Sozialer Klimaschutz light: Gnadenfrist für 49-Euro-Ticket?
Das Angebot könnte vorerst weiterlaufen. Langfristig ist die Finanzierung unklar. Preisliche Schmerzgrenzen vieler Kunden sind aus Umfragen bekannt. Ein Kommentar.
Das 49-Euro-Ticket könnte weiterlaufen. Vorerst. Wahrscheinlich. Doch die langfristige Finanzierung ist weiter unklar. Wie die Hessenschau vom Treffen der Regierungschefs der Länder mit Kanzler Olaf Scholz am Montag berichtet, haben sich die Länder darauf geeinigt, das Projekt weiterführen zu wollen. Sofern der Bund mitmache, sollten in diesem Jahr nicht verwendete Mittel ins nächste Jahr umgeschichtet werden.
Ob das reicht und wie es danach weitergeht, ist weiter ungewiss. Von Planungssicherheit für die Verkehrsunternehmen, die diese wiederholt von den Verantwortlichen eingefordert hatten, lässt weiter auf sich warten.
Auch werden die bisherigen über zehn Millionen Käuferinnen und -Käufer weiter darüber im Unklaren gelassen, ob das bundesweite Monatsticket für ÖPNV und Regionalbahnen gültige Ticket auch weiterhin für 49 Euro angeboten wird. Bundesverkehrsminister Volker Wissing und Bundesfinanzminister Christian Lindner (beide FDP) hatten sich standhaft geweigert, mehr aus dem Bundeshaushalt zuzuschießen.
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Im Frühjahr hatten sich Bund und Länder darauf geeinigt, in diesem und im kommenden Jahr die Mehrkosten der Verkehrsunternehmen mit jeweils 1,5 Milliarden Euro abzudecken. Alles, was gegebenenfalls über diese drei Milliarden Euro jährlich hinausgeht, werden sich Bund und Ländern 2023 teilen. Die beiden FDP-Minister sperren sich allerdings gegen entsprechende Zusagen für die kommenden Jahre.
Warum ein 29-Euro-Ticket ohne höheren Zuschuss möglich wäre
Also könnte es sein, dass das flächendeckende Ticket nur in verteuerter Form fortgeführt wird, wie es zuletzt von einigen Landespolitikern angedeutet wurde. Auch Wissing hatte schon bei der Einführung deutlich gemacht, dass die 49 Euro nur ein Einstiegspreis seien. Schon im Frühjahr war dem Minister, wie berichtet, vorgerechnet worden, dass das Monatsticket auch für 29 Euro angeboten werden könnte, ohne dass der Zuschussbedarf höher wäre. Der Grund: Der günstigere Preis ließe noch deutlich mehr Menschen zugreifen.
Dementsprechend ist jetzt zu befürchten, dass die Attraktivität des Tickets durch eine Preiserhöhung weiter geschmälert würde. Bisher haben etwa Millionen Menschen das Ticket im Abonnement, der einzigen Form, in der es zu haben ist. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage zeigte allerdings, dass 49 Euro für 37 Prozent der Befragten die Schmerzgrenze ist. 23 weitere Prozent würden jenseits von 59 Euro im Monat aussteigen.
Dabei ist eine Erhöhung der Attraktivität des öffentlichen Personenverkehrs dringend nötig: Die Fahrgast-Zahlen liegen noch immer knapp unter dem Vor-Pandemie-Niveau, wie der NDR berichtet.
Um wie viel Geld geht es? Der Verband der Verkehrsunternehmen schätzt den Zuschussbedarf für 2024 auf vier Milliarden Euro. Es geht also letztlich nur um eine Milliarde mehr, als die ohnehin bereits vereinbarten drei Milliarden Euro.
Oder eigentlich nur um maximal 500 Millionen, denn die Länder haben bereits angeboten, die Hälfte der Mehrkosten auch 2024 zu tragen. Und wenn auch noch die in diesem Jahr nicht genutzten Mittel ins nächste Jahr überführt werden, dann geht es für den Bund vielleicht gar um 200 Millionen Euro.
Das wäre nun für den Bundeshaushalt wahrlich keine große Summe, wenn man an das 100-Milliarden-Sondervermögen für die Kriegsvorbereitungen denkt, oder an jene neun Milliarden Euro, die 2021 – nicht ganz legal – der Lufthansa aus der Patsche halfen und die Taschen jener Milliardäre füllten, die sich rechtzeitig mit den abgestürzten Aktien des Unternehmens eingedeckt hatten.
Für Geschenke an die FDP-Klientel ist Geld vorhanden
Doch natürlich geht es letztlich um deutlich mehr als diese 200 oder 500 Millionen Euro, über die aktuell so lange und frustrierend gestritten wird. ÖPNV, Regional- und auch Fernverkehr brauchen dringend mehr Mittel, nicht zuletzt, um mehr Personal zu beschäftigen, Arbeitsbedingungen zu verbessern und attraktivere Gehälter zu zahlen. In Sachsen-Anhalt fallen zum Beispiel zurzeit aufgrund eines Mangels an Lokführern so viele Züge aus, wie nie zuvor.
Da die Bundesregierung zugleich plant, das Dienstwagenprivileg auszuweiten und damit auf noch mehr als die bisherigen 3,1 Milliarden Euro zu verzichten, ist offenkundig nicht Geld an sich das Problem. Gerade für die E-Autos im oberen Preissegment, auf den sich die deutschen Hersteller zu spezialisieren scheinen, darunter auch die superschweren elektrischen SUV, sollen die Steuersätze weiter gesenkt werden.
Alternativ zu solchen Geschenken an die FDP-Klientel könnte man, wie unter anderem vom alternativen Verkehrsclub VCD gefordert, das 49-Euro-Ticket für Kinder unter 14 Jahren kostenlos abgeben und zusätzlich ein Jugend- und Sozialticket für maximal 29 Euro einführen.
Verwenden könnte man dafür bis auf Weiteres die über zehn Milliarden Euro, die jährlich durch den Verkauf von CO2-Zertifikaten eingenommen werden, die ohnehin eigentlich an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben werden sollten.