Aus der Erdgeschichte lernen

  • Die Grafik illustriert den Beginn des Massenartenaussterbens vor ca. 252 Millionen Jahren. Die Illustration basiert auf Erkenntnissen von Hana Jurikova, GFZ. (Illustration: Dawid Adam Iurino)

Die Energie- und Klimawochenschau: Vom Aussterben des Planktons, einer verpassten Agrarreform und einem noch möglichen Baustopp der A49

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Was interessiert uns eine globale Naturkatastrophe von vor 252 Millionen Jahren? Tatsächlich lässt sich an solchen erdgeschichtlichen Umbrüchen eine Menge für die heutige Zeit abholen, denn sie zeigen, wie auch heute kaskadenartige Veränderungen im Erdsystem ausgelöst werden können. Ein Schlüsselelement dabei ist stets der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre.

Zwischen den Erdzeitaltern Perm und Trias spielte sich auf der Erde ein Massenaussterben ab, bei dem etwa drei Viertel aller Arten an Land und 95 Prozent aller Arten im Ozean verschwanden. Forscher vom Geomar, GFZ Potsdam und italienischen und kanadischen Universitäten gingen nun den Ursachen dieses Massenaussterbens auf den Grund. Am Anfang dieses Prozesses standen Vulkanausbrüche in Sibirien, die über mehrere Jahrtausende immense Mengen von Kohlendioxid in die Atmosphäre freisetzten. Direktes Resultat waren Klimaerwärmung und Versauerung der Ozeane. Hinzu kam eine Veränderung von chemischen Verwitterungsprozessen an Land, wodurch verstärkt Nährstoffe ins Meer eingetragen wurden, was unter anderem zu Sauerstoffarmut führte.

Die Leitautorin der in Nature Geosciences veröffentlichten Studie, Hana Jurikova, sagt: "Wir haben es mit einer kaskadierenden Katastrophe zu tun, bei der der Anstieg von CO2 in der Atmosphäre eine Kette von Ereignissen auslöste, die nacheinander fast alles Leben in den Meeren tötete".

Auch wenn die damaligen Kohlendioxidemissionen über lange Zeit weit höher gewesen sein müssen als die heutigen, so sind die Faktoren, die zum Aussterben des größten Teils des Lebens im Meer führten, doch ähnliche, wie sie auch heute zu beobachten sind: Erwärmung, Versauerung, Veränderung von Nährstoffkreisläufen und Sauerstoffarmut.

Mit den Auswirkungen der Zunahme von CO2 auf die Kleinstlebewesen der Meere, das Plankton, beschäftigen sich verschiedene aktuelle Studien. Dem Plankton gilt ein wichtiges Augenmerk, denn pflanzliches Plankton (oder Phytoplankton) stellt eine Basis alles Lebens auf der Erde dar, als Produzent von 50 Prozent des Sauerstoffs auf der Erde, als Basis der Nahrungsnetze im Ozean und als eine langfristige Senke für Kohlendioxid. Plankton bindet Kohlenstoff aus der Luft und transportiert diesen, wenn es stirbt und absinkt, in die Tiefe des Ozeans, wo er über lange Zeit verbleibt.

Eine Studie des Museums für Naturkunde Berlin in Zusammenarbeit mit der Universität von Reno, Nevada warnt vor der Gefahr des Aussterbens des Planktons, sollte es im Ozean zu großen Temperaturschwankungen kommen - in der Erdgeschichte bereits bei der Abkühlung des Planeten vor einigen Millionen Jahren geschehen. Bei der jetzigen Erwärmung drohen hingegen vor allem die polaren Planktonarten auszusterben.

Eines der Mesokosmen-Experimente, die in der aktuellen Studie ausgewertet wurden, fand 2010 in Kongsfjord, Spitzbergen, statt. Foto: Kerstin Nachtigall

Experimente des Geomar, bei denen Plankton erhöhten Kohlendioxidkonzentrationen ausgesetzt wurde, zeigten in erster Linie sehr komplexe Auswirkungen, die von der Zusammensetzung der Planktonarten abhängig sind. Auch Zooplankton wie zum Beispiel Ruderfußkrebse spielten eine wichtige Rolle im Kohlenstoffkreislauf der Meere. Die Wissenschaftler hatten natürliche Planktongemeinschaften in Mesokosmen - einer Art großer, schwimmender Reagenzgläser im Meer - unterschiedlichen CO2-Konzentrationen ausgesetzt. Die Ergebnisse sollen genutzt werden, um Erdsystemmodelle und damit Klimaprojektionen zu verbessern.

