Aus welchen Quellen kommt das Erdgas für Deutschland?
... und warum die Kapazität der North Stream Pipeline gedrosselt wird
Deutschland importiert etwa 40 % seines Gasbedarfs aus Russland und erhält von Gazprom Sonderkonditionen unter Weltmarktpreis. Jetzt sucht die Politik jedoch nach Alternativen, auch wenn deren Preise deutlich höher liegen.
Nach Russland sind die Niederlande und Norwegen bedeutende Gaslieferanten - sagt zumindest die vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) in Eschborn geführte Statistik. Für das Jahr 1998 weist die Statistik auch noch Bezugsangaben für Dänemark und das Vereinigte Königreich aus, die danach aus Datenschutzgründen nur noch unter "nicht ermittelte Länder" aufsummiert werden. Das in Deutschland selbst geförderte Gas stammt zu 96 % aus Niedersachsen, mehr als die Hälfte kommt aus der Förderregion "Weser-Ems". 2 % stammen aus Schleswig-Holstein. Beim Gasimport ist die genaue Herkunft jedoch nicht immer zu ermitteln, da Gas heute auf dem Weg von der Quelle zum Kunden mehrmals verkauft wird.
Im Januar 2014 lag das gesamte Gasaufkommen in Deutschland bei 431.174 TJ. Davon kamen aus inländischen Quellen 29.463 TJ, aus den vorhandenen Gasspeichern 64.296 TJ und vorwiegend aus bestehenden Importverträgen 337.415 TJ. Mit 143.191 TJ lag der Anteil des aus Russland gelieferten Erdgases bei gut 42 %. Exportiert wurden etwa 16 % der Gesamtmenge. Während der Gasbezug aus den Niederlanden und Russland sich im Jahresgang mit steigenden Temperaturen reduzierte, stieg der Bezug aus Norwegen gegenläufig an.
Bis März wurden kontinuierlich abnehmende Mengen aus den Gasspeichern ins Netz eingespeist und im April dann mit dem Wiederbefüllen der Speicher begonnen. In Deutschland sind derzeit über 40 Erdgasspeicher für den jahreszeitlichen Ausgleich in Betrieb. Die Speicherkapazität wird mit etwa 20 Mrd. Kubikmeter angegeben. Bei den Speichern unterscheidet man zwischen Porenspeichern (das sind meist ehemalige Gaslagerstätten) und Kavernenspeichern (die zumeist in Salzstöcken angelegt werden, nachdem man das Salz abgebaut hat).
Bei den Gasbezugsverträgen handelt es sich überwiegend um sogenannte Take-or-Pay-Verträge. Dabei verpflichtet sich der Kunde zur Abnahme und Bezahlung einer bestimmten Gasmenge. Kann der Kunde die vertraglich bestellte Menge nicht abnehmen, muss er den dafür vereinbarten Preis dennoch errichten. Daher wird jeder Gashändler versuchen, die vertraglich vereinbarten Mengen auch abzunehmen und notfalls selbst auf dem Markt anzubieten. Die aktuellen Marktpreise für Erdgas entwickeln sich in der Folge aus den Bezugspreisen einerseits und den witterungsbedingten Abweichungen vom für den jeweiligen Zeitraum erwarteten Gasbedarf.
Besonderheiten beim Gasbezug aus den Niederlanden und Norwegen
Die niederländischen Erdgasfelder zählen zu den größten Gasreserven weltweit. Seit Mitte der 1960er-Jahre wird Erdgas aus den Niederlanden nach Deutschland geliefert. Je länger die Gasfelder ausgebeutet werden, desto häufiger erschüttern lokale Erdbeben die Region um Groningen und desto stärker werden die Beben. In den Häusern zeigen sich nach jedem Beben neue Risse. Für die Betreiberin, der Gas-Stationen, die Niederländische Erdölgesellschaft NAM (Nederlandse Aardoliemaatschappij B.V. / 50 % Shell, 50 % ExxonMobil), sind diese Bergschäden normal, wenn Erdgas gefördert werde. Die Bevölkerung vor Ort will die Beeinträchtigungen jedoch immer weniger akzeptieren. Ob sich vor diesem Hintergrund der Gasbezug aus den Niederlanden über das vertraglich festgelegte Volumen steigern lässt, ist ungewiss.
Im Falle von Norwegen erscheint eine kurzfristige Steigerung für eine Überbrückung von Ausfällen zwar möglich - eine dauerhafte Steigerung dürfte jedoch kaum realisierbar sein, solange Norwegen mit den Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft seine Altersversorgung absichert. Stetige Einnahmen aus dem Energieverkauf scheinen da sinnvoller als eine Verkürzung der Nutzungszeiten.
