Berlin stoppt Investitionsgespräche mit De-facto-Regierung in Bolivien
Wirtschaftsministerium sieht keine Möglichkeit, einen Vertrag rechtssicher und stabil zu verhandeln
Die Bundesregierung wird in Reaktion auf die Aufkündigung eines Deals zur Industrialisierung von Lithium aus Bolivien Verhandlungen mit dem südamerikanischen Land über Förderung und Schutz von Investitionen auf Eis legen. Das sagte der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Peter Hirte, auf Nachfragen aus der Linksfraktion. Die Ankündigung der De-facto-Regierung, einen Vertrag mit der baden-württembergischen Firma ACI Systems Alemania aufzukündigen, hatte zuvor schon für erhebliche diplomatische Irritation gesorgt.
In der Fragestunde im Bundestag erkundigte sich die Außenpolitikerin der Linken, Heike Hänsel, nach der Reaktion auf die Entscheidung in La Paz. Hänsel verwies auf eine Reaktion des deutschen Botschafters in Bolivien, Stefan Duppel, der die angekündigte Auflösung eines Joint-Ventures mit ACI Systems Alemania als "schweren Rückschlag für die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen und die internationale Glaubwürdigkeit Boliviens bei Investitionen" bezeichnete.
"Es ist definitiv so, dass die politische Lage in Bolivien nicht einfacher geworden und auch nicht stabiler geworden ist", so Hirte. Unter anderem deswegen werde die Bundesregierung einen Vertrag zur Förderung und zum Schutz von Investitionen nicht weiter verfolgen. "Wir sehen schlichtweg nicht, wie wir diesen (Vertrag) momentan rechtssicher und stabil verhandeln können", sagte der Staatssekretär. Hänsel verwies indes darauf, dass die De-facto-Regierung "nicht demokratisch gewählt wurde und durch einen Putsch an die Macht gekommen ist". Zugleich hinterfragte sie das demokratische Mandat der politischen Führung und ihre Legitimation, eine derart weitreichende Entscheidung über ein Wirtschaftsabkommen zu treffen.
Die De-facto-Regierung in Bolivien hatte unlängst angekündigt, das Abkommen mit ACI Systems zur Industrialisierung von Lithium definitiv zu kündigen. Nach Angaben des rechtsgerichteten Politikers Humberto Leigue soll eine "einvernehmliche Lösung" gefunden werden, um eine Unternehmensstruktur aufzulösen, die von der gestürzten Regierung von Präsident Evo Morales und ACI Systems gegründet wurde, um das Lithium im Salar de Uyuni in Potosi auszubeuten. Leigue bezeichnet sich in der De-facto-Regierung von Senatorin Jeanine Áñez als stellvertretender Minister für Elektrizität und alternative Energien.
Damit vollzieht die nicht gewählte Staatsführung einen offenen Bruch mit den deutschen Geschäftspartnern und provoziert bilaterale Spannungen. Der Vertrag zwischen ACI Systems, weiteren Partnern und Bolivien war Ende 2018 in der baden-württembergischen Landesvertretung in Berlin unter anderem im Beisein von Wirtschaftsminister Peter Altmeier (CDU) und Boliviens Außenminister Diego Pary unterzeichnet worden.
Als Proteste in der Förderregion die inzwischen gestürzte Morales-Regierung im November 2019 zwangen, die Lithium-Förderung des deutsch-bolivianischen Mischunternehmens vorläufig zu stoppen, rief ACI Systems mit Sitz im baden-württembergischen Zimmern ob Rottweil erneut Altmaier zu Hilfe. Die damalige bolivianische Regierung beteuerte hinter den Kulissen, dass das Projekt nach Erarbeitung eines neuen Verteilungsschlüssels für die Einkünfte aus der Lithium-Förderung wieder aufgenommen werden könne. Davon will die nun amtierende De-facto-Regierung nichts mehr wissen.