Aufruhr in der Wirtschaft wegen Kurswechsel in der China-Politik

Bild: Peggy und Marco Lachmann-Anke auf Pixabay

Deutsche Unternehmen verteidigen ihre Investitionen in China. Sie raten davon ab, die Verbindung kappen zu wollen. Weshalb es auch anders geht.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) drängt die deutsche Wirtschaft, sich stärker von China zu entkoppeln. Der Plan seines Ministeriums war, die Regeln für staatliche Garantien zu verschärfen, die für die Investitionen deutscher Unternehmen im Ausland gelten.

Am Donnerstag berichtete die Nachrichtenagentur Reuters, in den Führungsetagen deutscher Konzerne habe es deshalb Aufruhr gegeben. Man beschwerte sich demnach bei Habeck, nicht ausreichend konsultiert worden zu sein, als die Regeln überarbeitet wurden.

Wie Reuters von Teilnehmern des Treffens erfahren haben will, gibt es in den Vorständen erhebliche Angst, dass ihr Chinageschäft leiden könnte. Zumal einige Konzerne erst in diesem Jahr dort große Summen investierten.

An dem Treffen sollen die Vorstandsvorsitzenden des Chemieriesen BASF, des Industriekonzerns Siemens und der Deutschen Bank teilgenommen haben. Gegenüber Reuters wollten sie sich genauso wenig äußern wie das Bundeswirtschaftsministerium.

Worum es Habeck mit seinem Vorstoß geht, lässt sich nur erahnen. Oft wird eine „wertebasierte Außenpolitik“ als Begründung angeführt, doch das entpuppt sich oft als schlichtes Nachahmen US-amerikanischer Außenpolitik – und im Falle Chinas wird das nicht widerspruchslos hingenommen.

Unterschiedliche Konzepte in Unternehmen und Wirtschaftsministerium

„Sollte die staatliche Exportförderung gestrichen werden, dann schätze ich, dass 50 bis 70 Prozent unserer Mitglieder wahrscheinlich nicht mehr den Mut hätten, in den Markt einzusteigen“, sagte demnach Markus Jerger, Vorsitzender des Mittelstandsverbandes BVMW. Der Verband vertritt die Interessen von über 900.000 kleinen und mittelständischen Unternehmen.

In den Konzernzentralen teilt man zwar die Auffassung, dass man die wirtschaftliche Abhängigkeit von China reduzieren muss. Dort werden allerdings andere Gründe angeführt als den Taiwan-Konflikt oder „westliche Werte“. Und zwar: Industriespionage, unlauterer Wettbewerb und Menschenrechtsverletzungen.

Auch von der Art, wie man die Abhängigkeit verringern will, hat man andere Vorstellungen als manche Beamten im grünen Wirtschaftsministerium. In den Unternehmen glaubt man, dass es einen Weg gibt, ohne dabei der eigenen Wirtschaft Schaden zuzufügen und ohne Gegenreaktionen in Peking zu provozieren.

Jerger, der an dem Treffen mit Habeck teilgenommen hat, erklärte: „Die China-Aktivitäten der deutschen Wirtschaft zu unterbrechen, wie es das Wirtschaftsministerium möchte oder versucht, ist der falsche Weg“.

Deutsche Wirtschaftsexperten mit Einfluss im Bundeswirtschaftsministerium empfehlen der Bundesregierung: Die Unternehmen sollen sich vom Just-in-Time-Modell auf das Just-in-Case-Modell umstellen, hieß es am Mittwoch bei der Nachrichtenagentur CE Noticias Financieras English.

Mit anderen Worten: Notwendige Vorprodukte sollen nicht mehr geliefert werden, wenn sie benötigt werden, sondern sollen auf Vorrat gehalten werden. Außerdem sollen die Unternehmen ihr Verhältnis zu China überdenken und auf andere asiatische Länder bauen.

Vertreter deutscher Unternehmen favorisieren dagegen ein anderes Modell: die „local for local“-Strategie. Lieferketten sollen resilienter werden, indem auf lokale Zulieferer gesetzt wird. Auf diese Weise hofft man, Produktion und Handel abzusichern gegenüber Handelskriegen und geopolitischen Konflikten.

