Bautzen und die "erlebnisorientierten" oder "eventbetonten" Einheimischen
Auffällig ist, wie die Polizei in Bautzen sprachlich arbeitet, was AfD, NPD und andere dann ausschlachten können - bis hin zu einer "vorläufigen Ruhepause" der Rechtsextremen mit Ultimatum
Die Polizei in Bautzen berichtete heute, es habe letzte Nacht keine "besonderen Vorkommnisse" gegeben. Am Kornmarkt war nach den Vorfällen zwischen Rechten und jugendlichen Flüchtlingen erneut die Polizei "mit einer deutlich sichtbaren Präsenz" zugegen. Es habe "kaum" Anlässe für ein Einschreiten gegeben, wobei man sagen muss, dass für die jugendlichen Flüchtlinge, denen die Polizei vorwirft, die Ausschreitungen "den Angaben nach" begonnen zu haben, ein Alkohol- und vor allem ein Ausgehverbot ab 19 Uhr verhängt wurde.
In Bautzen waren es unbegleitete, minderjährige Asylbewerber, die zum Stein des Anstoßes wurden, weil sie sich gerne am Kornmarkt versammelten, da es dort kostenfreies WLAN gibt. 15-20 von ihnen sollen am Mittwoch, nachdem es dort schon des öfteren zwischen ihnen und "besorgten Bürgern" zu Auseinandersetzungen gekommen war, einer Gruppe von 80 "jungen Männern und Frauen" aus "dem rechten Spektrum" gegenüber gestanden sein, die vermutlich nicht zufällig dort gewesen waren und vielleicht nur auf einen Anlass gewartet haben. Jedenfalls skandierten sie nach Polizeiangaben Parolen, nach denen Bautzen und der Kornmarkt den Deutschen gehöre. Nach Polizeiangaben sei die Gewalt von den jugendlichen Flüchtlingen ausgegangen, worauf die "jungen Männer und Frauen", so Polizeidirektor Kilz während der Pressekonferenz begonnen hätten, sich ihrer zu bemächtigen. Zu dem Zeitpunkt sei die Polizei dazwischen gegangen.
Compact ist natürlich nicht ferne und macht aus den Rechten "zwischen 100 und 200 deutsche Männer und Frauen - Nachtschwärmer, Passanten, Anwohner". Polizeidirektor Uwe Kilz hatte sie als jüngere Jahrgänge" und "überwiegend deutscher Herkunft" bezeichnet. Sie seien zuvor "eventbetont unterwegs" gewesen, was heißt, sie hätten "dieses und jenes Maß Bier" getrunken.
Die AfD sucht den Vorfall natürlich auszubeuten. Sicherheitshalber werden die eventbetonten und alkoholisierten jungen Menschen aus dem rechten Spektrum und deren Gewalt ausgeblendet. Mit denen gibt es nach der AfD keinen Ärger, wohl aber "mit minderjährigen unbegleiteten Asylbewerbern", die oft betrunken seien und Bürger anpöbeln. Kirsten Muster, Mitglied im AfD-Fraktionsvorstand, schreibt, kräftig die Ausländerfeindschaft schürend: "Diese Gewaltspirale und das Wegschauen von Sozialarbeitern und Stadtverwaltung können wir nicht weiter hinnehmen. Es ist ein Unding, dass Minderjährige regelmäßig bis in die Nacht Alkohol trinken und sich auf öffentlichen Plätzen aufhalten. Die staatlichen Betreuer haben ihrer Aufsichtspflicht nachzukommen und diesen Jugendlichen die Regeln unseres Zusammenlebens beizubringen. Der W-Lan Hot Spot sollte ab 20 Uhr auf dem Platz abgeschaltet werden. Es kann nicht sein, dass es erst zu Gewalttaten und einer riesigen Polizeiaktion kommen muss, bis ein Alkoholverbot und eine abendliche Ausgangssperre für die Jugendlichen verhängt wird."
Die NPD heizt die Stimmung an ("Merkels Schützlinge außer Rand und Band!") und spricht wie der Landesvorsitzende Jens Bauer von "Asylantenterror in Bautzen". Mit der "Medienhetze" müsse Schluss sein, gefordert wird "Solidarität mit den Bürgern", gemeint sind die rechten Krawallbrüder, die, wie die Polizei hin und wieder anmerkt, gerne unter Alkohol stehen. Da die Polizei offensichtlich die gewaltbereiten Rechten schont, wird postuliert: "Nur eine abendliche Ausgangssperre und Alkoholverbot für die jungen Krawall-Asylanten, die in Bautzen Polizisten mit Flaschen und Steinen attackierten??? Abschieben, sofort abschieben!"
