Basteln mit DNA
Wer Strukturen im Nano-Maßstab bauen will, braucht ganz spezielles Material. DNA-Stränge erweisen sich hier als überraschend robust
DNA-Stränge haben eine erstaunliche Ähnlichkeit mit Lego-Bausteinen, wenn es darum geht, aus ihnen Objekte zu konstruieren. Statt der Noppen auf den Plastiksteinchen sorgen die Basen-Paare für eine stabile Verbindung, wenn man an den richtigen Stellen ansetzt. Auf den Informationsgehalt der DNA kommt es hier nicht an - genau wie man ja auch Lego-Objekte unabhängig von der Farbe der Steinchen konstruieren kann.
Nun haben allerdings DNA-Stränge im Vergleich zu dem dänischen Spielzeug den Nachteil, dass sie trotz ihrer Länge winzig sind. Das ist zwar praktisch, weil man sehr kleine Objekte herstellen kann - aber diese mit den Fingern oder einer Pinzette zusammenzusetzen, das funktioniert nicht. Man braucht Strukturen, die sich möglichst von selbst zusammensetzen, weil es sich auf chemisch-physikalischer Ebene genau so anbietet.
Optimale Voraussetzungen dafür herzustellen, ist nicht so einfach. Im Lego-Beispiel müsste man die Steinchen derart mit Noppen und Löchern versehen, dass sie nur auf ganz bestimmte Weise zusammenpassen.
Im Nano-Reich gibt es dazu unterschiedliche Vorgehensweise. Bisher hatte man eher versucht, kompakte Objekte zusammenzusetzen, die dann ihrerseits zu größeren Strukturen wachsen können. Ein anderes, spannenderes Verfahren zeigen Forscher jetzt im Wissenschaftsmagazin Nature. Erinnern Sie sich noch an das Zeichenspiel mit dem Haus des Nikolaus? Genau so funktioniert das im Nature-Paper beschriebene Verfahren.
Allerdings ist das Haus des Nikolaus nicht flach, sondern dreidimensional, und als Baumaterial dient kein Strich, sondern ein DNA-Strang. Aber wie im Kinderspiel entsteht das komplette Haus in einem Zug, aus einem einzigen Strang. Man könnte das Verfahren also auch als eine Art von DNA-Origami bezeichnen.
Was heißt das für die nachzubildenden Strukturen? Nun, sie müssen sich in einem Zug zeichnen lassen. Wann das der Fall ist, hat praktischerweise Leonhard Euler schon 1736 gezeigt. Euler hat damals das ähnlich geartete Königsberger Brückenproblem gelöst, indem er die Grundlagen der Graphentheorie schuf. In einem Zug zu zeichnen (oder aus einem einzigen DNA-Strang zusammenzusetzen) sind demnach Figuren, bei denen alle Knoten mit einer geraden Zahl von Verbindungswegen (den Kanten) verknüpft sind (einen solchen Weg nennt man dann "Eulerkreis").
Dass er existiert, davon kann man in der Praxis nicht immer ausgehen. Wenn die Voraussetzung nicht erfüllt ist, konstruieren die Forscher deshalb nun automatisch Hilfswege, sodass die Figur "zeichenbar" wird. Das Praktische dieser Vorgehensweise besteht nun darin, dass die entsprechende 3D-Software bereits existiert - neuartige Software-Tools werden nicht gebraucht. Ebenfalls schon vorhanden sind Programme, die die DNA-Stränge möglichst schonend auf die mathematischen Kanten aufwickeln.
Das Verfahren kann DNA-Skulpturen in allen Formen erzeugen, die sich aus Vielecken konstruieren lassen. 3D-Software rechnet hier meist mit Dreiecken, worüber die Forscher nicht unglücklich sind. Denn solange die drei Kanten stabil sind, gehören Dreiecke zu den stabilsten Formen überhaupt. Die derart gebildeten Nano-Strukturen können deshalb auch unter den Verhältnissen im Körperinneren existieren, wo man sie, so die Hoffnung, als Boten einsetzen könnte, die Medikamente an vorher programmierte Orte liefern.