Die unsichtbare Hand, die die Deutsche Bahn steuert
Deutsche Bahn: Die meisten Entscheidungen fallen heute nicht mehr in der Berliner Zentrale. Zur Zukunft des Eisenbahnregionalverkehrs und der Kosten.
Wenn eine Bahn mal wieder Verspätung hat oder völlig überfüllt ist, schimpft man gerne auf die Deutsche Bahn. Das ist jedoch deutlich zu kurz gegriffen, weil die DB nur noch den Fernverkehr eigenverantwortlich betreibt.
Der Regionalverkehr wird jeweils von den Bundesländern ausgeschrieben und meist auf ein Dutzend Jahre an einen Betreiber vergeben und das muss nicht die DB oder eine ihrer Regionalgesellschaften sein.
Um sich dem heutigen Zustand der Eisenbahnen in Deutschland anzunähern, das vielen wie ein Koloss auf tönernen Füßen erscheint, ist ein Blick in die Geschichte dieses Systems sinnvoll.
Der heterogene Start noch vor der Entstehung des deutschen Nationalstaates wirkt sich bis heute aus. Die deutsche Kleinstaaterei und die Topografie waren und sind da immer noch gewaltige Hemmnisse, die sich auch heute noch nur schwer überwinden lassen.
Mit Privatbahnen zum Start der Eisenbahnen in Deutschland
Das deutsche Eisenbahnnetz ist zumeist, wie viele anderen technischen Entwicklungen auch, auf private Initiative hin entstanden. Und wie bei den Stromnetzen wirkt sich das auch beim Eisenbahnnetz bis heute aus.
In Deutschland begann das Zeitalter der Eisenbahn am 7. Dezember 1835 mit der Fahrt der ersten Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth. Die Lokomotive mit dem Namen "Adler" war ein Produkt der englischen Lokomotivfabrik Robert Stephenson & Co. in Newcastle upon Tyne.
Für den Aufbau der ersten kleineren Bahnnetze kamen zum Teil eigens dafür gegründete Aktiengesellschaften zum Einsatz, um das Kapital für den Netzaufbau bereitzustellen. Letztlich war die Privatwirtschaft mit den Infrastrukturkosten jedoch überfordert.
Verstaatlichung der Eisenbahnen in Deutschland
Noch heute lässt sich am Verlauf zahlreicher Eisenbahnlinien erkennen, dass sie sich ursprünglich nicht nur an geografischen/topografischen Gegebenheiten, sondern auch an ehemals politischen Grenzen zwischen den zahlreichen Fürstentümern, Ländern und Städten orientierten.
In den süddeutschen Ländern Bayern, Baden und Württemberg sowie in Mecklenburg, Oldenburg und Braunschweig ging man schon bald zum Staatsbahnsystem über, weil der Staat die benötigten Investitionen, die sich nicht kurzfristig amortisierten, leichter bereitstellen konnte.
Einen Höhepunkt erreichte der Eisenbahnbau im späteren Deutschen Reich im Jahre 1870. Damals hatten die Bahnstrecken eine Gesamtlänge von 20.000 km.
Nach der Gründung des Deutschen Kaiserreichs im Jahre 1871 bemühte sich der damalige Reichskanzler Bismarck, die gesamten Eisenbahnen Deutschlands zu einer einheitlichen Reichseisenbahn zusammenzuschließen. Die Staatsbahnen erwirtschafteten Gewinne und trugen entscheidend zum Wirtschaftswachstum in Deutschland bei.
Die Wende und die Privatisierung
Ein gravierender Einschnitt beim deutschen Bahnnetz erfolgte mit der Teilung Deutschlands und der Beschränkung der Reichsbahn auf das Gebiet der DDR und die Gründung der Deutschen Bundesbahn im Bereich der Bundesrepublik.
Richtig Bewegung kam in das deutsche Bahnwesen wieder mit der Zusammenführung von Bundesbahn und Reichsbahn nach der Wende und der Aufstellung des fusionierten Unternehmens als Aktiengesellschaft im Jahre 1994 mit dem Ziel, diese später zu privatisieren und an die Börse zu bringen, damit sich der Staat seiner Infrastrukturaufgaben entledigen könnte.
Nachdem man die Folgen einer solchen Infrastrukturprivatisierung auf den britischen Inseln gesehen hatte, nahm man von den Börsenplänen wieder Abstand.
Die im Rahmen der geplanten Börsenertüchtigung durchgeführten Streckenrückbaumaßnahmen wirken sich jedoch bis heute aus, weil durch den Abbau von Überhohlgleisen ein verspäteter Regionalzug einen Fernzug leicht ausbremsen kann.
