Baerbock und die Borderline-Bild

Auf einmal sind die Grünen und ihre kurzzeitig hochgeschriebene Kandidatin für die BIld nur noch eine Chaostruppe, die nicht zu ihren Fehlern steht. Symbolbild: Alexas_Fotos auf pixabay (Public Domain)

Kürzlich warnte das Springer-Medium noch vor einer vom Kreml gesteuerten Kampagne gegen die grüne Kanzlerkandidatin. Hat Putin jetzt heimlich den Verlag übernommen?

Ausgerechnet die Bild stellte an diesem Freitag fest, das Ansehen der Spitzen-Grünen Annalena Baerbock scheine "zusammenzufallen wie ein Soufflé, das zu früh aus dem Ofen genommen wurde". Wie ist das möglich - und warum traut sich die Bild, dazu beizutragen, obwohl es nach ihrer Logik schon beinahe Feindbegünstigung ist?

Noch vor wenigen Wochen warnte Deutschlands größte Boulevardzeitung vor einer niederträchtigen Einflusskampagne des russischen Präsidenten Wladimir Putin gegen die Kanzlerkandidatin der Grünen. Annalena Baerbock erschien in der Berichterstattung der Bild als eine Art Jeanne d’Arc des Wertewestens, die der Kreml um jeden Preis als deutsche Kanzlerin verhindern wolle. Auch Baerbocks Parteifreund Cem Özdemir kam in dem Springer-Medium ausführlich zu Wort und nutzte die Gelegenheit, um sie über den grünen Klee zu loben: Putin fürchte "eine Völkerrechtlerin im Kanzleramt, die unsere liberale Demokratie und unsere Verbündeten selbstbewusst verteidigt".

Er könne, so Özdemir, "allen Demokratinnen und Demokraten nur raten, sich nicht an Putins schmutziger Kampagne zu beteiligen". Im Klartext war das eine Drohung, im Zweifel für jede Kritik als nützlicher Idiot Moskaus dargestellt zu werden.

Als Quelle für die Einschätzung, dass gegen Baerbock eine Kreml-Kampagne laufe, gab Bild.de am 12. Mai den früheren Oligarchen und heutigen "Kreml-Kritiker" Michail Chodorkowski an, sowie in einem weiteren Artikel Mitte Juni den deutschen Verfassungsschutz. Mit "Propaganda, Desinformation sowie durch weitere Einflussnahmeversuche" wolle der Kreml den deutschen Wahlkampf zu seinen Gunsten steuern, hieß es.

Verdächtig? Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und Laschet

Wer dem Glauben schenkte und wachsam sein wollte, musste in den Folgewochen unter anderem die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) verdächtigen, vom Kreml gesteuert zu sein, denn sie warnte mit einer teuren Anzeigenkampagne davor, bei der Bundestagswahl im September für die Grünen zu stimmen. Annalena Baerbock wurde als Moses mit steinernen Verbotstafeln dargestellt. Als Baerbocks Hauptkonkurrent im Rennen um die Kanzlerschaft kam auch CDU-Chef Armin Laschet als russisches U-Boot in Betracht. Aber ganz so hatte die Bild das wohl nicht gemeint.

Und nun stehen Plagiatsvorwürfe gegen Baerbock im Raum, weil sie - nun ja, beweisen wollte, wie multitaskingfähig sie ist? Vermutlich deshalb hat sie neben ihrer Tätigkeit als Parteichefin und Bundestagsabgeordnete mit zwei Kindern auch noch ein Buch mit dem Titel "Jetzt: Wie wir unser Land erneuern" zusammengezimmert, in das - wie sie sagt - auch "ganz viele Ideen von anderen" eingeflossen sind. Ihre Partei spricht von allgemein bekannten Fakten und grünen Positionen.

An diesem Freitag lautete die Überschrift auf Bild.de: "Grüne im Wahlkampf nach Baerbock-Böcken - Die Nerven liegen blank". Die Parteizentrale wittere "wegen der kritischen Berichterstattung um Baerbocks Buch-Patzer eine 'Rufmord'-Kampagne" und schlage verbal um sich, vor allem gegen die CDU. Der Plagiatsjäger Stefan Weber jedenfalls gibt an, er habe in diesem Fall keinen Auftraggeber gehabt, sondern sei auf eigene Rechnung aktiv geworden. Seinen Textanalysen zufolge soll Baerbock sowohl bei der Bundeszentrale für politische Bildung als auch von Zeitungen und Zeitschriften abgeschrieben haben - unter anderem aus einem Gastbeitrag ihres Parteifreundes Jürgen Trittin in der Frankfurter Rundschau und aus einem Interview mit der Nachhaltigkeitsforscherin Maja Göpel in der taz.

Ob es sich bei diesen Textstellen ohne Quellenangaben um juristisch angreifbare Plagiate handelt, ist zweifelhaft - aber irgendwas bleibt sicher hängen. Vor allem, wenn sie die Bild darauf stürzt, nachdem sie Baerbock ein paar Wochen lang zur Lichtgestalt der deutschen Außenpolitik aufgebaut hat. Da stellt sich die Frage, wer jetzt eigentlich den Springer-Verlag steuert. Putin wäre schon ein heißer Kandidat. Vielleicht sitzen aber auch nur die Sprachrohre verschiedener Kapitalfraktionen in der Bild-Redaktion.