Bei Jugendlichen ist Prominenz zum höchsten Wert geworden

Drastisch hat sich nach einer Studie von US-Psychologen der Wertekanon der amerikanischen Jugendlichen seit Ende der neunziger Jahre verändert

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In einer Mediengesellschaft, in der Aufmerksamkeit eines der wichtigsten und oft auch einträglichsten Güter ist, steht der Wunsch, berühmt und bekannt zu sein, bei vielen Menschen ganz oben. Dabei kann es mitunter auch völlig egal sein, mit was Aufmerksamkeit erregt wird, Hauptsache es wird Prominenz erzeugt und damit die Hoffnung, auch gesellschaftlich und finanziell die Sprossenleiter nach oben zu gelangen. Die Vielzahl der Castingshows ist Ergebnis und Verstärker dieses Trends. Versprochen wird, dass jeder ein Star werden kann, der ein bisschen was kann und einigermaßen aussieht.

Attraktiv ist dies zumindest in einer von wachsender Ungleichheit gekennzeichneten Gesellschaft, die wenig durchlässig erscheint, so dass nicht Arbeit, Leistung und Belohnung, sondern Zufall und "Begabung" den einstig versprochenen Aufstieg vom Tellerwäscher zum Millionär oder heute Milliardär versprechen. Schließlich scheinen viele auch durch Zocken an den Börsen und Wagemut nach oben zu kommen, die anderen Seitenwege stehen manchen Sportlern und Künstlern offen. Sind Gesellschaften im Umbruch oder wankt die Ideologie des Erfolgs, dann öffnen sich mitunter andere Karrieren, die Abenteuer und eine andere Welt versprechen, wie dies gerade im arabischen Raum geschieht, aber auch die Jugend in den europäischen Pleiteländern erfasst hat. Aber solange in den fest gefügten sozialen System die Durchlässigkeit nach oben fehlt, wird der Kult der Aufmerksamkeit dominant, weil der Erwerb von Prominenz ein Ausbrechen aus der eigenen Schicht und einen Aufstieg zur herrschenden Schicht der Reichen und Superreichen verspricht und den Narzissmus fördert.

Kein Wunder, wenn Kinder auf diese versprochene Karriere setzen und sie attraktiv finden, scheint sie doch einen schnellen Sprung nach oben zu versprechen, was gerade in Zeiten, in denen die soziale Mobilität wieder geringer wird, verführerisch ist. Nach einer von Psychologen der University of California in Los Angeles durchgeführten Umfrage unter 9-11-jährigen Schülern, die Studie wurde in der Zeitschrift Cyberpsychology veröffentlicht, ist nun "fame" (Ruhm oder Prominenz) zum obersten Wert der Kinder geworden. Gebeten wurden die Kinder, den Darstellern der zwei jeweils in einem Jahrzehnt bei US-Teenagern beliebtesten Fernsehserien (z.B. "American Idol" und "Hannah Montana" in 2007) Werte wie Tradition, finanzieller Erfolg, Popularität, Gemeinschaftsgefühl, Selbstakzeptanz oder Nächstenliebe zuzuordnen.

Die Veränderungen sind mitsamt der Karriere des Ruhms bemerkenswert. Bei früheren Umfragen lag Ruhm 1987 und 1997 noch an 15. Stelle. Zwischen 1997 und 2007 hat sich offenbar viel in der Kultur verändert, da hier Ruhm auf den ersten Platz emporstieg, während Nächstenliebe von zweiten auf den sechzehnten und Tradition vom vierten auf den fünfzehnten abfielen. Auch mit dem Gemeinschaftsgefühl geht es in der zunehmend individualistischen Konkurrenzgesellschaft abwärts. Es lag 1967, 1977 und 1997 noch an erster Stelle, 1987 an zweiter, 2007 aber nur noch an elfter Stelle. Und auch Spiritualismus hat ausgedient, ebenso wie Sicherheit oder Konformität.

Kann gut sein, dass sich inzwischen die Werteskala der jungen Menschen wieder verändert hat. Schließlich hat die Finanz- und Schuldenkrise am Bild des anstrengungslos erreichbaren Reichtums genagt und vorgeführt, dass die Eskapaden ethisch und politisch kaum vertretbar sind. 2007, soweit hinkt die Wissenschaft hinterher, waren aber noch nach dem Ruhm Erfolg, Popularität, Anerkennung (image) und finanzieller Erfolg die wichtigsten Ziele. Die Psychologen führen die drastische Veränderung neben dem Fernsehen zwischen 1997 und 2007 auf das Aufkommen von YouTube, Facebook oder Twitter zurück, die den Narzissmus fördern und die Empathie mindern sollen. Und mit den Teenager-Stars, die die Kinder und Jugendlichen im Fernsehen oder im Internet sehen, werde der Wunsch eben stark, ebenso bekannt, anerekannt und reich zu werden.