Aufmarsch der Milizen

Seite 2: Die Verwilderung des Staatsapparates

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Wie sehr die mit dieser krisenbedingt zunehmenden Milizbildung einhergehende Verwilderung des amerikanischen Staatsapparates vorangeschritten ist, wird gerade an der Polizeitruppe evident, die von Donald Trump mit der Niederschlagung der Proteste in Portland, Oregon betraut wurde.

Die in Portland eingesetzte Grenzpolizei (CBP - US Customs and Border Protection) gilt als eine der wichtigsten Stützen der Trump-Administration innerhalb des Staatsapparates. Es seien "seine Leute", die in der militarisierten und auf 20 000 Mann angewachsenen Grenzpolizei tätig seien, erklärte ein Insider gegenüber der Zeitung The Guardian.

Die Abwehr von Flüchtlingen an der südlichen US-Grenze, die inzwischen die Hauptaufgabe der CBP bildet, wird mit mörderischer Konsequenz umgesetzt. Seit 2010 sollen mindestens 111 Flüchtlinge die Begegnung mit den hochgerüsteten Grenzschützern nicht überlebt haben. Es herrsche blanker Rassismus bei der Truppe, bei der eine "Kultur der Gewalt" gegenüber Migranten gepflegt werde, erklärten ehemalige Beamte gegenüber dem Guardian.

Das Ausmaß des Rassismus bei der Grenztruppe wurde Anfang 2019 öffentlich: Rund 9.000 Mitglieder der Grenzpolizei frequentierten eine Facebook-Gruppe, in der rassistische und menschenverachtende Inhalte verbreitet wurden - dies war nahezu die Hälfte aller Mitglieder der CBP. Dieser Skandal blieb ohne ernsthafte Konsequenzen.

Innerhalb der CBP existiert es eine "Eliteformation", die Border Patrol Tactical Unit (Bortac). Diese mit den Navy Seals vergleichbare Gruppierung, die auch außerhalb der USA zum Einsatz kommt, absolviert eine militärische Schulung - und sie gilt als die "gewalttätigste und rassistischste" Einheit innerhalb des Polizeiapparates der Vereinigten Staaten, so der Guardian unter Berufung auf Insiderinformationen.

Und eben diese Gruppierung, die sich selber nicht mehr als Teil der Polizeikräfte betrachtet und bei ihren Einsätzen in militärischen Kategorien denkt und handelt, setzte Trump in Portland gegen die Protestbewegung ein: Die Bortac-Männer würden bei ihren Einsätzen Menschen, mit denen sie sich konfrontiert sehen, im "militärischen Sinne als Kombattanten betrachten, was bedeutet, dass die praktisch keine Rechte haben", erklärte eine ehemalige Grenzpolizistin gegenüber der britischen Zeitung.

Die Methoden der "Entführung" von Demonstranten durch die Grenzpolizisten in Portland, die landesweit für Empörung sorgten, entsprechen somit der üblichen Vorgehensweise an der Grenze gegenüber Migranten.

Verwilderungsprozess und Staatszerfall

Diese Tendenzen zur Verwilderung und Faschisierung des Staatsapparates sind angesichts der sich voll entfaltenden Krise des kapitalistischen Weltsystems selbstverständlich nicht auf die Vereinigten Staaten beschränkt. Ähnliches zeichnet sich ja auch im Staatsapparat der Bundesrepublik ab, wo sich entsprechende faschistische Seilschaften ausbilden und rechtsterroristische Bestrebungen rasant zunehmen - während die politischen Funktionseliten aus taktischem Kalkül, Opportunismus oder Sympathie wegschauen.

Dabei handelt es sich bei diesem in den Zentren einsetzenden Verwilderungsprozess der Staatsapparate nur um die Vorform eines Krisenphänomens, das sich in der Peripherie oder Semi-Peripherie schon voll entfaltet - und das für gewöhnlich auf den Begriff des "failed state" gebracht wird.

Staatszerfall wird maßgeblich nicht von außen, durch irgendwelche Verschwörungen, sondern gerade von innen befördert, durch diejenigen Teile des Staatsapparats, die in Reaktion auf Krisentendenzen glauben, die Sache in die eigene Hand nehmen zu können oder zu müssen - entweder in der Hoffnung, durch Putsch und Diktatur dessen Fortbestehen zu sichern, oder aus schlichtem Geldinteresse heraus.