Bernie Sanders hatte Trumps Putsch-Strategie vorhergesehen

Immerhin seine Prognose stimmte: US-Senator Bernie Sanders. (Bildquelle: berniesanders.com)

Aber niemand hat auf ihn gehört. Nun stellt sich auch in Deutschland Katerstimmung ein

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In den USA tritt noch in der Wahlnacht ein, was viele befürchtet haben und ebenso viele nicht wahrnehmen wollten: Trotz noch anderslautender Auszählungsergebnisse hat sich Amtsinhaber Donald Trump um drei Uhr morgens (Ortszeit) zum Wahlsieger erklärt (Trump: "Ehrlich gesagt, wir haben die Wahl gewonnen"). Zu diesem Zeitpunkt lag der Republikaner bei 48,5 Prozent, sein Herausforderer Joe Biden von der Demokratischen Partei bei 49,7 Prozent. Allerdings fiel das Rennen zu diesem Zeitpunkt schon knapper aus, als von Umfrageunternehmen prognostiziert. Und einige der "battleground states", in denen Trump bessere Chancen hat, waren noch nicht ausgezählt.

Er habe die Wahl gewonnen, so Trump in den frühen Morgenstunden. US-Medien prognostizierten zu diesem Zeitpunkt allerdings noch keinen Gewinner. Juristisch hat die Siegeserklärung des Amtsinhabers zwar kein Gewicht. Trump schafft damit aber Fakten, denen später nur schwer etwas entgegenzusetzen sein wird. Dabei wurde er durchaus konkret: Er werde versuchen, die Auszählung offener Briefwahlstimmen gerichtlich stoppen zu lassen.

Nun ist es nicht so, dass diese Entwicklung aus heiterem Himmel kommt (Wahlspektakel). "Nach meiner Ansicht sollte jede Stimme gezählt werden", hatte auch der Demokratische Senator Bernie Sanders in der Late-Night-Show des US-Komikers und Moderators Jimmy Fallon gesagt. In US-Bundesstaaten wie Michigan, Pennsylvania oder Wisconsin seien zahlreiche Briefwahlstimmen für die Demokraten zu erwarten, deren Auszählung sich hinziehe. Aus unerfindlichen Gründen sei es eben so, dass Demokraten eher zur Briefwahl neigen, während Republikaner ihre Stimme in den Wahllokalen abgeben. "Meine Befürchtung ist nun, dass Trump am Wahlabend in Michigan, Pennsylvania und Wisconsin zunächst vorne liegt, dann vor den Fernsehkameras auftritt und sagt: 'Danke, Amerikaner, dass Ihr mich wiedergewählt habt, die Sache ist gelaufen, schönen Tag noch'."

Trump erklärt sich zum Sieger und will Auszählung stoppen

Parallel zu seiner Selbsternennung zum Wahlsieger griff Trump die Demokraten scharf an. Um 2.21 Uhr betrat er den Ost-Saal des Weißen Hauses und behauptete ohne Beweise, dass ihm der Wahlsieg "von einer sehr traurigen Gruppe von Menschen" gestohlen werden solle.

"Dies ist ein Betrug an der amerikanischen Gesellschaft", sagte er vor einer Gruppe von Anhängern. Seine kurze Ansprache sei von "einer rücksichtslosen und unbegründeten Serie von Behauptungen über den demokratischen Prozess" gekennzeichnet gewesen, so New-York-Times-Korrespondentin Annie Karnie, die Trump weiter zitierte: "Dies ist eine Schande für unser Land. Wir haben uns darauf vorbereitet, diese Wahl zu gewinnen. Offen gesagt, wir haben die Wahl gewonnen."

Der Präsident sagte, er wolle die Auszählung der Stimmen stoppen und das Ergebnis der Wahl in die Hände des Obersten Gerichtshofs legen. "Wir wollen, dass alle Abstimmungen gestoppt werden", sagte er.

In Deutschland stellt sich angesichts der Entwicklung bereits Katerstimmung ein. Die US-Wahl werde zur "Zitterpartie", schrieb das Online-Magazin Der Spiegel; die Tagesschau berichtete von einem "Kopf-an-Kopf-Rennen".

SPD-Politiker Niels Annen gestand am frühen Morgen im Interview mit dem Deutschlandfunk ein, Wahlforscher und Beobachter hätten die Mobilisierungsfähigkeit von Trump wohl unterschätzt. Angesichts solcher Wortmeldungen konnte man sich des Eindrucks eines Déja-vù zur Wahl 2016 nicht erwehren, als deutsche Leitmedien die Kandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, vorab zur Siegerin erklärt hatten, um nach Trumps Wahlsieg dann aus allen Wolken zu fallen.

Daran erinnerte auch Annen. Nach der letzten US-Präsidentschaftswahl sei man durchaus auf Überraschungen eingestellt gewesen, so der Staatsminister im Auswärtigen Amt. Sein SPD-Parteigenosse Sigmar Gabriel - zugleich Vorsitzender des Vereins Atlantik-Brücke - warnte indes vor einem "außenpolitischen Vakuum". Sollte der Konflikt um den Wahlausgang in den USA anhalten, würde das diejenigen freuen, "die das Vakuum füllen wollen. Das sind China, Russland, die Türkei". Was zeigt: Die transatlantische Brücke hat schon jetzt deutliche Risse.