Bankencrash, drohende Wirtschaftskrise und Arbeitskämpfe

Seite 2: Wie sich die neue Krise abzeichnete

Im Dezember veröffentlichte die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) eine Warnung vor weltweit "hohen Finanzrisiken" mit "versteckten Schulden in Höhe von 80 Billionen Dollar". Im Februar verwiesen Aktienstrategen auf den "Fear & Greed-Index" von CNN, wonach die Stimmung in "Greed" (Gier) umgeschlagen sei, weswegen – so die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 11. Februar, sich "die Signale für eine Überhitzung mehren" würden.

Diverse Kryptowährungen befinden sich seit mehr als einem Jahr im freien Fall; 2022 ist der Markt für diese Kunstwährungen um 1,6 Billionen Dollar geschrumpft. Einzelne Handelsplattformen für diese Kunstwährungen mussten geschlossen werden (FTX, Celsius, TerraUSD, Luna). Der Fall des Vielfach-Milliardärs Sam Bankman-Fried, zugleich Gründer der erwähnten Handelsplattform FTX, ist insofern interessant, weil der junge Mann, der sich gerne mit Wuschelkopf und kurzen Hosen präsentierte, bis Mitte 2022 in vielen seriösen Medien als Finanzgenie gefeiert wurde.

Nun gilt er der FAZ als "Krypto-Kanaille", wie es dort am 24. November 2022 hieß. Obgleich wegen Finanzbetrug im Gefängnis, findet er weiter liebevolle Worte an seine Umwelt: "You were my familiy. I've lost that, and our old home is an empty warehouse of monitors" – "Ihr seid meine Familie. Die habe ich verloren. Und unser altes Heim ist eine leere Lagerhalle voller Bildschirme." Bereits damals, vor vier Monaten, kommentierte dies die Financial Times weniger lyrisch: "Das ist eine Situation, die an Lehman Brothers 2008 erinnert."

Und es gab noch weitere solcher Zeichen an der Wand. Im vergangenen Jahr verloren Superreiche wie Elon Musk (Tesla, USA) und Gautam Adani (Adani Group; Indien) jeder für sich mehr als 100 Milliarden Dollar. Dann gibt es inzwischen eine ganze Gruppe von Ländern, die von der Staatspleite bedroht sind. Das trifft zu auf San Salvador, Sri Lanka, Libanon, Argentinien, Laos, Pakistan und möglicherweise auch auf die Türkei. Die Risiken, die von diesen drohenden Staatspleiten für die internationalen Banken ausgehen, liegen addiert bei vielen hunderten Milliarden Dollar.

Vor allem ist China im Wortsinn keine sichere Bank mehr: Das Wirtschaftswachstum liegt auf Rekord-Tief – offiziell im Jahr 2023 gut 5 Prozent, real möglicherweise deutlich niedriger. Das ist zwar wesentlich mehr als das Wirtschaftswachstum in jedem vergleichbaren westlichen Land.

Doch in den vorausgegangenen Jahren lag das Wachstum des chinesischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) meist bei sieben oder acht Prozent; die Exporte wuchsen nochmals schneller. 2022 exportierte China sogar mehr Autos als Deutschland. China wirkte damit als Lokomotive der Weltwirtschaft. Vor diesem Hintergrund wirkt der deutliche Rückgang des chinesischen Wirtschaftswachstums für die internationale Ökonomie als weiterer Krisenfaktor.

Hinzu kommt der gegen China gerichtete Handelskrieg, den die US-Regierung anführt und dem sich europäische Regierungen in wachsender Zahl anschließen. Zumal die USA mit dem im August 2022 beschlossenen Inflation Reduction Act (IRA) – einem gigantischen Subventionsprojekt im Stil von Donald Trumps Losung "Make America great again!" – europäisches Kapital nach Nordamerika umlenken wollen. Auch das wird in China Bremsspuren hinterlassen. Hinzu kommt, dass die Bauindustrie und der Häusermarkt in China von einer Vertrauenskrise erfasst wurden. Der größte chinesische Immobilienkonzern, Evergrande, geriet 2021 und 2022 ins Wanken.

Es gibt auch eine Verbindung zwischen der Bankenpleite in Kalifornien und China. Man ist verblüfft, in der Financial Times vom 13. März das Folgende zu lesen: "Die Silicon Valley Bank war insbesondere unter jungen chinesischen Biotech-Firmen, deren Operationsbasis zwischen den USA und China lag, populär." Die Silicon Valley Bank war auch ein Joint Venture mit der chinesischen Shanghai Pudong Development Bank eingegangen. Auch dieses Joint Venture ist nun von Abwicklung bedroht.

Credit Suisse – systemrelevant hoch zwei

Die aktuelle Krise von Credit Suisse ist nicht neu. Aber brandgefährlich. Bereits im Jahr 2021 machte diese systemrelevante Großbank einen Verlust von 1,5 Milliarden Franken. Im Herbst 2022 rutschte sie in eine gefährliche Schieflage. Anleger zogen jetzt massenhaft ihre Einlagen ab. Die Verluste im Jahr 2022 kletterten auf rekordverdächtige (umgerechnet) sieben Milliarden Euro. Anfang März verlor das Bankhaus seinen Großaktionär, Harris Associates.

