Außen Ku-Klux-Klan - innen Verfassungsschutz

Seite 2: Verwirr- und Versteckspiel des LfV

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War, wo Ku Klux Klan draufstand, überall Ku Klux Klan drin? Was wollte der Verfassungsschutz in dem Geheimbund? Die Landesbehörde für Verfassungsschutz von Baden-Württemberg treibt ein auffälliges Verwirr- und Versteckspiel um den KKK, wie es die Kapuzenträger selber nicht besser machen könnten. Wenn dermaßen verschleiert wird, muss es Gründe geben.

Der erste Geheimdienstvertreter, der von einem NSU-Untersuchungsausschuss zum Thema KKK befragt worden ist, war Helmut Rannacher, Baden-Württembergs LfV-Chef von 1995 bis 2005. Im Bundestag erklärte er, sein Amt habe im Oktober 2000 erstmals erfahren, dass es im Land eine KKK-Gruppe gibt, gegründet in Schwäbisch Hall von seinem V-Mann Achim Schmid, aber gegen die Interessen des Amtes. Weil der Mitarbeiter obendrein gelogen und die Gründung zunächst abgestritten habe, sei er im Oktober 2000 abgeschaltet worden. Rannacher hat diese Version vor dem NSU-Ausschuss von Baden-Württemberg wiederholt. Der oberste Nachrichtendienstler will aber noch mehr nicht gewusst haben, zum Beispiel, dass sein V-Mann Schmid in den USA war, wo er sich mit KKK-Aktivisten traf. Versteht der Dienst sein Handwerk nicht?

V-Mann Schmid wurde abgeschaltet, doch V-Mann Richter blieb in der KKK-Gruppe platziert. Wie passt das zusammen? Vermutlich hing das weniger mit Schmids disziplinlosem Verhalten zusammen als mit einem Verratsfall im LfV. Ein Beamter hatte Schmid über einen namentlich nicht benannten V-Mann in der Gruppierung gewarnt. Die genauen Umstände dieses Verrates im Amt sind nicht geklärt.

Auffällig ist aber, dass "Corelli" weiterhin in der KKK-Gruppe eingesetzt wurde. Ob Schmid tatsächlich konsequent abgeschaltet wurde, ist fraglich. Denn auch nach 2000 wurden noch mehrere Gespräche des Verfassungsschutzes mit ihm geführt. Mutmaßlich ging es dabei um die Absicherung von "Corelli" in der Gruppe, die der nicht nur abschöpfte, sondern regelrecht aufbaute, in dem er Mitglieder warb. Der Ku Klux Klan war dem Geheimdienst also nicht nur eine Beobachtung wert, sondern mehr. Was für Pläne verfolgte er?

Seit 1994 Informationen über KKK

Heute weiß man, dass das Landesamt in Ba-Wü mindestens seit 1994 Informationen über KKK-Aktivitäten im Land gehabt haben muss. Im selben Jahr wurde Schmid auch als V-Mann in der rechten Szene rekrutiert. Leiter der Abteilung Rechtsextremismus im LfV war 1994 Helmut Rannacher, ehe er ein Jahr später zum Amtschef aufstieg.

Die erste Klan-Gruppe, in der Schmid Mitglied war, auch das weiß man heute, war in Mosbach nördlich von Heilbronn angesiedelt und nannte sich KKK International White Knights (Internationale weiße Ritter). Von dieser Gruppe wiederum gibt es eine Spur zum Rechtsextremisten und V-Mann Carsten Szczepanski aus Brandenburg, Deckname "Piatto". Ein inzwischen ausgestiegenes Mitglied der "Weißen Ritter" erklärte vor dem Untersuchungsausschuss, Szczepanski in Horb am Neckar in einer rechten Szenekneipe getroffen zu haben. Was den gebürtigen Berliner nach Baden-Württemberg führte, weiß man bisher nicht.

Szczepanski war Anfang der 90er Jahre ebenfalls in einer KKK-Gruppe in Brandenburg aktiv, nahm unter anderem an Kreuzverbrennungen teil. Er hatte Kontakt zu KKK-Anführern aus den USA wie Dennis Mahon. 1992 wurde Szczepanski wegen eines schweren Angriffes auf einen nigerianischen Asylsuchenden, der dabei fast ums Leben kam, 1992 zu acht Jahren Haft verurteilt. Im Gefängnis wurde er als V-Mann geworben. Bei Freigängen nach Chemnitz hatte Szczepanski Kontakt zum Umfeld des NSU-Trios Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe, das damals in der Stadt im Untergrund lebte. Einer von "Piattos" V-Mann-Führern aus brandenburger Zeiten ist heute Verfassungsschutzpräsident von Sachsen.

Zurück nach Baden-Württemberg: Im Jahre 2000 soll Achim Schmid also seine eigene KKK-Gruppe in Schwäbisch Hall gegründet haben, die er "Europäische Weiße Ritter" nannte. War das wirklich 2000 und war es wirklich eine eigene Gruppe oder eventuell ein Ableger? Ein inzwischen pensionierter Staatsschützer des Landeskriminalamtes (LKA) berichtete dem NSU-Ausschuss jedenfalls von KKK-Aktivitäten Schmids in Hall schon vor 2000. "1999 oder vielleicht auch schon Ende 1998", so der Kriminalbeamte Erich W. im Zeugenstand.

Dass Schmid V-Mann des Verfassungsschutzes war, wusste der Beamte. Im Auftrag des LfV führte W. sogar Befragungen von Schmid durch, die das Amt nicht selber vornehmen wollte. Wahrscheinlich um die Beziehung zu dem Informanten nicht zu belasten. Eine bemerkenswerte Arbeitsteilung zwischen Polizei und Geheimdienst - und eine noch bemerkenswertere Arbeitsverquickung.