzung?
Michel Mayor: In dieser Hinsicht können wir noch keine genauen Aussagen treffen. Die Technik, die wir heute verwenden, birgt eine Menge Möglichkeiten für die Entdeckung massiver Exoplaneten. Aber wir müssen uns wohl gedulden, bis neue fortschrittlichere Methoden entwickelt werden. Meiner Meinung nach ist die "planet three-transit"-Technik, die den Hauptpart der Eddington-Satelliten-Mission ausmacht, die einzig zuverlässige Methode, um Planeten zu entdecken, die der Erde ähneln. Aber diese Mission der ESA wird nicht vor zehn Jahren beginnen. Die wichtigste Aufgabe für die Zukunft wird sein, einen Planeten wie die Erde zu entdecken. Meine Vermutung lautet: Vielleicht in zehn Jahren, wahrscheinlich erst in 15 Jahren werden wir den ersten mit der Erde vergleichbaren Planeten entdecken. Ich denke nicht, dass dies früher geschehen wird.
: Wie viele extrasolare Planeten sind bis jetzt entdeckt worden? Wenn man im Internet nachschaut, findet man unterschiedliche Werte. Offensichtlich hängt es davon ab, wie oft die Website aktualisiert wird. Ich habe die Information, dass mittlerweile 77 Exoplaneten registriert sind. Ist das korrekt?
Michel Mayor: Die angegebene Zahl ist oft Ausdruck einer Strategie – um zum Beispiel finanzielle Unterstützung zu bekommen. In unserer aktuellen Liste in Genf sind insgesamt 77 Planeten registriert.
Wie steht es mit der finanziellen Unterstützung für Ihr Projekt?
Michel Mayor: Wir können uns wirklich nicht beklagen, wir werden sehr gut unterstützt.
Haben Sie nie mit dem Gedanken gespielt, in die USA auszuwandern?
Michel Mayor: Nein, sicherlich nicht.
Inwiefern hat das ständig an Bedeutung gewinnende Internet Ihre Arbeit beeinflusst?
Michel Mayor: Zu Beginn war ich absolut nicht daran interessiert, das Internet für meine Arbeit zu nutzen. Aber dann habe ich bemerkt, dass ich gezwungen war, das Internet zu benutzen, schon alleine um regelmäßigen Kontakt mit verschiedenen Wissenschaftlern und vielen anderen Leuten zu halten. In Zukunft werden wir ein bisschen mehr Aufwand betreiben, um unsere Website zu optimieren.
Wäre es Ihnen auch ohne intelligente Hard- und Software möglich, Ihre Suche nach extrasolaren Planeten zu betreiben?
Michel Mayor: Wir haben eine sehr leistungsstarke Sun-Workstation. Diese war übrigens sicherlich einer der Gründe für unseren Erfolg. 1995 war die Chance, einen Exoplaneten zu entdecken sehr gering. Die Software, die Geoffrey Marcy und Paul Butler benutzten, arbeitete sehr langsam und zeitaufwendig. Wir dagegen konnten schon einige Minuten nach den Messungen einen Blick auf die Ergebnisse werfen. Das hat uns in die Lage versetzt, die Messungen bei Auffälligkeiten sofort zu wiederholen.