Bestellsysteme der Länder
Bei den Regionalzügen sind inzwischen die einzelnen Bundesländer verantwortlich. Der Bund ist hier nur noch als Geldgeber aktiv und die Deutsche Bahn muss sich für die Bedienung der ausgeschriebenen Strecken ebenso bewerben, wie jeder andere Betreiber auch.
Eine Ausnahme bestand seit der Mappus-Regierung in Baden-Württemberg, wo es die damalige Landesregierung der Deutschen Bahn erlaubte, ihre alten, teilweise noch aus Reichsbahnbeständen stammenden Fahrzeuggarnituren einzusetzen und dafür einen höheren Preis in Rechnung zu stellen, wenn die Bahn Stuttgart 21 verwirklicht und die bisherigen Gleisflächen für die innerstädtische Bebauung freimacht.
Die Umstellung des Regionalverkehrs: Der Rückbau
Mit der Umstellung des Regionalverkehrs auf Systeme der einzelnen Bundesländer, welche die Leistungen im ÖPNV für jede Strecke ausschrieben und dann bestellten, ging die Verantwortung für den Betrieb der einzelnen Stecken von der Deutschen Bahn auf die Bundesländer über.
Wenn die Bundesländer bestimmte Strecken nicht mehr bestellten, folgte oft der Rückbau dieser Strecken, weil ohne Streckennutzungsentgelt die Kosten nicht mehr gedeckt waren.
Das Leasing- und Subunternehmer-Problem
Nachdem der Fahrzeugbestand der Deutschen Bahn im Regionalverkehr aufgebraucht war, gingen die Bundesländer dazu über, das rollende Material auf Landeskosten durch landeseigene Gesellschaften zu beschaffen und an die meist auf zwölf Jahre angeheuerten Betreiber zu verleasen.
Diese mussten sich dann in erster Linie um die Beschaffung und Ausbildung der Fahrzeugführer kümmern, was sich als schwerer denn erwartet herausstellte. Die Aufgaben der Bahnschaffner wurden aus vertraglichen Gründen inzwischen oft an Subunternehmer vergeben.
Wenn ungeplante Kostensteigerungen das Geschäft vermasseln
Nach einer durchaus euphorischen Startphase mit mehr oder weniger privaten Betreiben, hinter welchen sich schon bald Tochtergesellschaften nationaler Eisenbahnbetreiber verbargen, kam der erste Katzenjammer, wenn die Kunden das Transportangebot in größerem Umfang annahmen, als bei der Streckenausschreibung erwartet.
So kam die damalige Breisgau-S-Bahn, ein Gemeinschaftsunternehmen der landeseigenen SWEG und der Freiburger Verkehrs-AG, ins Straucheln, als die Strecken aufgrund der hohen Nachfrage in Mehrfachtraktion bedient werden musste, was sowohl einen mehrfachen Treibstoffbedarf als auch eine stärkere Abnutzung bedingte als vorhergesehen.
Die Freiburger VAG stieg aus und der Betrieb ging bis zum Ende der Vertragslaufzeit auf die SWEG über. Dieses sprang auch ein, als die staatliche niederländische Eisenbahngesellschaft bei der Tochter Abellio in Baden-Württemberg die Reißleine zog. Eine Tochter der SWEG übernahm dann den Betrieb bis zum Ende der Vertragslaufzeit.
Die Zukunft des Regionalverkehrs
Wie es mit dem Eisenbahnregionalverkehr weitergeht, ist aufgrund der dramatischen Kostensteigerungen bislang noch nicht abzusehen.
Da die Zeiten der gesicherten Verdienstmöglichkeiten im Regionalbahnverkehr wohl zu Ende gehen, dürfte das Interesse bei Neuausschreibungen wohl deutlich geringer ausfallen, als von der Politik erhofft.
Die Deutsche Bahn konzentriert sich nach der Abspaltung von DB Schenker sowie möglicherweise auch DB Cargo und ihrer Netze und der verbliebenen Bahnhöfe in die gemeinwohlorientierte Infrastrukturtochter InfraGO, die nur noch Aufgaben erfüllt, welche von der Politik beauftragt und bezahlt werden, auf den Fernverkehr.
Hierbei setzt die Bahn in der Hauptsache auf ihre inzwischen teilmodernisierte ICE-Flotte. Der Wettbewerb in diesem Bereich ist überschaubar und konzentriert sich in der Hauptsache auf die maßgeblich im Besitz US-amerikanischer Investoren befindliche Flix SE mit ihrer Marke Flixtrain.