Autorenrechte wahren gegen GoogleBooks

Was darf Google? Was kann die VG-Wort?

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Google scannt Millionen Bücher und macht sie über eine Volltextsuche zugänglich. Das ist großartig – nicht nur für die Leser, die nun über die Suche auf Bücher stoßen, über die sie vielleicht nur über Empfehlungen oder Fußnoten gekommen wären. Großartig ist das auch für die Autoren, deren Bücher nur noch im Antiquariat verfügbar sind – wenn überhaupt – und deren Werke auf diese Weise eine Wiederentdeckung im so genannten Long Tail erleben dürfen. Noch unglaublicher ist es, dass Google nun den Autoren für ihre vergriffenen Werke 60 Dollar anbietet. Das ist jedoch nicht alles: Die Rechteinhaber werden mit 63 Prozent an den Einnahmen beteiligt, die Google für Verwertungen, etwa über Werbung, erhält.

Nun stellt sich die Frage, ob das angemessen ist oder nicht. Beurteilen lässt sich das nur aus subjektiver Sicht der Autoren. Für einen Bestseller-Autor sind das sicherlich nicht akzeptable Preise – doch darf man auch annehmen, dass ein Bestseller-Buch, das nicht mehr verlegt wird, vermutlich auch keine Tantiemen mehr einbringt. Aus Sicht einer Durchschnittsautorin wie mir liegt das deutlich über den üblichen Beteiligungssätzen, die Buchverträge vorsehen. Üblicherweise gewähren die Verträge der Buchbranche dem Urheber einen gewissen Vorschuss sowie eine Beteiligung an der verkauften Auflage, das sind zwischen 7 und 15 Prozent – je nach Verhandlungsgeschick. Die Online-Verwertung ist dabei natürlich pauschal abgegolten. 63 Prozent sind damit bereits eine traumhafte Marge, vor allem wenn man bedenkt, dass eine Verlags-Vermarktung nie die Reichweite einer Google-Vermarktung erreichen wird.

Leider sind diese 60 Euro plus 63 Prozent keine freiwillige Leistung von Google. US-amerikanische Autoren- und Verlegerverbände sind gegen den Suchmaschinenkonzern in einer Sammelklage vorgegangen und haben ihn einem gerichtlichen Vergleich dazu gezwungen – als dieser bereits rund 7 Millionen Bücher aus den Buchbeständen amerikanischer Bibliotheken eingescannt hatte.

Auch brandneue Bücher darunter

Wenig großartig ist denn auch, dass sich unter den von Google eingescannten Büchern nicht nur vergriffene, sondern nach Recherchen des Heidelberger Literaturwissenschaftlers Roland Reuß (vgl. dazu "Google: Verleger empören sich über die 'kommerzielle Entwertungsmaschine'") auch brandneue Bücher befinden sollen. Nota bene: Die Urheberrechte der vergriffenen Bücher sind nur dann erloschen, wenn der Autoren bereits über 70 Jahre tot ist. Bei GoogleSuche finden sich aber sogar Bände aus dem letzten Jahr, die noch im aktuellen Verkauf stehen. Damit hat der Konzern sich ganz offensichtlich der Piraterie verschrieben – wobei er die vergriffenen Bücher lebender Autoren einfach unter dem amerikanischen Rechtslabel des „fair use“ zugänglich machen wollte.

Die amerikanischen Autoren und Verleger, die sich gegen GoogleBook gewandt haben, hatten daher eine erstklassige Verhandlungsposition. Weil sie über die amerikanischen Buchbestände verhandelten, die schätzungsweise zur Hälfte auch ausländische Literatur enthalten, verhandelten sie aber auch über die Rechte der Autoren hierzulande. Der jetzt erzielte Vergleich muss noch durch das zuständige Gericht in New York bestätigt werden. Vor einer Bestätigung müssen jedoch Betroffene in- und außerhalb der USA informiert werden. Die offiziellen Gerichtsinformationen finden sich unter www.googlebooksettlement.com.

Was darf Google?

Was darf Google laut Vergleich künftig tun? Zum einen darf Google vergriffene Werke für „display uses“ verwenden, also für Anwendungen, bei denen der gesamte Buchinhalt gezeigt wird – falls der Rechteinhaber zustimmt. Zum anderen sind Google auch „non-display uses“ erlaubt, also die Anzeige bibliografischer Angaben oder Volltextindizes. Google darf in beiden Fällen Werbung einblenden, ein Bibliotheks-Programm und eine „Recherchesammlung“ aufbauen.