Und noch eine Meldung aus den Ozeanen: Nicht nur die Meeresoberfläche, sondern auch die Tiefsee erwärmt sich. Auch dies geschieht nicht gleichmäßig. Nach Messungen des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) erwärmt sich nämlich die Tiefsee des Weddellmeeres fünfmal schneller als die Tiefsee im Durchschnitt. Und das wiederum könnte langfristige Folgen für die globale Meereszirkulation haben.

Im Weddellmeer, welches die südliche Verlängerung des Atlantischen Ozeans darstellt und in etwa zehnmal so groß ist wie die Nordsee, kühlen riesige Wassermassen ab. Sie reichern sich im Zuge der Meereisbildung mit Salz an, sinken als kaltes, schweres Antarktisches Bodenwasser in die Tiefe und wandern von dort als Tiefenstrom in die großen Ozeanbecken. Diese sogenannte Umwälzbewegung gilt als wichtiger Antrieb der globalen Meereszirkulation. Durch die Erwärmung der Tiefsee des Weddellmeeres könnte dieser an Kraft verlieren, denn wärmeres Wasser besitzt eine geringere Dichte. Es ist demzufolge leichter und schichtet sich unter Umständen höher in der Wassersäule ein.

AWI

All diese Meldungen aus der Ozeanforschung verdeutlichen die Komplexität des Systems, in dem die Veränderung scheinbar kleiner Elemente globale Folgen für das Weltklima und die Biodiversität haben kann. Es bleibt noch viel Forschung notwendig, doch es lässt sich schon jetzt sagen, dass ein massiver Kohlendioxid-Eintrag in die Ozeane schnellstmöglich beendet werden sollte.

Divergierende EU-Politik

Vielfach bleibt es leider so, dass die Politik trotz besseren Wissens nicht handelt. Ein solches Beispiel ist die nun auch vom EU-Parlament gebilligte Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU - die kaum als wirkliche Reform betrachtet werden kann. Wie in der bisherigen Praxis sollen auch ab 2022 der größte Teil der EU-Subventionen für die Landwirtschaft als an die Größe der Flächen gebundene Direktzahlungen fließen, wobei ein Anteil von 30 Prozent an Umweltauflagen gekoppelt werden soll.

Die Klimaaktivisten von Fridays for Future kritisieren dies scharf. Würden Produktion und Konsum von tierischen Produkten auf die Hälfte reduziert, könnten die Emissionen der Landwirtschaft um 40 Prozent reduziert werden. Weitere Effekte könnte durch die Regeneration von Böden und Wiederherstellung von Mooren erzielt werden. Und nicht zuletzt könnten ökologische Landwirtschaft und der Verzicht auf Pestizide dazu beitragen, die Biodiversität zu schützen und wiederherzustellen, stellen die Fridays for Future in einem offenen Brief an die EU dar. Dafür bedürfte es allerdings finanzieller Richtlinien zu Emissionsreduktion, Biodiversität und der Fixierung von Kohlenstoff im Boden innerhalb der Gemeinsamen Agrarpolitik.

Klimaaktivistin Greta Thunberg gibt sich in einem Post auf Facebook weiterhin kämpferisch:

Wenn unsere Regierenden diese Version der GAP annehmen, haben wir keine Chance, die Ziele des Abkommens von Paris einzuhalten. Wir fordern unsere Politiker auf, ihre Versprechen zu halten und ihre vorgeblichen Ziele nicht mit dieser destruktiven Politik zu konterkarieren, die keinen Platz in unserer Zukunft hat. Aber: Die Europäische Kommission kann noch immer eine Alternative zu dieser Abmachung vorschlagen.

Greta Thunberg

Die Beschlüsse zur Agrarpolitik scheinen weder in die Ära des von Ursula von der Leyen ausgerufenen europäischen Green Deal zu passen noch unter die Bestrebungen, noch in diesem Jahr ein europäisches Klimaschutzgesetz zu verabschieden, dass die EU bis 2050 zur Klimaneutralität verpflichten soll und ein neues Klimaziel bis 2030 von einer Emissionsreduktion von mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 festschreiben.

Selbst der Generaldirektor für Klimapolitik der EU, Raffaele Mauro Petriccione, sprach bei einem Briefing des Deutschen Klima-Konsortiums, des Auswärtigen Amts und des Bundesumweltministeriums in diesem Zusammenhang von "divergierenden Politiken". Die Vereinbarungen über die Gemeinsame Agrarpolitik seien nicht gut genug. "Die wirkliche Debatte betrifft nicht so sehr das Ziel, sondern wie es erreicht werden kann", so Petriccione. Auch der Geschäftsführer von Greenpeace, Martin Kaiser, kritisierte im Rahmen dieses Briefings die Beschlüsse der Agrarminister. Der von ihnen behauptete Paradigmenwechsel in der Agrarpolitik würde so nicht stattfinden. Kritik übte er auch am Europäischen Aufbauplan als Reaktion auf die Corona-Krise, über den mit Erdgasinfrastruktur weiterhin fossile Technologien gefördert werden. Neben dem zu verabschiedenden Klimaschutzgesetz, das danach noch praktisch umzusetzen sein wird, nannte Petriccione weiteren Handlungsbedarf der EU bei der Klimaanpassung und in der Klimafinanzierung.

