Aufspüren und Rückführung von "Potentatengeldern"
Der Praxis, dass korrupte Potentanten, Regierungsmitglieder und Bürokraten aus den Entwicklungsländern illegal Gelder auf westliche Banken transferieren, soll Einhalt geboten werden
Ferdinand Marcos (Philippinen), Sani Abacha (Nigeria), Suharto (Indonesien), Jean-Claude Duvalier (Haiti) – das sind nur die bekanntesten Köpfe auf einer langen (sehr langen!) Liste von korrupten Staatsoberhäuptern. Sie sollen während ihrer Amtszeit nach Schätzungen von Transparency International jeweils zwischen 5 und 10 Milliarden US-Dollar an Staatsgeldern veruntreut haben. Insgesamt wird die Summe, die von korrupten „Staatsdienern“ Jahr für Jahr aus den Staatskassen auf private Konten im Ausland umgeleitet werden, auf bis zu 40 Milliarden Dollar geschätzt. Jetzt diskutierten Finanzexperten aus rund 100 Staaten auf einer UN-Konferenz in Bali, wie diesen Praktiken Einhalt geboten werden kann.
Seit Ende der 90er Jahre Menschenrechtsorganisationen verstärkt auf illegale Geldströme aus Staaten des Südens auf Konten des Nordens aufmerksam machen, ist die internationale Staatenwelt aufgeschreckt. Renommierte Bankenstandorte wie die Schweiz fürchten um ihren guten Ruf und weisen seit einigen Jahren ihre Institute an, "verdächtige" Einzahlungen von Amtsträgern an die Kontrollbehörden zu melden (Amtsträger werden seitdem in der Bankenwelt als PEP geführt, für „Politisch Exponierte Person“).
Regierungen im Süden wiederum haben begonnen, das von ihren Vorgänger-Regierungen gestohlene Geld zurückzufordern, sind aber meist nicht in der Lage, den erforderlichen Nachweis darüber zu erbringen, dass das Geld auf den Auslandskonten tatsächlich aus illegaler Quelle stammt. Denn auf Grund der aufwändigen Ermittlungen ziehen Rückforderungen meist langwierige und komplizierte Rechtsverfahren nach sich und konzentrieren sich nur auf Bruchteile der geraubten Summen.
Vor fünf Jahren war es dann soweit, dass sich die Staaten auf ein Abkommen einigten, das weltweit einheitliche Standards zur Bekämpfung von Korruption festschrieb. Einer der fünf Abschnitte dieser 2005 in Kraft getretenen UN-Konvention ist eigens den Regelungen zum Aufspüren und zur Rückführung von "Potentatengeldern" gewidmet. Damit die Vereinbarungen zur Bekämpfung von Korruption und Geldwäsche nicht nur auf (Gesetzes-) Papier befolgt werden, haben sich die unterzeichnenden Staaten zu regelmäßigen Konferenzen verabredet, auf denen sie sich über die Umsetzung und auftretende Schwierigkeiten austauschen können.
In Bali, wo vom 28. Januar bis 1. Februar die zweite dieser „Vertragsstaaten-Konferenzen“ stattfand, forderten die Staaten des Südens nun die Einsetzung einer Expertengruppe, die den bestohlenen Ländern bei der Aufspürung der Fluchtgelder und der Formulierung der dafür erforderlichen Rechtshilfeersuchen (schließlich geht es um Ermittlungen im Ausland) behilflich zur Seite steht. Doch zur Enttäuschung der Entwicklungsländer wurde dieses Ansinnen nach langen Auseinandersetzungen zurückgewiesen. Vielmehr hatten sich die USA durchgesetzt, die ihrerseits auf eine bereits von der Weltbank in Kooperation mit dem UN-Büro für Drogenkontrolle und Verbrechensbekämpfung (UNODC) begonnene Initiative (StAR: Stolen Assets Recovery Initiative) verwiesen, die ebenfalls zum Ziel hat, arme Länder beim Aufspüren und Rückführen von illegalen Geldflüssen zu unterstützen.
Was soll mit den rückgeführten Geldern geschehen?
Insbesondere die USA, Großbritannien und die Schweiz haben mittlerweile einige Erfahrung mit der Rückgabe von Korruptionsgeldern gemacht. Auf Bali hob die US-Delegation laut einem indonesischem Zeitungsbericht hervor, dass sie erst kürzlich 20 Millionen US-Dollar an Peru rücküberwiesen habe, ohne komplizierte rechtliche Verfahren eingefordert zu haben. Kuwait wiederum erklärte die von ihm durchgesetzten Rückforderungen an Großbritannien für vorbildlich: Nach einem neunjährigen Strafverfahren gegen korrupte Politiker und Geschäftsleute habe der Ölstaat 548 Millionen USD zurückerhalten – die Kosten für den Rechtsstreit hätten dabei übrigens bei „nur“ 7 Prozent dieser Summe gelegen.
Die meiste Erfahrung mit der Rückgabe gestohlener Gelder kann aber nach wie vor die Schweiz vorweisen: Sie habe in den vergangenen zwanzig Jahren insgesamt 1,6 Milliarden US-Dollar an „Potentatengeldern“ rückführen können, erklärte der stellvertretende Staatssekretär Anton Thalmann.
Indonesien seinerseits, wo Suharto während seiner jahrzehntelangen Regierungszeit mehr als 15 Milliarden US-Dollar außer Landes geschafft haben soll, hat jetzt erklärt, ein Ermittlungsverfahren gegen dessen Kinder einleiten zu wollen. Zu Lebzeiten des Diktators, der vor kurzem gestorben war, war bereits ein Verfahren gegen Suhartos angebliche „Wohltätigkeits“-Stiftung eröffnet worden, die 240 Millionen USD an Staatsgeldern veruntreut haben soll. Ansonsten hatte es das Land bisher nicht gewagt, rechtliche Schritte gegen seinen langjährigen Regierungschef einzuleiten. Doch auch Personen niedrigeren Ranges scheuten nicht davor zurück, erhebliche Summen ins Ausland zu transferieren: Die Schweiz und Australien sind auf verdächtige Einzahlungen von indonesischen Bankdirektoren gestoßen und haben daraufhin - in der Schweiz - Konten von fast 15 Millionen Dollar gesperrt, beziehungsweise - in Australien - nach beendeten Rechtsverfahren 600 000 Dollar zurücküberwiesen.
Bleibt die Frage, was dann mit den rücküberwiesenen Geldern passiert? Gehen die Nachfolgeregierungen verantwortlicher damit um? Einige Länder verknüpfen die Rückgabe der Gelder deshalb mit der Auflage, dass sie für soziale Zwecke ausgegeben werden müssen. Auch die StAR-Initiative von Weltbank und UNODC will darauf ein zentrales Augenmerk richten. Die Erwartungen - auch von Seiten von Menschenrechtsorganisationen, die ebenfalls auf einer Kontrolle der rücküberführten Gelder pochen - sind groß. Im Norden sprechen bereits einzelne Politiker davon, dass mit den Rückflüssen der Korruptionsgelder ein neuer Weg gefunden werden könne, um die Umsetzung der Millenniumsentwicklungsziele schneller zu erreichen:
Es ist bedauerlich, dass das Thema der illegalen Finanzflüsse aus Entwicklungsländern noch keinen Eingang in die Debatte um Entwicklungsfinanzierung gefunden hat. Bei Kapitalfluchtgeldern geht um riesige Summen – vergleichen Sie die mal mit den 150 Milliarden USD, die es für die Umsetzung der Millennium-Entwicklungsziele braucht!
Elisabeth Droyer, Norwegen, in einer Rede am 1.11.2007