Bahn blamiert Deutschland: Das Ende eines Mythos?
Verspätungen und Zugausfälle. International schlechte Presse. Kann die Generalsanierung nach der EM den Ruf deutscher Effizienz wiederherstellen?
"Ich bin glücklich, dass die Züge alle so pünktlich fahren. Ich weiß nicht, wie es funktioniert. Aber es funktioniert. Das ist bewundernswert." – Diese Sätze hat nicht etwa ein angereister Fußballfan über die Deutsche Bahn gesagt, sondern sie stammen aus einer 2023 erschienenen Reportage von Jan Jessen über den Bahnverkehr im Kriegsland Ukraine.
Über die Deutsche Bahn ist während dieser Fußball-EM eher selten Positives zu hören und zu lesen. Fahrgäste aus aller Welt "demütigen" laut einer Schlagzeile der Frankfurter Rundschau die Deutsche Bahn.
Bahn-Standards: Nur 30 Minuten Verspätung?
Nicht nur die Fahrgäste, sondern auch die internationale Presse räumen jedenfalls gründlich mit dem Mythos der deutschen Pünktlichkeit und Effizienz im Gastgeberland auf.
"EM-Fans beschweren sich über 30 Minuten Verspätung? Die Deutschen schauen sie erstaunt an und antworten: 'Sie haben Glück, am Ziel angekommen zu sein'", berichtete am Donnerstag die französische Tageszeitung La Liberation.
Mehrere deutschsprachige und ausländische Medien zitieren seit Tagen auch einen Bericht der New York Times mit der Überschrift "Euro 2024 und deutsche Effizienz – vergessen Sie alles, was Sie zu wissen glaubten". Darin hieß es mit Blick auf den Schienenverkehr und ausgefallene U-Bahn-Verbindungen, die Fans müssten in Deutschland "erbärmliche Bedingungen" ertragen.
Bahn-Generalsanierung nach der EM: Zu spät fürs Image?
Turnierdirektor Philipp Lahm schaffte es am vergangenen Freitag selbst nicht pünktlich zum Anpfiff ins Stadion, als er mit dem Zug nach Düsseldorf zum Spiel zwischen der Ukraine und der Slowakei fuhr. "Ich glaube, wir haben es versäumt, insgesamt als Deutschland in den letzten Jahrzehnten ein bisschen daran zu arbeiten an der Infrastruktur", zitierte ihn im Anschluss die Bild.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat eine Generalsanierung nach der EM angekündigt. "Wir werden Milliarden investieren in den nächsten Jahren, die Hauptstrecken grunderneuern, damit es aufhört, dass wir ständig unvorhergesehene Baustellen haben, die zu diesen Unpünktlichkeiten und all den Problemen führen", sagte Wissing Mitte Juni in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur.
Zugleich sollen aber Zugverbindungen vor allem in ostdeutsche Städte gestrichen werden. Dies ging laut einem Spiegel-Bericht in dieser Woche aus einem vertraulichen Schreiben des Bahn-Konzerns an die Bundesnetzagentur hervor.