Bauernproteste: Özdemirs bauernschlauer Trick mit Agrar-Kraftstoffen

Cem Özdemir. Bild (2020): © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0

Subventionen für Agrardiesel werden gestrichen. Versprochen werden sie nun für Biosprit. Eine Win-win-Situation? Über die dunkle Seite des Agrosprits. Kommentar.

Bundesagrarminister Cem Özdemir plant, als Reaktion auf die Bauernproteste sogenannten Agrosprit, das heißt Kraftstoff, der aus Pflanzen wie Zuckerrüben, Getreide oder Raps synthetisiert wurde, zu subventionieren. Das berichtet unter anderem die Frankfurter Rundschau.

Hört sich zunächst nach einem schlauen Schachzug an. Die Bauern bekommen zwar die Subventionen auf den von ihnen in der Landwirtschaft eingesetzten Diesel gestrichen, wie Finanzminister Lindner gestern noch einmal bekräftigte, können aber stattdessen vergünstigten Agrosprit verwenden und haben sogar noch die Möglichkeit, an dessen Herstellung zu verdienen.

Außerdem hat dieser ja irgendwie noch immer ein grünes Image, auch wenn ihn heute kaum noch jemand Biosprit nennt. Also irgendwie eine Win-win-Situation?

Nicht so richtig grün - Energiebilanz und Umweltauswirkungen

Die Sache hat einen großen Haken: An dem synthetischen Kraftstoff ist nichts so richtig grün. Zum einen, weil der direkte und indirekte Energieeinsatz für die Herstellung oft enorm ist.

Letzterer vor allem in Form von Düngemittel- und Pestizideinsatz, die ihrerseits aus unterschiedlichen Gründen bedenklich sind.

Die CO₂-Minderung aufgrund der Nutzung eines nachwachsenden Rohstoffs ist also meist deutlich geringer, als sie erscheint, wenn man nur den ersetzten fossilen Kraftstoff in Rechnung stellt. Der Agrodiesel ist unterm Strich keinesfalls klimaneutral.

Agrokraftstoffe vs. Nahrungsmittelproduktion

Zum anderen stellen die Agrar-Kraftstoffe eine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion dar, in dem sie einen Teil der derzeit besonders knappen Düngemittel verbrauchen und zugleich wertvolle Ackerfläche binden.

Je mehr von ihnen eingesetzt werden, desto stärker ist der Druck auf die Lebensmittelpreise und übrigens auch auf Flächen, die eigentlich besser der Natur überlassen werden sollten.

In Brasilien zum Beispiel wurde der – schon aus anderen Gründen problematische – Zuckerrohranbau für die Ethanolproduktion massiv ausgeweitet und die Weidewirtschaft zum Teil von den fruchtbaren Flächen im Osten verdrängt.

Diese sucht sich nun im Amazonasbecken neuen Raum, wo ihr große Flächen wertvollen Urwalds geopfert werden– oft illegal und begleitet von viel Elend für die Bewohner des Waldes.

Globale Ethanolproduktion und aggressive Eigenarten

Generell lässt sich Ethanol aus der Vergärung jeder zucker- und stärkehaltigen Pflanze gewinnen. Nach Daten der US-Regierung hat die globale Ethanolproduktion 2019 mit 111 Milliarden Liter ihren bisherigen Höhepunkt erreicht und ging in den Pandemie-Jahren leicht zurück.

In den USA wurden 2019 knapp 60 und in Brasilien 33,5 Milliarden Liter hergestellt. Ethanol ist sehr aggressiv und kann selbst Metalle angreifen, weshalb es meist nur dem Benzin beigemischt wird.

Blick auf Deutschland

Hierzulande wurden nach Angaben des Bundesverbandes der deutschen Bioethanolwirtschaft 2022 1,19 Millionen Tonnen dem Benzin beigemischt, was gegenüber dem Vorjahr einer Zunahme von 2,9 Prozent entsprach.

715.500 Tonnen wurden im Inland hergestellt, so der Verband, und zwar 89,8 Prozent aus Futtergetreide und 10,2 Prozent aus Zuckerrübenstoffen. Hinzu kommt ein kleiner, nicht genau bekannter Anteil, der aus Rest- und Abfallstoffen gewonnen wurde. 715.500 Tonnen entsprechen rund 900 Millionen Litern.

Aufwand und Ertrag

Die Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe gibt folgende Liter-Erträge von Ethanol pro Hektar je nach verwendeter Pflanze an: Roggen 2.030, Weizen 2.760, Mais 3.740, Zuckerrüben 6.250. Damit wurden 2022 also für die hiesige Ethanolproduktion rund 350.000 Hektar Ackerfläche in Beschlag genommen, das heißt rund zwei Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Fläche.

Wobei noch nicht einmal genug für den eigenen Verbrauch hergestellt wurde, und es sich nur um den Benzin-Ersatz handelt.

Hinzu kommt noch die Herstellung von Agrardiesel, von dem nach den Daten des Verbandes der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie 2022 in Deutschland wie schon in den Vorjahren 3,5 Millionen Tonnen produziert wurden.

Absatz geht zurück

Der hiesige Absatz geht allerdings seit mehreren Jahren zurück und betrug zuletzt nur noch 1,97 Millionen Tonnen. In Deutschland wird der synthetische Diesel zu rund 55 Prozent aus Raps, zu rund 27 Prozent aus gebrauchtem Speiseöl und zu elf Prozent aus Soja hergestellt. Palmöl, tierische Fette und Fettsäuren haben weitere, aber kleine Anteile.

Und wie hoch ist der Flächenbedarf?

Flächenmanagement

Agrar Heute schrieb 2019, dass 2018 auf 21 Prozent der Ackerfläche in Deutschland, auf 2,445 Millionen Hektar, Energie- und Industriepflanzen angebaut werden.

Mit 1,35 Millionen hat Biogas am meisten Fläche in Beschlag genommen. Danach folgte der Agrardiesel mit 560.000 Hektar und die Ethanolproduktion mit 246.000 Hektar.

Unter anderem wegen dieses wachsenden Flächenbedarfs für Energiepflanzen ist die Förderung für synthetische Kraftstoffe und neue Biogasanlagen schon zu Beginn des letzten Jahrzehnts erheblich reduziert worden.

Lebensmittelkosten und soziale Auswirkungen

Auch wenn also zumindest die kleineren Landwirte dringend entlastet werden müssen, wäre eine Rücknahme dieser Politik, wie der Landwirtschaftsminister vorschlägt, nicht sehr sinnvoll.

Die Folgen könnten weitere Preissteigerungen bei den Lebensmitteln aufgrund verknappten Angebots sein, und zu leiden hätten vor allem einkommensschwache Haushalte, die schon jetzt mit den steigenden Lebensmittelkosten zu kämpfen haben.