Ausgebildete Piloten oder Computerspieler?

Da ferngesteuerte bewaffnete Roboterfahr- und -flugzeuge immer mehr eingesetzt werden, entsteht die Frage, wer sie bedienen soll

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Bevor autonome Roboter und Roboterfahrzeuge mit künstlichen oder biologischen Gehirnen kommen, die alleine oder in Schwärmen ihre Missionen ohne Eingriffe von Menschen erledigen, wird sich in den nächsten Jahren zunächst noch der Einsatz von ferngesteuerten und halbautonomen unbemannten Fahrzeugen und Drohnen ausbreiten. Wie Entscheidungsprozeduren für autonome Kriegsroboter umgesetzt werden können, um "Kollateralschaden" zu vermeiden, der sowieso jetzt schon oft genug auftritt, steht noch in den Sternen. Bei den ferngesteuerten Drohnen oder Kampfrobotern müssen die Entscheidung noch Menschen treffen, die dann auch dafür verantwortlich sind. Handelt es sich um bewaffnete ferngesteuerte Systeme, die über Telepräsenz-Schnittstellen gesteuert werden, so nähert sich die Navigation des Fahrzeugs und die Zerstörung von Zielen einem Computerspiel. Wären also Spieler die Soldaten der Zukunft, die weit entfernt und sicher in Bunkern den Krieg mit ihren "Fernlingen" führen?

Drohnen, mit denen auch Raketen auf Gegner geschossen werden können, werden ähnlich wie Computerspiele gesteuert. Bild: Pentagon

Ob man beispielsweise eine wirkliche Drohne oder nur eine virtuelle in einer Simulation steuert, lässt sich für den fernsteuernden Piloten nicht mehr wirklich entscheiden. Für die Fernsteuerung selbst ist der Unterschied auch unerheblich. Und weil höchstens die ferngesteuerte Drohne abstürzen kann, aber der sie steuernde Pilot sich womöglich Tausende von Kilometern entfernt in Sicherheit befindet, steht eigentlich nur die Existenz der Maschine und das Können des Piloten auf dem Spiel. Das wird dazu verleiten, Einsätze zu machen, die Menschen in Flugzeugen aufgrund der Gefahr nicht machen würden, weil der Wille zur Selbsterhaltung zur Vorsicht anleitet. Anders als Piloten von "wirklichen" Jets, die zwar auch mit Computersimulationen trainieren, müssten die von virtuellen Flugzeugen zumindest nicht selbst mit ihren Körpern in den Maschinen den Einsatz üben. Hier könnte womöglich eine realistische Simulation reichen, um für einen Einsatz, der dann über die Simulation hinaus in die entfernte Wirklichkeit reicht, prinzipiell bereit zu sein.

Gleichzeitig sind die Spieler der Wirklichkeit aber noch ferner als Piloten und die übrige Besatzung in Hubschraubern oder anderen Kampfflugzeugen. Sie mögen zwar visuell näher an ihren Zielen sein, aber die räumliche Distanz und die Vermittlung über die Bildschirme oder andere Schnittstellen dürfte auch die emotionale Distanz zu den Folgen ihres Handelns, also dem Beschuss oder der Bombardierung von vermeintlichen Feinden und ihren Stellungen, noch größer sein. Der Distanzkrieg, die Vernichtung aus der Ferne, hätte damit einen weiteren Höhepunkt und eine neue Qualität erreicht. Die Situation gleicht ein wenig dem, wie Walter Benjamin die von einem Kunstwerk ausgehende Aura beschrieben hat: die "einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag". Nur dass diese Ferne nicht mehr in den Bann zieht, sondern Gleichgültigkeit bewirkt, weil sie nicht nahe kommen kann, den Wahrnehmungsschutz nicht durchbrechen kann.

Das hat die Verwüstung von Städten im Luftkrieg mit dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki wohl auch für die Menschen in ihren Flugzeugen erträglich gemacht, da sie nur ein schrecklich-schönes Spektakel des Feuermeers, aber nicht die konkreten grauenhaften Folgen ihrer Taten bei deren Durchführung sehen konnten. Ferngesteuerte Roboter stellen noch einmal eine andere Frage: Können die Menschen, die man aus der Ferne tötet, selbst wenn man sie ganz nah auf dem Bildschirm bzw. der VR-Brille heranzoomen kann, mehr als die Gegner in einem Computerspiel, die dort nieder gemetzelt werden?

Aber dieser Unterschied ist vermutlich nur ein gradueller zu der Besatzung von Kampfjets oder Bombern, die aus großer Entfernung ihre Ziele anvisieren und zerstören - oder gar zu den Soldaten, die Mittel- oder Langstreckenraketen abfeuern. Gleichwohl scheint aber im Pentagon die Frage noch nicht beantwortet zu sein, welche Qualifikationen diejenigen haben sollen, die etwa bewaffnete Drohnen fernsteuern. Müssten es trainierte Piloten sein, die jetzt nur virtuelle Flugzeuge steuern, oder könnten es doch nur "Computerspieler" sein, die mit ihren Fernlingen in die Wirklichkeit hinauslangen und in diese eingreifen?

