Bald obligatorische Wehrerziehung an lettischen Schulen
- Bald obligatorische Wehrerziehung an lettischen Schulen
- Öffentliche Kritik an der Wehrerziehung ist kaum vernehmbar
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Hintergrund ist die Sorge vor Russland und ein militärischer Patriotismus, aber nach der Abschaffung der Wehrpflicht fehlen auch Soldaten
Eine Planungsgruppe des Verteidigungs- und des Bildungsministeriums diskutierte am 5. April mit Parlamentariern des Verteidigungsausschusses. Ziel ist obligatorischer Wehrunterricht an allen allgemeinbildenden Schulen ab dem kommenden Jahr.
Die Arbeitsgruppe plant eine stufenweise Einführung. In der neunjährigen Grundschule soll Wehrkunde ab dem kommenden Jahr für alle Schülerinnen und Schüler verpflichtend werden. Hier beschränkt sich der Unterrichtsstoff weitgehend auf Theoretisches: Zivilschutz im Kriegsfall, Sozialkunde, Geschichte, zudem Sport.
Alle dreijährigen, zur Hochschulreife führenden Mittelschulen sollen ab 2020 Wehrkunde als Auswahlpflichtfach anbieten. Die Schülerinnen und Schüler, die die Wehrkunde wählen, lernen dann auch das Praktische, dazu gehört der Waffengebrauch. Vier Disziplinen sind vorgesehen: "Kenntnisse und Verständnis der Landesverteidigung", "Aktivitäten", "Körperertüchtigung im Militärdienst" sowie "Körperliche Aktivitäten im sozialen Bereich und in der Umwelt".
Zur theoretischen Unterweisung zählen u.a. das internationale Kriegsrecht, die Pflichten des Soldaten, seine Rolle in der Landesverteidigung und spezielles Fachwissen. Die praktischen Übungen beinhalten z.B. das taktisch richtige Überwinden von Hindernissen, der Schutz vor Minen oder der Gebrauch von Sturmgewehren. Verteidigungsminister Raimonds Bergmanis ist von der Notwendigkeit eines solchen Unterrichts überzeugt. Man müsse in Lettland ein umfassendes Verständnis für die Wehrhaftigkeit entwickeln: "Wir regen dazu an, die Denkparadigmen über die Landesverteidigung zu wechseln, weg von der Vorstellung, dass nur der Soldat mit der Waffe in der Hand und Unterstützung durch die gesellschaftlichen Kräfte der Kämpfer ist, hin zur Überzeugung, dass jeder unter den Patrioten des Landes sich unschätzbare Verdienste um die Landesverteidigung erwerben kann."
Mit der Nationalfahne über der Tafel und militärischen Lehrplakaten an den Wänden
Patriotismus gehört zu den nicht verhandelbaren Grundwerten der lettischen Gesellschaft. Bislang wird Wehrkunde an 18 von 360 lettischen Mittelschulen freiwillig angeboten. Eine Reportage beschrieb, wie dieser Unterricht an einer Rigaer Mittelschule vonstatten geht: mit der Nationalfahne über der Tafel und militärischen Lehrplakaten an den Wänden.
Der befragte Lehrer, der eine militärische und pädagogische Ausbildung hat, zeigt sich von seiner Tätigkeit überzeugt. Das Positive für seine Schüler sei es, dass sie nun mit Stolz durch Rigas Straßen gehen könnten - im Wissen, etwas zum Wohl ihrer Heimat zu tun. Seit der Ukraine-Krise ist die Landesverteidigung ein lettisches Top-Thema. Online-Medien führten die aktuelle Rubrik "Russische Aggression" ein.
Die Vorgänge auf der Krim und im Donezbecken interpretieren Letten vor dem Hintergrund des eigenen historischen Traumas: 1940 okkupierte die Rote Armee die wehrlosen baltischen Republiken, ein installiertes Marionettenregime beschloss den Beitritt zur UdSSR, Jahrzehnte der Repression folgten. Dem Nachfolgestaat der Sowjetunion, der Russischen Föderation, werfen Letten vor, dieses historische Unrecht nicht einzugestehen, stattdessen weiterhin für Unruhe in den Nachbarländern zu sorgen.
Heutzutage vertrauen Letten wie andere Osteuropäer der Nato, insbesondere der Führungsmacht USA, an deren "Koalition der Willigen" sich Soldaten aus allen drei baltischen Ländern beteiligten. Donald Rumsfelds internationale Sturmtruppe startete den Angriff auf den Irak, danach wurde Lettland in die Nato aufgenommen. Die drei baltischen Republiken gehören zu den wenigen Mitgliedern des Bündnisses, die frühzeitig zwei Prozent des BIP für Militärisches ausgeben, Lettland erreicht diese Marke im nächsten Jahr.
Zudem fordern die baltischen Regierungen eine beständige internationale Nato-Basis in ihren Ländern. Das erlaubt aber die Nato-Russland-Akte nicht. Stattdessen rotieren ausländische Nato-Soldaten und beteiligen sich regelmäßig an der hiesigen US-Operation Atlantic Resolve, die internationale Manöver umfasst, an der auch Bundeswehr-Soldaten teilnehmen.