Die NPD hatte schon im Vorfeld mit "Die Sachsen Demonstrationen" (DSD) Kundgebungen mit Pegida-Aktivisten gegen Füchtlinge durchgeführt und für richtige völkische Stimmung gesorgt. Die Identitäre Aktion Aachen bedankt sich bei "Bautzen", das gezeigt habe: "Widerstand ist möglich!" Überhaupt sieht man hier eine "Zurüstung zum Bürgerkrieg", den man gerne befördern will: "In Bautzen zeichnet sich dieser Tage ab, was Experten, aber auch wir bereits prognostizierten: Die Vorstufe von Auseinandersetzungen, die dereinst zu einem Bürgerkrieg führen könnten. Die Ansiedlung von zumeist jungen und männlichen Migranten in den strukturschwachen Gebieten der neuen Bundesländer, die neben wenig Beschäftigungs- und Arbeitsmöglichkeiten für Einheimische, aber auch Fremde, eine hohe Überalterung aufweisen, sorgt für erhebliches Konfliktpotenzial."
Polizeioberrat Mario Steiner sagt, die Einrichtung des Kontrollbereichs, in dem alle Personen angehalten und überprüft werden können, und die spürbare Präsenz der Polizei würden Wirkung zeigen: "Das städtische Leben konnte zur Normalität übergehen." Zur Normalität scheint da eben auch zu gehören, dass die Flüchtlinge von diesem abends ausgesperrt werden. Das kommt den Rechten entgegen, die gerne "national befreite Zonen" einrichten wollen, in denen Ausländer oder solche Menschen, die man dort nicht sehen will, ausgesperrt bleiben. Dazu müssen die "besorgten Bürger" jetzt nicht mit leiblicher Präsenz und Drohungen mehr auftreten, das machen in Bautzen die Behörden und die Polizei.
Schon am Donnerstag meldete die Polizei, es habe "die unschönen Szenen, wie sie an den vergangenen Abenden am Kornmarkt zu sehen waren", nicht mehr gegeben. Dafür blockierten etwa 300 Rechte den Kornmarkt, von der Polizei geduldet. Wie die Polizei schildert, haben dann um 21:30 "25 Teilnehmer des linksalternativen Spektrums" den Kornmarkt zu einer angemeldeten Versammlung betreten, denen sich "die auf dem Platz anwesenden rund 300 Einheimischen lautstark" entgegenstellten. Die Polizei habe die Lager getrennt. Es kam zu acht Straftaten aus der "Gruppe der Einheimischen", darunter eine Angriff auf einen Journalisten.
"Junge, augenscheinlich erlebnisorientierte Männer"
Dass die Polizei Schwierigkeiten mit der Charakterisierung der ausländerfeindlichen Gruppe hat, zeigt sich schon an der verharmlosenden Charakterisierung als "Einheimische". Da wäre denn auch schon die Frage, ob die Teilnehmer des "linksalternativen Spektrums" keine Einheimischen sind. Tatsächlich heißt es im Polizeibericht, sie wären "in der überwiegenden Mehrzahl aus Dresden und Leipzig angereist", während sich ihnen die "Einheimischen" entgegenstellten. Offenbar gelten nur Menschen aus Bautzen für die dortige Polizei, wo es teilweise Verbindungen zur rechtsextremen Szene geben soll, als "Einheimische", denen man dies wohl ansehen muss.
Schon zuvor, so ist im Polizeibericht vom Donnerstag zu lesen, hätten auf dem Kornmarkt "etwa 150 Schaulustige" eingefunden, wo der Oberbürgermeister der Stadt Bautzen einen "Diskurs mit Anwohnern und Einheimischen" führen wollte: "In der überwiegenden Mehrzahl handelte es sich um junge, augenscheinlich erlebnisorientierte Männer. Sowohl auf dem Platz als auch unter den Schaulustigen waren zahlreiche junge Männer auszumachen, die augenscheinlich dem rechten Spektrum zuzuordnen waren." Mangelnde Bereitschaft scheint vorhanden zu sein, die Zahl der "jungen Männer" aus dem rechten Spektrum abzuschätzen, die ja, wie die Polizei selbst anmerkt, nach Erlebnissen suchten. Ein Beobachter twitterte um 21:10: "Viele eindeutige Nazis mit entsprechender Kleidung. Nur noch wenige "BesoBürger" auf Kornmarkt."