Ein Drittel der europäischen China-Investitionen kommen von deutschen Unternehmen

Deutsche Konzerne sind federführend bei den Investitionen in China. Laut einer Studie des in New York ansässigen Forschungsunternehmens Rhodium Group waren Mercedes-Benz, Volkswagen, BMW und BASF in den Jahren 2018 bis 2021 gemeinsam für ein Drittel aller europäischen Investitionen in China verantwortlich. Und es sind auch diese Unternehmen, die in diesem Jahr enorme Summen in China investieren – um unabhängige lokale Lieferketten aufzubauen.

„Mit der ‚local for local’-Strategie stabilisieren wir unser regionales Portfolio bestmöglich gegen äußere Einflüsse“, sagte ein BASF-Sprecher gegenüber Reuters.

„Es ist unmöglich, China und Europa vollständig voneinander zu trennen“, sagte demnach Tobias Just, Sprecher von Mercedes-Benz. Der deutsche Autobauer verkauft in China etwa dreimal so viele Autos wie in den USA und zwei chinesische Unternehmen zählen zu seinen größten Anteilseignern.

„Unsere Strategie ist lokal für lokal, nicht nur aus geopolitischen Gründen, sondern auch wegen natürlicher Absicherung, Nähe zu Kernmärkten und Kostenvorteilen“, so Just.

Robert Habeck versprach, den Dialog mit der Geschäftswelt fortzusetzen. Und von den Wirtschaftsvertretern kamen lobende Worte über Habeck. „Er hat eine steile Lernkurve, er ist sehr offen“, wurde gegenüber Reuters gesagt. „Das Problem ist, dass er ganz unten anfängt.“

Perspektivenwechsel im Blick auf China

An der ideologischen Ausrichtung der deutschen Chinapolitik wird nun auch im Handelsblatt Kritik geübt. In der Freitagsausgabe plädiert Kishore Mahbubani, einer der profiliertesten Geostrategen Asiens, für einen Perspektivenwechsel beim Blick auf China.

Auf die Frage, wie stabil ein System wie in China sein könne, das nicht zur Selbstkorrektur in der Lage sei, und ob die chinesische Regierung in einer Demokratie nicht längst abgewählt worden wäre, antwortete Mahbubani: Das sei ein ideologisches Argument, kein wissenschaftliches.

Wie wahrscheinlich eine Invasion in Taiwan sei – „unwahrscheinlich, wenn niemand am Status quo rüttelt“. Sollte das der Fall sein, dann werde China handeln. Es sei auch brandgefährlich, dass US-Präsident Biden drohte, Taiwan militärisch stützen zu wollen.

Es sei auch ein Ausdruck westlicher Arroganz, China durch Handel zu einer – nach westlichen Vorstellungen – offenen Gesellschaft machen zu wollen.

Warum sollte ein Land wie China mit seiner 4000 Jahren alten Kultur sagen: "Hey komm, lass uns so werden wie der Westen." Die ganze asiatische Welt fragt sich eher: "Was ist da los mit dem Westen? Wie kann eine Minderheit von zwölf Prozent der Weltbevölkerung den Rest der Welt bevormunden wollen?"

Kishore Mahbubani

Es sei auch überheblich, das „westliche Modell“ und „westliche Werte“ anderen als überlegen anzusehen. Wenn die „westlichen Werte“ universell wären, dann würden die Menschen sie akzeptieren und niemand müsste sie dazu auffordern.

Deshalb sollte gelten: Jede Gesellschaft soll selbst über ihre Werte entscheiden dürfen und können. Es verlange schließlich auch niemand von Europa, sich zu wandeln.

Der Vorstellung, man könne sich von China entflechten, erteilte Mahbubani eine Abfuhr. Mit Blick auf die USA sagte er: „Machen sie Ernst mit der Entflechtung von China, entflechten sie sich vom überaus größten Teil der Weltwirtschaft“. Denn viele der globalen Lieferketten endeten oder begännen in China.

Dasselbe dürfte auch für Deutschland gelten.

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