Dieser hielt vor einem Jahr noch 10 Prozent der CS-Anteile. Die Neue Züricher Zeitung kommentierte am 6. März diesen für die CS gefährlichen Ausstieg: "Harris Associates, […] gilt als Value Investor, der auf unterbewertete Unternehmen setzt. 'Patience is key' oder 'Geduld ist entscheidend' schreibt Harris Associates marketingwirksam auf seiner Homepage. Jetzt ist die Geduld des US-Investors am Ende, er wollte offenbar um fast jeden Preis raus."

Nur zwei Wochen später weigerte sich ein anderer Großaktionär, die Saudi National Bank (CS-Anteil bisher 9,8 Prozent), ihre Beteiligung an der Bank zu erhöhen. Faktisch verabschieden sich die Saudis damit ebenfalls von der CS. Das dürfte Auswirkungen auf den dritten wichtigen Großaktionär haben, auf die Qatar Holding (CS-Anteil bisher: fünf Prozent). Sollten auch die Kataris bei der CS aussteigen, wird das eine neue Stufe der Krisen-Eskalation bedeuten.

Am Mittwoch stand die Credit Suisse am Abgrund. Die Schweizerische Nationalbank erklärte zu diesem Zeitpunkt noch eher allgemein, "im Bedarfsfall der CS Liquidität zur Verfügung stellen" zu wollen. Am Donnerstag wurde bekannt, dass sich die Credit Suisse bei dieser staatlichen Institution, also bei der Zentralbank der Schweiz, 50 Milliarden Franken leihen wolle. Dass unter solchen Bedingungen der Aktienkurs der CS zunächst deutlich ansteigt, ist naheliegend. Doch die Geschwindigkeit, mit der sich die Krise dieser Bank verschärft, ist atemberaubend – und die damit verbundenen Risiken enorm.

Die Bedeutung der Credit Suisse für das Weltfinanzsystem ist größer als im Fall Lehman Brothers im Jahr 2008. Noch vor einem Jahr verwaltete die Bank ein Vermögen von umgerechnet mehr als 1,5 Billionen Euro. Ende 2022 waren es bereits ein paar hundert Milliarden weniger – es kommt seither zu einem massenhaften Abzug von privaten Anlagen.

Krise und Arbeitskämpfe

Die Beobachtung des weiteren Verlaufs der Bankenkrise und der Börsen-Fieberkurven ist zweifellos interessant. Auch ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es zu einer neuen Wirtschaftskrise kommt – verstärkt aufgrund der Bankenkrise, aber durchaus vor allem ein Resultat des business as usual: Seit Herbst 2022 befinden sich die Frachtraten im freien Fall – das war schon immer ein wichtiger Indikator für einen Rückgang der Weltwirtschaft und oft ein solcher für eine weltweite Rezession.

In Deutschland sank im vierten Quartal 2022 das BIP; bei dem zu erwartenden zweiten Minus im ersten Quartal 2023 existiert – jedenfalls rein technisch gesehen – eine Rezession. Eine solche Rezession gibt es längst in einigen anderen Ländern der Eurozone, so in Finnland, in Estland, in Litauen, in Griechenland und vor allem in Italien. Die Gefahr einer allgemeinen Wirtschaftskrise in der EU ist gegeben.

In dieser insgesamt labilen Situation sind die Arbeitskämpfe entscheidend. Diese stehen durchaus in einem Zusammenhang mit dem Geschehen an den Finanzmärkten. Die Erschütterungen an den Finanzmärkten und die absehbar neuen staatlichen Mittel, die eingesetzt werden dürften, um Banken und Unternehmen zu retten und gleichzeitig die Hochrüstung fortzusetzen, werden – zusammen mit den Kosten des Ukrainekriegs und der Inflation – den Abbau der Realeinkommen beschleunigen.

Massenentlassungen waren bereits vor der aktuellen Bankenkrise an der Tagesordnung (IT-Sektor, Galeria Karstadt, Ford). Ein Erfolg der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften in ihren aktuellen Kämpfen in Großbritannien (gegen Einschränkungen des Streikrechts), in Frankreich (gegen das höhere Renteneintrittsalter) und in Deutschland (gegen Lohnabbau durch Inflation) sind die einzige Möglichkeit, den Generalangriff von Unternehmen, Banken und Regierungen auf die arbeitenden und erwerbslosen Klassen auszubremsen.

Winfried Wolf ist Chefredakteur von Lunapark21 – Zeitschrift zur Kritik der globalen Ökonomie (www.lunapark21.net). Er verfasste Bücher zu den Wirtschaftskrisen 1974/75 ("Ende der Krise oder Krise ohne Ende"; zusammen mit Ernest Mandel; Wagenbach 1979), zum Börsenkrach 1987 ("Cash, Crash & Crisis"; zusammen mit Ernest Mandel; Rasch und Röhring; 1988) und zur Krise 2008 ("Sieben Krisen – ein Crash"; Promedia 2009).

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