Ausbeutung von Indien bis nach Deutschland

Seite 2: Die, die den "Fortschritt behindern"

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Nun sind die Auswirkungen des Ausbeuter-Systems in Deutschland und Indien natürlich nicht gleich stark. Indien trägt auch noch die Kosten von Umweltzerstörungen durch Billigindustrien. Aber auch in Deutschland ist die Einkommensungleichheit in den letzten 20 Jahren stark angestiegen, wie selbst die Bundesregierung auf Anfrage der Linken eingestehen musste.

Doch Menschen, die in Deutschland auf Missstände aufmerksam machen, müssen in der Regel höchstens mit Spott oder Missachtung leben. Auch der Vorwurf, dass solche Menschen der Wirtschaft schaden, kommt oft genug vor - nicht ohne Grund wird in Deutschland wirtschaftsnahe Arbeit besser bezahlt als soziale Berufe, in denen vorwiegend Frauen arbeiten.

In Indien wurden in den letzten Jahren allein 3 Journalisten ermordet, die wegen Umweltvergehen recherchierten. Einer wurde sogar lebendig verbrannt. In Indien übernimmt es die Regierung sogar selbst, "Wirtschaft schädliches Verhalten" anzuklagen: Im Jahr 2015 sperrte sie deshalb die Konten von Greenpeace Indien.

Gerne erzählen Mitglieder der indischen Regierung dann, dass Protest-Aktionen wie die von Greenpeace vom Ausland gesteuert werden. Dass 70 Prozent der Spenden für Greenpeace Indien aus Indien kommen, verschweigt die Regierung. Verschweigen konnte sie aber nicht, dass laut einer Studie des regierungsnahen Thinktanks Niti Aayog 21 indischen Städten bis 2020 das Grundwasser ausgeht: Greenpeace und andere scheinen also nicht ohne Grund seit Jahren Alarm zu schlagen.

Dem Indian Social Action Forum (INSAF), eine Dachorganisation von etwa 700 NGOs in Delhi, warf die Regierung schon im Jahr 2013 vor, den "Fortschritt Indiens zu behindern". Die Konten von INSAF wurden eingefroren und es wurde ihm verboten, ausländische Spendengelder anzunehmen. Einer der größten ausländischen Spender von INSAF war Brot für die Welt, die sicher anderes zu tun haben, als den Untergang Indiens zu planen. Ein indisches Gericht erklärte später die Maßnahme der Regierung für Unrecht und gab die Konten von INSAF wieder frei.

Aber: "Mittlerweile hat die Regierung erneut unsere Konten gesperrt. Wir warten derzeit auf die nächste Gerichtsverhandlung", so Wilfred d'Costa, Vorsitzender von INSAF.

Wir machen nichts anderes, als Menschen Räume zur Verfügung zu stellen und sie mit anderen zu vernetzen, die woanders in Indien das gleiche Problem haben. Mal ist es ein verdreckter Fluss. Ein anderes Mal sollen Bauern wegen eines Kohlekraftwerks von ihrem Land vertrieben werden.

Wilfred d'Costa, INSAF

Dazu gehören auch Menschen wie Sushovan Dhar aus Bengalen, der seit Jahren für eine Erhöhung des Mindestlohns für Teepflücker in Darjeeling streitet.

Was die Rosa Luxemburg Stiftung betrifft, wird sich zeigen, inwieweit sie mit ihrer Studie "den Fortschritt Indiens behindert" hat. Nicht auszuschließen ist, dass sie das gleiche Schicksal ereilt wie Greenpeace Indien oder INSAF.

"In einer globalisierten Welt müssen sich nicht nur die Menschen Indiens miteinander vernetzen, denn das Grundproblem ist fast überall auf der Erde das gleiche - die Menschen, die die Arbeit ausführen, bekommen nur einen Bruchteil des Gewinnes", sagt Wilfred d'Costa, der sich seit 30 Jahren für andere Menschen einsetzt.

Er scheint nicht wie andere daran zu glauben, dass die Welt fairer wird, wenn moderne Unternehmen wie Apple, Google, Facebook und Ich-AGs die Arbeitswelt anführen. Müllsammler in Indien und Bangladesch sind schon Ich-AGs.

In Phikkal-Ilam steht auf dem Fussballplatz jetzt eine Teefabrik. Foto: Gilbert Kolonko

So ist INSAF Mitglied des Asian Peoples Movement on Debt Development (APMDD) und die stehen mit humanitären Organisationen im Rest der Welt in Verbindung. Alle gemeinsam machen sie schon seit Jahrzehnten auch auf Umweltzerstörungen aufmerksam.

Die tapfere Greta Thunberg wird von einigen Medien leider benutzt, um Jung gegen Alt auszuspielen. Wer sich die Zahlen der demonstrierenden Schüler in Deutschland anschaut, könnte zu dem Schluss kommen, dass es auch unter der neuen Generation nicht mehr oder weniger Menschen als früher gibt, den der Zustand dieses Planeten nicht egal ist.

Dass sie jedoch mit Schülern in anderen Ländern gleichzeitig demonstrieren, gibt ihrem Tun eine weitreichendere Bedeutung: Demonstrationen und Engagement in den 1980er Jahren hat Luft, Flüsse und Wälder in Deutschland sauberer gemacht, aber vorwiegend durch Auslagern dreckiger Industrien. Jedes Land der Erde kann nicht Auslagern: Es wird Zeit, an den Kern des Problems vorzudringen.

Google oder Lieferando können nützliche Werkzeuge sein, aber sie dürfen nicht die Richtung vorgeben.

"Der Kampf zum Erhalt des ökologischen Systems sollte mit dem für bessere Arbeitsbedingungen wie einer gerechten Gewinnverteilung Hand in Hand gehen," weiß auch Wilfred d'Costa. Genauso, dass es nichts wird, wenn jeder nur für sich allein kämpft.