Gas aus Russland
Das Gas aus Russland, das über die traditionelle Freundschaftspipeline geliefert wird, fließt durch die Ukraine. Betrieben werden diese Pipelines von der ukrainischen Naftogaz, die sich als weltweit größte Gas-Transit-Gesellschaft versteht. Zum Ausgleich der Schwankungen im Jahresgang wird Gas in der Ukraine gespeichert, das dann bei Bedarf wieder in die Pipelines eingespeist wird. Zum Betrieb der in der Ukraine gelegenen und für den Gas-Transit benötigten Verdichterstationen entnimmt Naftogaz entsprechende Gasmengen aus der Pipeline.
Im Zusammenhang mit den Sanktionen gegen Russland möchte die Ukraine, die inzwischen Gas aus Russland nur noch gegen Vorkasse erhält, die Durchleitung von russischem Gas mit Sanktionen belegen. Dass ein solcher Durchleitungsstopp die Chancen für den geplanten Teilverkauf von Naftogaz an US- oder EU-Investoren eher behindern dürfte, ist abzusehen.
Die Bedeutung der ukrainischen Transitstrecken würde sich auch dann reduzieren, wenn die geplante South Stream Pipeline fertiggestellt wird - was nach Plan schon im kommenden Jahr der Fall sein sollte. Während die Offshore-Strecke von der South Stream Transport B.V. (einem Joint-Venture von Gazprom, der italienischen Eni, der französischen EDF und der Wintershall Holding) errichtet wird, sollen die Landstrecken jeweils von 50:50-Joint-Ventures von Gazprom mit Landesgesellschaften errichtet werden.
Im Falle der durch Bulgarien verlaufenden Strecke hat sich jedoch das Problem ergeben, dass die Bulgarische Energie Holding die Finanzierung ihres Anteils über einen Vertrag mit Gazprom realisieren wollte, was in dieser Form nach EU-Recht nicht zulässig ist. Daher wurde der Weiterbau der bulgarischen Teilstrecke gestoppt. Ein weiteres Hemmnis für den Bau der bulgarischen Strecke war entstanden, weil der Bau der Pipeline an ein Konsortium unter Beteiligung der Firma Stroytransgaz vergeben wurde, die zur Volga Group gehört, welche wiederum zum Einflussbereich von Gennady Timchenko zählt, der im Mai von den USA mit Sanktionen belegt wurde.
Stroytransgaz hat das Bau-Konsortium inzwischen verlassen. Während die EU-Kommission und die USA Probleme bei der EU-rechtskonformen Realisierung von South Stream sehen, scheinen die betroffenen Länder eher ein Problem bei einer weiteren Verzögerung des Projektes zu sehen. Der projektierte Gasdurchsatz von South Stream liegt bei 63 Milliarden Kubikmetern jährlich. Das wäre deutlich mehr als die Kapazität der North-Stream-Leitung, die mit den beiden verlegten Röhren jährlich etwa 55 Milliarden Kubikmeter Gas befördern könnte.
Aus politischen Gründen darf North Stream bislang jedoch nur mit einer reduzierten Auslastung von etwa zwei Drittel der technischen Kapazität betrieben werden. Der Grund für diese Einschränkung liegt in der Situation des Weitertransports ab dem deutschen Ende von North Stream. Während ein Drittel der durch die Ostsee gelieferten Gasmenge über die NEL-Pipeline weitergeleitet wird, erfolgt die zweite Anbindung an das europäische Gasnetz über die OPAL-Pipeline). Hier befindet sich der regulatorische Flaschenhals: Die OPAL verfügt über eine volle Transportkapazität von 36,5 Milliarden Kubikmeter, davon entfallen 80 % auf die OPAL Gastransport - also rund 29,2 Mrd. Kubikmeter pro Jahr. Die übrigen 20 % hält die zu E.ON gehörende Lubmin-Brandov Gastransport GmbH.
Von insgesamt 36,5 Milliarden Kubikmetern bleiben 4,5 Milliarden in Deutschland und unterliegen hier im vollen Umfang den in Deutschland geltenden Regulierungsbestimmungen. Im Transitbereich können somit bis zu 32 Milliarden Kubikmeter Erdgas transportiert werden, mit Einspeisung in Greifswald und Ausspeisung in Brandau in der Tschechischen Republik. Auf die OPAL Gastransport entfallen dabei wiederum 80 % - also rund 25,6 Milliarden Kubikmeter. Für diese Menge wurde im Jahr 2009 eine Ausnahme von der Regulierung mit einer Laufzeit von 22 Jahren bis zum Jahr 2033 erteilt.
Aktuell liegt ein Antrag auf Freistellung von der Regulierung gemäß § 28a EnWG vor. Hierzu wurde 2013 offensichtlich zwischen der Bundesnetzagentur (BNetzA), der Gazprom-Gruppe und der OPAL Gastransport ein Kompromiss gefunden.
Die vom deutschen Kommissar Oettinger geführte EU-Generaldirektion Energie hat das für die Zustimmung notwendige Verfahren mehrfach verlängert und bislang nicht zum Abschluss gebracht. Möglicherweise will Oettinger ja die für den 29. August in Moskau vorgesehenen Gespräche mit Gazprom abwarten, die das weitere Prozedere hinsichtlich der ukrainischen Gasschulden klären soll.
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