Predator mit Hellfire-Raketen. Bild: USAF

Bislang hat die U.S. Air Force angeblich nur ausgebildeten Piloten erlaubt, Drohnen zu steuern. Bei der Marine oder im Heer scheint es keine klaren Richtlinien dafür zu geben, bei der CIA, die auch über Aufklärungsdrohnen und bewaffnete Drohnen verfügt, ist die Lage unbekannt. Noch könnten über die Frage, ob das Lenken von Drohnen (UAVs) oder von bewaffneten Drohnen (UCAVs) eher dem Steuern eines Flugzeugs oder eines Computerspiels gleicht, vornehmlich die Kosten entscheiden. Schließlich ist der Absturz einer Drohne meist noch sehr kostspielig, was sich allerdings ändern wird, wenn sie in größeren Zahlen hergestellt und eingesetzt werden. Dann werden sie um ein Vielfaches billiger sein als bemannte Flugzeuge und entsprechend risikofreudiger dürften sie eingesetzt werden. Noch aber sagt General John Jumper von der Luftwaffe:

Solange wir im Geschäft sind, mit kinetischer Munition von UAVs zu feuern, werden wir vertrauenswürdige Kämpfer am Steuer haben, die sich des vollen Gewichts der Verantwortung bewusst sind, wie sie dies auch wären, wenn sie eine A-10 oder eine F-16 fliegen.

Allerdings haben die Einsätze in Afghanistan oder im Irak wieder gezeigt, dass die von Jumper suggerierte Verantwortung nicht unbedingt heißt, dass besonders auf Zivilisten geachtet wird oder "Kollateralschäden" vermieden werden. Es werden in aller Regel die Ziele beschossen oder bombardiert, die zuvor benannt werden. Die Verantwortung für fehlerhafte Bombardierung liegt oft an fehlerhafter Information. Womöglich könnte der Einsatz von UCAVs, die selbst Aufklärung liefern und näher ans Ziel gehen können, bevor sie feuern, tatsächlich unschuldige Opfer reduzieren - während aber gleichzeitig gezielte Tötungen, also eine traditionell nicht-militärische Tötung oder Ermordung begünstigt werden.

"Quiet: Warriors at Work". Bild: USAF

Es gibt Militärs, die einen Unterschied ziehen wollen zwischen dem Steuern von Flugzeugen und dem Fernsteuern von Drohnen. Innerhalb der USA muss jeder, der ein Flugzeug steuern will, einen Flugschein besitzen. Das ist im Kriegfall, d.h. in einem gegnerischen Luftraum oder in einem solchen, in dem die Souveränität gewissermaßen ausgesetzt ist, freilich nicht wichtig. Luftwaffengeneral Donald Cook sieht darüber hinaus prinzipielle Unterschiede:

Eine Global Hawk zu steuern ist nach meiner Ansicht nicht sehr viel anders, als einen GPS-Satelliten zu steuern. Es geht um einen Cursor und einen Klick, nicht um einen Steuerknüppel.

Die Global Hawk ist eine neue große Hightech-Drohne zur Überwachung, die in großer Höhe fliegt und von Bodenstationen in den USA gesteuert wird, auch wenn sie in Afghanistan oder im Irak eingesetzt wird. Nach Cook werde sie anders als ein normales Flugzeug gesteuert, aber dieses Argument ist eigentlich unerheblich, da die Schnittstelen zum Steuern einer Drohne ganz analog zum Cockpit eines normalen Flugzeugs realisiert werden könnten. Für Cook kommt es auf den Einsatz an, also darauf, ob man unter Kriegsbedingungen die Drohne steuert oder über einem kontrollierten Luftraum, in dem strikte Regeln für den gesamten Luftverkehr eingehalten werden müssen. Dann müsse auch der Pilot einer Drohne diese Regeln kennen und sich an sie halten.

Die nächste Generation bewaffneter Drohnen, die im Auftrag der Darpa entwickelt werden: X-47B. Bild: Darpa

Mit der Belastung der Truppen durch den Irak-Einsatz kommen allerdings auch andere Möglichkeiten in Betracht. So wird erwogen, Drohnen wie den Predator, im Irak im Dauereinsatz, nicht mehr durch Soldaten steuern zu lassen, sondern auch diese Aufgabe an Angestellte von Sicherheitsfirmen zu vergeben. Das im Pentagon schon weit fortgeschrittene Outsourcing macht es aber im Prinzip oft noch schwerer, Fehlverhalten zu ahnden, während die Freiheit der "Söldner" gleichzeitig größer ist. Ab März 2005 ist geplant, dass Angestellte des Rüstungskonzerns General Atomics, die sich im Irak, beispielsweise in Balad, befinden, zumindest schon einmal im Auftrag der U.S. Airforce die Predators in die Luft bringen und landen. Das wäre das erste Mal, dass "Zivilisten" Kampfflugzeuge im Einsatz fliegen und warten, um die Soldaten-Crews zu entlasten, die dann nur noch den Kampfeinsatz selbst Tausende von Kilometern entfernt von den Predator Operations Centers in der Nellis Air Force Base in Nevada aus über Satellitenverbindungen leisten.

Das ist nur ein kleiner Schritt in eine neue Kultur des Kriegs, der sich zuerst dem Computerspiel annähert, um schließlich womöglich den intelligenten Maschinen das Feld überlässt. Allerdings könnten auch Versuche, den Maschinen eine wie auch rudimentäre Moral der Kriegsführung mitsamt der Unterscheidung zu lehren, wie Gegner und Zivilisten auseinander zu halten wären, zu neuen Einsichten führen. Kriege werden niemals "humanitär" werden, zumal die unterlegenen Parteien, zumal in "asymmetrischen" Konflikten, sich nicht an irgendwelche Regeln halten werden, sondern weiterhin zu allen taktisch erfolgreich erscheinenden Mitteln wie Anschlägen, Entführungen und Exekutionen greifen dürften, um ihre Unterlegenheit auszugleichen. Vermutlich werden Hightech-Kriege, die ja auch immer den Tod von Menschen bezwecken, nur noch brutaler werden.