Deutsche Bahn hängt Osten weiter ab
Bericht: DB-Konzern will Fernzüge streichen. Hintergrund: das Haushaltsurteil zum Klimafonds. Warum die AfD davon profitieren könnte. Ein Kommentar.
Die Deutsche Bahn plant laut Medienberichten, im kommenden Jahr zahlreiche Fernzugverbindungen abzuschaffen. Betroffen wären vor allem ostdeutsche Städte in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen sowie Mecklenburg-Vorpommern. Dies geht laut einem Spiegel-Bericht aus einem vertraulichen Schreiben des Konzerns an die Bundesnetzagentur hervor.
Genannt wurden die bisherigen Intercity-Strecken Karlsruhe - Stuttgart - Aalen - Crailsheim - Nürnberg - Leipzig durch das Saaletal (Linie 61) und Gera - Weimar - Erfurt - Gotha - Kassel - Dortmund - Köln (Linie 51), sowie Norddeich Mole - Oldenburg - Bremen - Hannover - Magdeburg - Köthen - Leipzig (Intercity-Linie 56).
Mit dem ICE an die Ostsee: Ein Auslaufmodell?
Darüber hinaus wird berichtet, dass die Intercity-Express-Angebote nach Stralsund an der Ostsee in der Nebensaison stark reduziert werden sollen. Sie gehören demnach zu den am schwächsten ausgelasteten Zügen der Deutschen Bahn.
Die Streichung der ebenfalls schwach ausgelasteten Intercity-Verbindung von Dresden nach Rostock sei offenbar durch politischen Druck gestoppt werden, heißt es.
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Hintergrund ist das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) – nachdem dieser im November aufgrund der Regelungen zur Schuldenbremse für rechtswidrig erklärt wurde, ist der Finanzierungsplan der Bahn zu großen Teilen gescheitert.
Die Bundesregierung beschloss daraufhin eine Eigenkapitalerhöhung von bis zu 20 Milliarden Euro für den verschuldeten Staatskonzern. Diese Summe sollte die Bahn über die kommenden Jahre verteilt erhalten. 5,5 Milliarden davon sollen bereits in diesem Jahr fließen.
Eigenkapitalerhöhung: Versickert das Geld im DB-Konzern?
Doch ein führender Beamter des Bundesverkehrsministeriums unter Volker Wissing (FDP) ist laut Spiegel-Bericht nicht sicher, ob das Geld tatsächlich in die sanierungsbedürftige Infrastruktur gesteckt wird. Es könnte demnach "auch einfach im Konzern versickern".
Einen Bahn-Sprecher zitiert das Magazin mit den Worten, die Maut stelle die DB Fernverkehr AG "vor erhebliche Herausforderungen und kann angesichts der derzeit herausfordernden wirtschaftlichen Lage nicht kompensiert werden".
Deshalb wird auch eine weitere Verteuerung für die Fahrgäste nicht ausgeschlossen: "Wenn die Erhöhung in der angekündigten Größenordnung, die deutlich über dem durchschnittlichen inflationsbedingten Kostenanstieg liegt, direkt an die DB Fernverkehr AG weitergegeben würde, dann sind Angebotsreduktionen und auch eine Erhöhung der Ticketpreise unumgänglich".
Konkret bedeute das, "dass für die DB Fernverkehr AG schlecht ausgelastete Züge nicht mehr tragbar wären und das Angebot entsprechend reduziert werden muss".
Hohe Preise, schlecht ausgelastete Züge: Ein Teufelskreis?
Ob aufgrund der Preiserhöhungen dann weitere Züge schlecht ausgelastet sind, wird sich zeigen. Zu den bisher betroffenen Verbindungen und der geleakten "vertraulichen Korrespondenz" wollte sich das Unternehmen zunächst nicht äußern.
Dass der Wegfall von Zugverbindungen vor allem ostdeutsche Städte betrifft, kommentierte die Bundessprecherin der Grünen Jugend, Svenja Appuhn, bereits sarkastisch: "Wie könnten wir wohl dafür sorgen, dass Menschen in Ostdeutschland sich noch abgehängter fühlen?" schrieb sie auf der Plattform X.
Alle, die diesen "Schlamassel" zu verantworten hätten, sollen ihrer Meinung nach zusehen, dass sie diese Bahnverbindungen jetzt schleunigst retten.
Abgehängte Regionen: Hier sind rechte Parteien stark
Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hatte 2023 deutliche Hinweise darauf geliefert, dass das Gefühl, abgehängt zu werden, in strukturschwachen Regionen auch zu Wahlerfolgen rechter Parteien beiträgt:
Die Zustimmung zur AfD sei vor allem in Ostdeutschland überdurchschnittlich hoch, "insbesondere in ländlichen und strukturschwachen Regionen, die unter Abwanderung leiden und ökonomisch abgehängt zu werden drohen", so das Institut.
An der Schuldenbremse will aber vor allem eine Partei strikt festhalten, die selbst in den letzten Jahren erheblich an Zustimmung verloren hat: Die FDP, der sowohl Bundesverkehrsminister Wissing als auch Bundesfinanzminister Christian Lindner angehören, erreichte bei der Bundestagswahl 2021 noch 11,4 Prozent und lag in den letzten Umfragen zwischen vier und sechs Prozent.
Schuldenbremse blockiert Verkehrswende
Für das Festhalten an der Schuldenbremse wirbt sie derzeit gezielt mit jungen Gesichtern. Tenor: Eine schuldenfreie Zukunft ist wichtiger als Investitionen in Infrastruktur und Klima. Ob diese Rechnung für die Wirtschaftsliberalen aufgeht, ist mit Blick auf das Ergebnis der Europawahl mehr als fraglich, denn auch junge Menschen, die sich nicht um das Klima sorgen, wählen lieber AfD als FDP.
Bei denjenigen, die sich große Sorgen um das Klima machen, ist Wissing schon länger als "Autominister" verschrien, der die Bahn auffallend stiefmütterlich behandelt: Die Umsetzung des Taktfahrplans, die ursprünglich bis 2030 abgeschlossen sein sollte, verschob er im vergangenen Jahr erst einmal auf 2070.
Die Grünen wiederum haben etliche Stimmen von Jüngeren an die Kleinpartei Volt verloren, nachdem sie sich Wissing und Co. gegenüber nachgiebig gezeigt hatten.