Was den Bereich Klimafinanzierung angeht, hat die Organisation Oxfam n der vergangenen Woche bemängelt, dass 80 Prozent der Gelder, die von den reichen an die armen Länder fließen, in Form von Krediten vergeben werden und so zu einer weiteren Verschuldung der armen Länder beitragen. Die reichen Länder haben sich verpflichtet, bis zum Jahr 2020 100 Milliarden Dollar pro Jahr an Klimafinanzierung aufzubringen.

Im aktuellen "Climate Finance Shadow Report 2020" analysiert Oxfam die Zahlen für 2017/18. Nach eigenen Angaben der reichen Länder lag die Höhe der Klimafinanzierung pro Jahr in der Periode bei 59,5 Milliarden. Die Summe der nicht zurückzuzahlenden Unterstützung könnte aber bei weniger als der Hälfte liegen. Nur ein Fünftel der Summe floss dabei an die Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder. Zu privatwirtschaftlichen Mitteln für die Klimafinanzierung lagen Oxfam keine Zahlen vor.

Hessische Grüne könnten A49 stoppen

Seit Anfang des Monats läuft die Räumung und Rodung des Dannenröder Forsts, eines 300 Jahre alten gesunden Mischwalds, der dem Neubau der Autobahn A49 weichen soll. Die Proteste gegen die Rodung halten noch immer an, immer wieder werden im Dannenröder Forst neue Baumhäuser errichtet. Am Montag seilten sich Gegner der A49 von drei verschiedenen Autobahnbrücken ab, was im ganzen Rhein-Main-Gebiet für kilometerlange Staus sorgte. Nach Aussage der Polizei drohen einem Teil der Beteiligten Strafverfahren wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und Nötigung.

Die aktuelle Waldzerstörung für die Autobahn findet ausgerechnet in einem Bundesland mit grüner Regierungsbeteiligung, insbesondere mit einem grünen Verkehrsminister, statt. Die hessischen Grünen berufen sich dabei stets darauf, keine rechtlichen Möglichkeiten zu haben, die Umsetzung der jahrzehntealten Autobahnpläne noch zu stoppen. Die Rechtsanwältin Roda Verheyen kommt in einem von Greenpeace beauftragten und nun veröffentlichten Rechtsgutachten allerdings zu einem anderen Schluss. Demnach könnte das Hessische Verkehrsministerium die Rodungen auf rechtlichem Wege stoppen. Zunächst stellt Verheyen fest, dass das Hessische Verkehrsministerium "die zuständige Planfeststellungsbehörde und damit zuständig für Ergänzungsverfahren und den Vollzug, also einen eventuellen Rodungsstopp" ist.

Grundlage für einen solchen Stopp könnte sein, dass die Auswirkungen der Rodung und der Baumaßnahmen auf das Grundwasser nicht ausreichend untersucht wurden. Zwar hatte das Bundesverwaltungsgericht im Juni eine Klage des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) abgelehnt, weil es die Fehler bei der Einhaltung des Wasserrechts als nicht gravierend genug ansah, um den Bau zu stoppen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Planfeststellungsbehörde dies nicht noch tun könne. Zudem könne auch ein bestehender Planfeststellungsbeschluss noch verändert oder aufgehoben werden. Das gilt insbesondere, da die Situation heute eine andere ist als zum Zeitpunkt der Planfeststellung, Auswirkungen auf Grundwasser und Trinkwasserschutzgebiete müssten angesichts der Dürre der letzten Jahre und zeitweiligem Trinkwassernotstand neu bewertet werden.

Auch das Bundesklimaschutzgesetz könnte herangezogen werden, um den Planfeststellungsbeschluss aufzuheben oder so zu verändern, dass die Waldflächen in einer neuen Trassenführung ausgespart würden. Zwar könnte das Bundesverkehrsministerium die Entscheidung dann immer noch an sich ziehen, aber das Land Hessen könnte zumindest versuchen, die Autobahnpläne zu verändern. Im Licht dieses Gutachtens erscheint dies vor allem als eine Frage des politischen Willens.