Ist die Deutsche Bahn noch zu retten?
In der Vorbereitung der letztlich abgesagten Privatisierung der Bahn wurde alles abgestoßen, was nicht unbedingt benötigt wurde, wenn der Betrieb immer nach Plan verlaufen wäre.
Vor dem geplanten Börsengang der Deutschen Bahn hat man die Deutsche Reichsbahn und die Deutsche Bundesbahn als privatrechtliche Aktiengesellschaft 1994 zusammengelegt und wollte sie konsequent verschlanken, um beim Börsengang einen möglichst hohen Preis zu erzielen.
Was bei diesen Aktivitäten auf der Strecke blieb, war die für einen erfolgreichen Betrieb notwendige Flexibilität – und darunter leidet die Bahn in Deutschland bis heute. Früher vorhandene Ausweichgleise wurden abgebaut und ihre Flächen entwidmet, sodass sie für den Bahnbetrieb nicht mehr so einfach reaktiviert werden konnten.
Was auf höchste Effizienz ausgelegt war, war zum Scheitern verurteilt. Dass diese vorgebliche hohe Effizienz das Spiel verderben würde, hätte schon ein einfaches Spiel von "Mystic Square" oder "Jeu de taquin" erläutern können.
Das hätte gut gehen können, wenn der Betrieb immer genau nach Fahrplan abgelaufen wäre und es grundsätzlich keine wie auch immer ausgelösten Verspätungen gegeben hätte. Die Bahn wurde damit extrem unflexibel und eine im Betrieb aufgetretene Verspätung schaukelte sich im Laufe eines Tages immer weiter hoch.
Während man in Frankreich für den TGV ein eigenes Trassennetz schuf, sodass die Hochgeschwindigkeitszüge nicht vom Regionalpersonen- oder Güterverkehr ausgebremst werden konnten, hat man in Deutschland nur einige prestigeträchtige Schnellfahrstrecken in das vorhandene Netz integriert.
Regionalisierung des Bahnbetriebs
Im Rahmen der Bahnreform fand ab 1996 eine Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) durch das Regionalisierungsgesetz statt. Der Regionalverkehr wird seitdem durch die jeweiligen ÖPNV-Aufgabenträger nach erfolgter Ausschreibung beauftragt.
Da die Ausschreibung nur für einen befristeten Zeitraum erfolgt, erwirbt üblicherweise eine landeseigene Gesellschaft die benötigten Fahrzeuge und vermietet diese an den ausgewählten Betreiber.
Durch die Regionalisierung stieg der Marktanteil der nicht bundeseigenen Eisenbahnen am deutschen Nahverkehr bis zum Jahr 2023 auf 41,5 Prozent. Um die 90 Prozent der Betriebsleistung im SPNV jedoch von Unternehmen erbracht, die im Mehrheitsbesitz von Nationalstaaten, Bundesländern oder Kommunen sind. Was als Privatisierung des Regionalverkehrs verkauft wurde, war letztlich nur eine Verlagerung auf andere staatliche Träger.
Bei der Ausschreibung haben bis dahin nicht bekannte Lohnsteigerungen sowie Energiekosten auch die Töchter nationaler Bahngesellschaften in Schieflage gebracht, wie deutlich an der Abellio-Gruppe sichtbar wurde.
Die deutsche Abellio ist ein Verkehrsunternehmen mit Sitz in Berlin und ein Tochterunternehmen der Abellio Transport Holding aus Utrecht, die wiederum die Aktivitäten der niederländischen Staatseisenbahn Nederlandse Spoorwegen (NS) im Personenverkehr außerhalb der Niederlande koordiniert.
Nachdem die NS nicht mehr bereit war, die Verluste aus dem Deutschlandgeschäft zu tragen, ging das Unternehmen 2021 in die Insolvenz. Davon waren auch die Tochterfirmen mit insgesamt 52 Bahnlinien in Deutschland betroffen. Einzelne Töchter wurden von anderen Bahngesellschaften übernommen oder ihr Betrieb eingestellt.
Neuer Anlauf für eine Bahnprivatisierung in Deutschland
Was bislang aufgrund der bestehenden Altlasten der Deutschen Bahn nicht funktionierte, soll jetzt mit einer Auflösung des bundeseigenen Konzerns zum Erfolg gebracht werden. In einem ersten Schritt wurde die wirtschaftlich erfolgreiche Tochter DB Schenker an die dänische DSV verkauft, welche sie unter Aufgabe der Marke DB Schenker in ihr Angebot integriert.
Die Infrastruktur wurde in die Tochter DB InfraGO ausgelagert, für deren Finanzierung künftig nicht mehr der DB-Konzern zuständig sein soll, sondern direkt der Bundeshaushalt, dem jedoch die Mittel fehlen. Zudem fehlen für die Sanierung der Infrastruktur vielfach auch die benötigten Baufirmen, sodass eine Sanierung auf absehbare Zeit nicht möglich ist.
Eine Lösung zur Infrastruktursanierung wäre eine Erhöhung der Trassenpreise. Dagegen wenden sich jedoch die Bahnbetreiber, die für diese Trassenkosten aufkommen sollen, während die Fernbusse als Kraftomnibusse von der Autobahnmaut befreit sind.
Populistische Forderungen statt Lösungsansätzen
Wenn der neue Vorsitzende der Monopolkommission Tomaso Duso jetzt fordert, dass die Bezahlung der Bahn-Manager an pünktliche Züge geknüpft werden soll, sind das zwar klare Worte. Es fehlen jedoch alle Umsetzungsvorschläge, die zudem in den Arbeitsverträgen der betroffenen Manager verankert werden müssten. Zudem stellt sich beim Bahndesaster auch die Frage der politischen Verantwortung.
Wie man bei Andreas Scheuers Pkw-Maut-Debakel sehen konnte, kann die Politik beachtlichen Schaden verursachen, jedoch nicht zur Verantwortung gezogen werden.
Laut Tomas Duso soll der Bahn-Konzern aufgespalten werden. Man solle die Infrastruktur von allem anderen trennen, denn die Infrastruktur sei ein natürliches Monopol, für das der Staat zuständig sein muss.
Bei der Frage, ob der Betrieb dann privatisiert werden solle, hält er sich jedoch vornehm zurück. Niemand wird ihm widersprechen, wenn er fordert, dass in die Infrastruktur mehr investiert und besser reguliert werden müsse.
Mit seiner Aufspaltungsforderung der Bahn reiht sich Duso in die Riege seiner Vorgänger ein. So hat auch der vorherige Chef der Monopolkommission, Jürgen Kühling, immer wieder für eine Zerschlagung der Bahn argumentiert. Auch der Bundesrechnungshof befürwortet eine Zerschlagung. Die Behörde wirft auch Verkehrsminister Wissing vor, bei der Steuerung der Bahn gescheitert zu sein.
Es erscheint wenig Erfolg versprechend, alte Probleme mit alten Vorschlägen lösen zu wollen. Somit muss befürchtet werden, dass eine Sanierung der DB als Ganzes nicht möglich ist. Länder, die ihr Bahnsystem erfolgreich aufgestellt haben, sind deutlich übersichtlicher als Deutschland.