Die Reaktion von VG Wort

In Deutschland hat sich die VG Wort bereit erklärt, Urheber und Verlage darüber zu informieren. Verwertungsgesellschaften wie die VG Wort oder die wesentlich bekanntere GEMA bieten Urhebern einen Ausgleich dafür, dass Leser oder Hörer ihre Werke für private Zwecke kopieren oder anderweitig verwenden. Das heißt, sie nehmen kollektiv Urheber- und verwandte Schutzrechte wahr. Noch vor wenigen Wochen orakelte Ilja Braun, seines Zeichens Journalist, Autor und Übersetzer, im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung, dass die Verwertungsgesellschaft VG Wort gegen Google klagen werde. In einem Informationsschreiben kündigte die VG Wort nun an, dass sie nicht beabsichtige, für die über sie vertretenen Autoren ein vollständiges „opt-out“ zu erklären oder dem Gericht Vorbehalte vorzutragen. Wer dies möchte, muss dies bis zum 5. Mai 2009 machen.

Die von der VG Wort eingesetzte Arbeitsgruppe aus Autoren und Verlegern möchte, dass die Verwertungsgesellschaft über eine Änderung des Wahrnehmungsvertrags bzw. im Rahmen einer Beauftragung gewisse Rechte aus dem Google-Vergleich übernehmen darf. So will sie die Vergütungsansprüche für Digitalisierungen übernehmen, die bis zum 5. Mai 2009 vorgenommen wurden. Sie will das Recht, die Entfernung von sämtlichen vergriffenen Büchern verlangen zu können. Gleichzeitig soll die VG Wort digitale Nutzungen von vergriffenen Büchern weltweit für Google oder Dritte lizenzieren können – falls Autor und Verlag dem nicht widersprechen. Und sie möchte das Recht, die Entfernung aller lieferbaren Bücher zu verlangen.

Das ist sinnvoll, denn unter den von Google eingescannten Büchern befinden sich, wie bereits erwähnt nicht nur vergriffene, sondern auch brandneue Bücher. Aber es geht auch um elektronische Bücher. Es ist völlig unklar, wie man die „Vergriffenheit“ von E-Books definieren möchte. Hier ist die klassische Urheberrechtsregelung „70 Jahre nach dem Ableben des Urhebers“ doch sinnvoll. Die VG Wort als Interessensvertreterin macht aber auch für die notwendige Kontrolle der getroffenen Vereinbarungen Sinn – denn welcher Autor ist in der Lage ständig zu kontrollieren, ob Google sein Werk tatsächlich nur noch teilweise zur Verfügung stellt und dann noch durchzusetzen, dass das Werk tatsächlich entfernt wird?

Noch ist das nur ein Vorschlag, der innerhalb und außerhalb der VG Wort noch abgestimmt werden soll. Die Arbeitsgruppe hält ihn jedoch für sinnvoll, weil die VG Wort so für die Autoren und Verlage die Vergütungen sicher einziehen und die Entfernungsrechte fristgerecht geltend machen kann. Die Vertretung durch die VG Wort ist für deutsche Autoren sicherlich die sinnvollste Lösung, da nicht alle ihre Rechte selbst in Anspruch nehmen werden. Google rechnet nämlich offensichtlich damit, dass nur einer von zehn Urhebern seine Rechte wahrnimmt. Denn der Fonds, den Google nun bereit stellt, beträgt lediglich 45 Millionen Dollar – rein rechnerisch müssten es jedoch bei 7 Millionen Rechteinhabern 420 Millionen Dollar sein.

Der Vertretungsanspruch der VG-Wort

Es ist aber fraglich, ob die VG Wort tatsächlich über eine einfache Änderung ihres Wahrnehmungsvertrags, die auf ihrer Hauptversammlung beschlossen werden soll, die Rechte aller bei ihr gemeldeten 380.000 Autoren einfach vertreten kann – oder ob sie nicht auch hierfür von jedem einzelnen Autor eine Unterschrift bzw. eine Meldung der zu vertretenden Bücher braucht. Die VG Wort jedenfalls zeigt sich optimistisch, weil sie sich “als die Einrichtung fühlt, die von Autoren und Vertragen beauftragt werden kann, in das Verfahren einzutreten.“

Alle Autoren, die mit der VG Wort einen Wahrnehmungsvertrag abgeschlossen haben, werden automatisch von ihr vertreten. Fachautoren, die nur Bezugsberechtigte sind bzw. die ihre Tantiemen bislang über eine einfache Meldung beziehen konnten, werden von der VG Wort noch ein Anschreiben mit einer Rückantwort erhalten, mit der sie uns die Rechte übertragen können. Man darf gespannt sein, was passieren wird, wenn Google den Vertretungsanspruch der VG Wort nicht anerkennen sollte. Sicher scheint, dass die Autoren dann leer ausgehen, wenn sie ihren Anspruch nicht selbst direkt melden.