Auslaufmodell Kaufhaus: Was tun mit den großen, leerstehenden Kisten?

Seite 2: Große Ketten dominieren erst seit wenigen Jahrzehnten

Nun ist es noch gar nicht so lange her, dass die Citys und Malls ihrerseits zu den Zerstörern gehörten: Dass die teuren Lagen von Filialketten dominiert werden, ist schließlich erst seit ein paar Jahrzehnten so. Der Anteil an eigentümergeführten Ladengeschäften war früher sehr viel höher. Und auch die Waren- und Kaufhäuser haben seit ihrem Aufkommen vor mehr als 100 Jahren ebenfalls immer wieder einzelne Läden vom Markt vertrieben.

Zudem integrierten Drogerien, Baumärkte sowie Supermärkte das Warenangebot von immer mehr einzelnen Fachgeschäften in ihren Filialen. Seit den 1950er-Jahren ist in den Innenstädten unglaublich viel Handelsfläche dazugekommen. Damit einher gingen stets Untergangserzählungen: Das Kaufhaus macht den Markt platt, die Shoppingcenter den Tante-Emma-Laden usw. Und jetzt gibt es auf einmal exterritoriale Anbieter, der gar nichts mehr mit Räumen zu tun haben.

Deswegen überschlagen sich aktuell die Hiobsbotschaften. Die leeren Kaufhäuser finden auf absehbare Zeit weder Mieter noch Investor. Eine Modernisierung oder Umnutzung der Immobilien ist schwierig, da sie mit großem Aufwand verbunden ist.

Die Situation wird dadurch erschwert, dass die Häuser, die nun auf den Markt kommen, zu teuer sind. Sie befinden sich überwiegend im Besitz von Immobiliengesellschaften, die in den letzten Jahren zu unerhörten Preisen die Häuser der Kaufhausketten gekauft haben, meist in zentraler Lage. Sie vermuteten sichere Mieteinnahmen durch einen Nutzer, der auf Standort und Immobilie angewiesen war, und sie wähnten sich in der komfortablen Situation, die anfallenden Kredite aus diesen Einnahmen leicht bedienen zu können und trotzdem Renditen zu erwirtschaften.

"Mixed Use" erscheint unbedingt lohnend

Jetzt sind die Mieter weg, und die Akteure versuchen zur Schadensbegrenzung, die Häuser abzustoßen. Leerstand ist vorprogrammiert. Weshalb der Weg vom Warenhaus zum "Mixed Use" unbedingt lohnend erscheint.

Mit Werkstätten, Büros, Cafés und personalisierten Ladenlokalen, in denen die Bürger wohnen, arbeiten und konsumieren, sich gut und gern und rund um die Uhr aufhalten. Zudem bergen Umnutzungs-Perspektiven bei solchen Großbauten ja auch ein beträchtliches gestalterisches Potenzial (das zu heben jedoch fraglos eine Herausforderung ist).

Freilich stellt es ein Problem dar, wenn das Kaufhaus und die Innenstadt zum Synonym werden, wenn in der Diskussion der Einzelhandel die Deutungshoheit über die City gewonnen hat. Denn es gibt die Innenstadt nicht, weil es ein Kaufhaus gibt. Sondern es ist umgekehrt: Es gibt ein Kaufhaus, weil es eine Innenstadt gibt.

Und genau hier liegt ein Ansatz, um den Knoten durchzuschlagen. Eine neue Idee der Innenstadt kann auch eine Idee für ein neues Kaufhaus hervorbringen. Was also soll eine Innenstadt sein, was kann sie sein?

Schon seit Jahrzehnten wandeln sich die Städte von Produktions- in Richtung von Konsumorten. Damit ist nicht in erster Linie gemeint, dass sie zu Shopping- oder Gastronomieorten werden, sondern dass es in Städten stärker um den Konsum von privaten und öffentlichen Leistungen geht – also um Wohnen, Kultur und Freizeitaktivitäten.

Die Pandemie hat diesen Wandel kurz zum Erliegen gebracht, was ihn paradoxerweise aber mittelfristig verstärken wird. Die Lockdownphasen haben uns nämlich verdeutlicht, wie wichtig ein Park in der Nähe ist. Wie wichtig Wohnen ist und wie wertvoll Begegnungen sind.

Bemerkenswerterweise gleicht das einer Rückbesinnung. Denn die typische europäische Stadt war immer eine durchmischte Stadt der kurzen Wege. Am Marktplatz standen schon immer Mixed-Use-Immobilien, wie man heute sagen würde. Die Trennung der Nutzungsklassen, die erst die umfangreiche Mobilität innerhalb der Stadt und mit den Vorstädten erzwungen hat, kann heute wieder etwas rückabgewickelt werden (aber wohl niemals vollständig).

Zukunftsfähiger Ansatz: Mehr Wohnraum – und mehr Grün

Die Antwort nach der Zukunft der City hängt von der Diagnose ab. Ein Ansatz liegt sicherlich darin, mehr Wohnraum in der Innenstadt zu schaffen. Auch urbane Produktion wird seit ein paar Jahren verstärkt ins Spiel gebracht.

Die Annahme, dass Gewerbe und Wohnen absolut unverträglich sind, erweist sich tendenziell als überholt. Vor allem der öffentliche Raum gilt als Schlüssel der Attraktivität. Das Ziel muss sein, Treffpunkte zu schaffen und die Innenstädte mit Bedeutungsinhalten abseits des Konsums zu füllen.

Mehr Grün spielt dabei eine große Rolle, gerade weil Innenstädte die am stärksten versiegelten Orte in Städten sind. Was wir brauchen, ist eine Vorstellung, wie "Stadt" jenseits von Einkaufsstraße und Business-Distrikt funktionieren kann: als Kondensat des geselligen Lebens. Es geht darum, Räume zu schaffen, mit Kreuzungspunkten und Knoten; Plätze für Begegnungen, die durchaus auch etwas Reibung erzeugen dürfen.

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