Überhaupt liebt die Polizei den Ausdruck "erlebnisorientiert" für junge Männer aus dem rechten Spektrum, die wohl gut mit Alkohol versorgt und gewaltbereit waren oder sind. Im Polizeibericht für den Donnerstagabend wurde der Ausdruck erneut für "mehrere Kleingruppen erlebnisorientierter junger Frauen und Männer" verwendet, die um den Kornmarkt herum unterwegs gewesen seien: Diese waren überwiegend dem politisch rechten oder linksalternativen Lager zuzurechnen." Der Ausdruck, dem der Polizeidirektor noch "eventbetont" hinzufügte, scheint wiederum verharmlosen zu sollen, dass es sich um teilweise gewaltbereite und bewaffnete Personen handelte. Zudem soll durch den Ausdruck, verbunden mit der Charakterisierung als Einheimische, wohl auch die politische Orientierung hintangestellt werden. Dass die Lage an dem Abend, an dem nach der Polizei angeblich wieder Normalität eingetreten sei, explosiv war, lässt sich aus diesen Angaben im Polizeibericht jedoch ablesen:
Gegen 23:00 Uhr kontrollierten Beamte in der Heringstraße vier Autos mit Dresdener und Zwickauer Kennzeichen. Diese waren mit 21 Personen des linken Spektrums besetzt. In einem Kofferraum fanden die Beamten einen Teleskopschlagstock, ein Einhandmesser, ein Pfefferspray, nach dem Versammlungsgesetz verbotene, mit Quarzsand gefüllte Handschuhe sowie diverse Stöcke und Hölzer. Die Polizisten stellten die Gegenstände sicher.
Offenbar von der starken Präsenz der Polizei auf dem Kornmarkt abgeschreckt, sammelte sich gegen 23:30 Uhr eine Gruppe von etwa 60 Personen des rechten Spektrums im Bereich des Schützenplatzes. Anwohner riefen die Polizei. Manche der jungen Männer sollen den Angaben nach mit Stöckern oder Knüppeln bewaffnet gewesen seien.
Beim Eintreffen von Beamten der Bereitschaftspolizei liefen einige der Personen in den Stadtpark und verstreuten sich. Als die Beamten sie kontrollierten, waren die Männer nicht im Besitz von Schlagwerkzeugen. Bei einer Absuche des Stadtparks entdeckten die Polizisten wenig später 15 Holz- sowie eine Metallstange und stellten diese sicher.
Polizeirevier Bautzen
Derweilen haben die Rechten eine "vorläufige Ruhepause" angekündigt und der Stadt gewissermaßen ein Ultimatum gesetzt. Die angekündigten Demonstrationen fallen aus, man will gnädigerweise auch mit Oberbürgermeister Ahrens sprechen, der Bereitschaft bekundet hat, aber die Drohung ist klar: "Sollte sich die Situation nicht schnell und spürbar ändern, werden wir kurzfristig weitere Veranstaltungen in Betracht ziehen." Dazu heißt es auch von der rechten Gruppe aus streambz#fotografie, Nationale Front Bautzen, rechtes-kollektiv.BZ und Die Sachsen Demonstrationen: "Es ist nun die Aufgabe der Etablierten, Versäumnisse einzuräumen und Missstände zu beseitigen. Wir werden künftig keine Gruppierungen von trinkenden, pöbelnden und aggressiven Asylbewerbern mehr dulden. "
Die Linke in Sachsen sieht in einer gestern veröffentlichten Erklärung in der Darstellung der Polizei eine Verharmlosung der "organisierten rechten Strukturen": "Wenn die Polizei dabei von 'eventorientierten, alkoholisierten' Personen aus dem "rechten Spektrum" spricht, so scheut sie klare Worte: Es sind Nazis und zumindest Rassisten, die 25 Jahre nach den Ausschreitungen von Hoyerswerda einmal mehr eine 'National befreite Zone' in Sachsen erkämpfen wollen. "
Zur Forderung der Rechten warnen sie, dass Stadt und Polizei sich nicht zu "Erfüllungsgehilfen" der Nazis machen dürfen: "Sie versuchen in Bautzen ein Exempel dafür zu statuieren, dass sie ganze Städte in Deutschland beherrschen können. Stadt und Polizei dürfen sich durch Eingehen auf diese erpresserischen Forderungen nicht zu Erfüllungsgehilfen der Nazis machen."