Bayerns Weg nach Osten

Seite 2: Deutsche Unternehmer und die Neue Seidenstraße

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Auch Deutschland ist in das China-Geschäft eingestiegen. Im Gründungskapital der in China beheimateten Asiatischen Infrastruktur Investitionsbank AIIB stecken mehrere Milliarden deutsche Euros. Die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ist involviert, genauso wie die Germany Trade and Invest, eine bundeseigene Einrichtung zur Förderung von Im- und Export sowie Investitionen im In- und Ausland.

Irritierend für deutsche Unternehmer ist das Fehlen einer zentralen Ansprechadresse für mögliches deutsches Investment in Seidenstraßen-Vorhaben: "Die Belt and Road Initiative hat keine eigene Telephonnummer", sagt denn auch Astrid Skala-Kuhmann von der GIZ. Neue Seidenstraße: Das ist eher ein übergreifendes Label als der Name einer zentralen Behörde.

Die Neue Seidenstraße ist für deutsche Unternehmer ein Pionier-Erlebnis. In China selbst sind die Claims eigentlich schon lange abgesteckt, denn es sind bereits etwa 6.000 deutsche Unternehmen in China aktiv. Aber im noch leeren Raum zwischen China und der Ukraine gibt es viele Staaten, die gerade erst aus dem ökonomischen Dornröschenschlaf geweckt werden durch chinesischen Anschub.

"Hier ist noch viel Luft nach oben hin", betont Wirtschaftsminister Pschierer, und Felbermayr spricht etwas flapsig vom "Afrika Eurasiens". Hier könnten deutsche Unternehmen mit Nischenprodukten und Dienstleistungen als Subunternehmer noch einsteigen. Als Generalunternehmer, also als Führer von Konsortien in ehrgeizigen Bauvorhaben, hätten sich längst chinesische Unternehmen eingenistet. Da sei nichts mehr zu vergeben.

Das Misstrauen: Know-How-Übernahme

Und damit kommen wir zu den weniger verlockenden Aspekten einer deutschen Mitarbeit am Seidenstraßenprojekt. Es geht nämlich nicht immer so ganz fair und transparent zu bei der Vergabe von Aufträgen in China. Oftmals verhelfen deutsche Firmen der chinesischen Wirtschaft in Gemeinschaftsunternehmen, den Joint Ventures, zum Erwerb von Know-How, und wenn die Chinesen dann sattelfest in der deutschen Technologie sind, kann der Mohr gehen.

So hatte die deutsche Firma Knorr-Bremse viele Jahre die Technologie chinesischer Eisenbahnen verbessert - um jetzt zu aktuellen Ausschreibungen gar nicht mehr zugelassen zu werden. Das war sogar Thema der diesjährigen deutsch-chinesischen Regierungsgespräche.

"Das ist und bleibt ein Keim des Misstrauens!", stellt Wolfgang Niedermark fest, Mitglied der Delegation der deutschen Wirtschaft in Hongkong. Das ändert aber nichts an der grundsätzlichen Notwendigkeit, in das China-Geschäft einzusteigen, betont Margot Schüller vom Hamburger German Institute of Global and Area Studies GIGA. Dabei dürfe man nicht lockerlassen, auf europäische Sozial- und Umweltstandards zu pochen.

Thilo Ketterer, Vertreter der Firma Rödl & Partner, die von Rechtsberatung über Steuer- und Finanzfragen ihre Klienten aus der Unternehmerszene umfassend im China-Geschäft betreut, wurde nicht müde zu betonen, dass sich die Rechtssicherheit im Reich der Mitte in den letzten Jahren beträchtlich verbessert habe.

Doch damit das Wirtschaftswunder dank der Neuen Seidenstraße zu voller Blüte reifen kann, müssen zunächst zuverlässige Verkehrswege zwischen Shanghai und Duisburg aufgebaut werden. Darum kümmert sich unter vielen anderen Uwe Leuschner als Chef der DB Cargo in Moskau.

Der Schienenverkehr genießt in China höchste Priorität

Russland mit seiner sibirischen Eisenbahn kommt hier natürlich eine Schlüsselrolle zu. Immerhin bereits 5.000 Züge rollen aktuell jährlich die 10.000 Kilometer von Ost nach West und zurück. Tendenz: Jedes Jahr steigt das Verkehrsaufkommen um 30%.

Wieder ist China der große Zahlmeister, denn jeder Lastcontainer über diese Strecke wird von China mit 2.000 Euro bezuschusst. Der Schienenverkehr genießt in China höchste Priorität, denn den Planern in China ist klar, dass Mobilität im umweltfeindlichen Individualverkehr auf der Straße für 1.4 Milliarden Chinesen nicht möglich ist.

Während in Europa und den USA der Schienenverkehr vor sich hin rottet, erlebt die Eisenbahntechnik in China einen imponierenden Innovationsschub. Womöglich schon bald werden Hochgeschwindigkeitszüge mit Spitzengeschwindigkeiten von 350 Km/h die riesige Weite Eurasiens in anderthalb Tagen durchpflügen und damit die Umweltkiller Flugzeug oder Schiff ablösen.

Schon heute ist der chinesische Eisenbahnbauer CRRC größer als alle Konkurrenten wie unter anderem Siemens und Alstom zusammengenommen. Auch bei Grüner Technologie hat China allen anderen Ländern den Rang abgelaufen, wie aus mehreren Beiträgen auf dem Nürnberger Kongress unzweideutig hervorging.

"Keine China-Strategie"

Wie stellt sich nun Europa zu den produktiven Herausforderungen aus dem Reich der Mitte? "Wir haben in den letzten Jahren wenig zu sagen gehabt!", beklagt DB Cargo-Mann Uwe Leuschner und moniert, dass Europa bislang noch immer keine konsistente China-Strategie entwickelt hat. Dieser Befund durchzieht auch alle anderen Beiträge auf diesem ersten großen China-Kongress in Deutschland.

Es ist sicher nicht vermessen zu sagen, dass sich Europa mit seiner marktradikalen Staatsdemontage selber massiv ins Knie geschossen hat. Die Staaten in Europa sind zu handlungsschwachen Eunuchen verkommen, die die Entwicklung grundlegender Paradigmen der Politik an multinationale Banken und Konzerne und nicht zuletzt an politische Stiftungen übergeben haben. Und diese haben die Schlüsselkompetenzen wiederum an die vom European Round Table of Industrialists gesteuerte Europäische Union abgegeben1.

Statt proaktiver zukunftsorientierter Zielvorgaben nur noch ein kurzfristiges Lavieren von einer Wahlperiode zur nächsten, mit öffentlich ventilierten Themen, die von Werbefirmen vorgegeben werden, und die mit den wirklichen Problemen nichts zu tun haben … Demgegenüber sagte der Politikwissenschaftler Wang Yiwei kürzlich in einer ZDF-Dokumentation: "Ihre Politiker denken immer nur von einer Wahl zur nächsten. Wir denken und planen für Generationen!"