Bald Bundeswehr zur Terrorbekämpfung im Innern?
Luftsicherheitsgesetz heute erneut in Karlsruhe verhandelt
Verfassungspolitisch schwieriges Terrain mit weitreichender Bedeutung: Unter diesem Aspekt betrachtete Andreas Voßuhle, Vize-Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, am Morgen die erneute Verhandlung in Karlsruhe um das Luftsicherheitsgesetz. Bereits im Februar 2006 hatte das Gericht den in § 14, Absatz 3 des Gesetzes geregelten Abschuss von entführten Passgierflugzeugen als verfassungswidrig erklärt. Heute wurden die Anträge der Landesregierungen von Hessen und Bayern beraten. Ihre Kernaussagen: Das unter der rot-grünen Bundesregierung geschaffene und in Karlsruhe damals verhandelte Gesetz sei auch ohne den Paragraphen 14 grundgesetzwidrig, weil der Bundesrat nicht dazu angehört worden sei. Jetzt streben die Länder eine Grundgesetzänderung an.
Damit geht es erneut auch um den Einsatz der Bundeswehr im Innern. Während die Karlsruher Entscheidung von 2006 vorsieht, die Bekämpfung des Terrorismus - auch in der Luft - ausschließlich der Polizei zu überlassen, halten die Landesregierungen Bayerns und Hessens genau das für undurchführbar. Bayerns Innenminister Joachim Hermann (CSU) erklärte im Vorfeld der Verhandlung: "Die Polizeien sind für diese Aufgabe einfach nicht ausgerüstet. Ihre Hubschrauber sind nicht in der Lage, Flugzeuge hat die Polizei nicht." Deswegen müsse die Bundeswehr solche Einsätze übernehmen. Was großen Teilen der Öffentlichkeit in diesem Zusammenhang unbekannt ist, ist die Tatsache, dass im Februar vor vier Jahren in Karlsruhe nicht das gesamte Luftsicherheitsgesetz gekippt wurde, sondern lediglich der "Abschuss-Paragraph". Ein Abdrängen entführter Flugzeuge oder die Androhung von Waffengewalt wird von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht berührt. Allerdings darf auch in diesen Fällen die Bundeswehr nicht eingreifen. Genau hier setzen Bayern und Hessen an, um über eine Änderung des Grundgesetzes den Einsatz der Bundeswehr bei der Terrorbekämpfung doch noch zu erreichen. Ihnen gehen die im Gesetzt geregelten Vorschriften nicht weit genug, deswegen die angestrebte Änderung des Grundgesetzes.
Nach Ansicht zahlreicher Kritiker würde das nicht nur Militäreinsätze zur Luft bedeuten, sondern auch die Einbindung der Bundeswehr bei der Terroristenbekämpfung am Boden. Sollte das Bundesverfassungsgericht dem zustimmen, könnten sich schon bald ganz andere Fahndungsbilder ergeben als die deutsche Öffentlichkeit bislang kennt. Nicht nur schwere Waffen stünden dann zur Verfügung, auch die Bundesmarine, das umstrittene Kommando Spezialkräfte (KSK) oder die Gebirgsjäger, die gerade wegen möglicher Misshandlungen von Kameraden in der Kritik stehen. Zwar sie Artikel 35 des Grundgesetzes den Einsatz der Bundeswehr im Innern bei Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen zur Unterstützung anderer Institutionen vor, allerdings gab es bereits in jüngster Vergangenheit "praktische Übungen" in äußerst fragwürdigen Rahmen. Von Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücken konnte in folgenden Fällen mit Bundeswehrbeteiligung nun wirklich nicht die Rede sein:
- Bei der Fußball-WM 2006 wurden 5200 Soldaten meist als Sanitäter rund um die Spielstätten eingesetzt.
- Im selben Jahr besuchte US-Präsident George W. Bush Mecklenburg-Vorpommern, 500 Bundeswehrsoldaten waren mit von der Partie.
- Beim G-8-Gipfel in Heiligendamm im Sommer 2007 wurden "Fennek"-Spähpanzer und "Tornado"-Kampfjets zur Beobachtung von Demonstranten eingesetzt.
- Und bereits zur Zeit des RAF-Terrors war die Bundeswehr zumindest theoretisch mit eingebunden. Die internen Fahndungs-Fernschreiben der Polizei landeten stets auch auf den Schreibtischen der einzelnen Wehrbereichkommandos.
Mit größter Spannung verfolgte heute Justizministerin Leutheuser-Schnarrenberger die Verhandlung in Karlsruhe - allerdings vom fernen Berlin aus. Sie hatte das Luftsicherheitsgesetz als Oppositionspolitikerin vehement bekämpft. Im Falle einer im Sinne Hessens und Bayerns positiven Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird sie diese wohl mittragen. Das Urteil wird für en Sommer erwartet.