USA: Wahlspektakel
Donald Trump sorgt erfolgreich dafür, dass die Wahl zu einem spannenden und bedrohlichen Ereignis wird. Ob er davon profitiert, ist die offene Frage
Wie Axios berichtet, soll Donald Trump Vertrauten, die es nicht vertraulich behielten, gesagt haben, dass er schon am Dienstagabend seinen Wahlsieg verkünden werde, wenn es so aussehe, als würde er gewinnen können. Vor Journalisten wies er das zurück, erklärte aber, es sei "schrecklich", wenn die Ergebnisse nicht am Wahlabend gezählt werden könnten. Wegen der großen, auch durch Covid-19 bedingten Beteiligung der Amerikaner an der Briefwahl wird das Ergebnis wohl erst Tage danach feststehen.
Trump irrlichtert herum, scheint aber die Absicht zu haben, die Wahl zu einem Ereignis zu machen, das das Land in Aufruhr versetzt. Gerade hat er wieder gezeigt, dass die Einschüchterung zu den Methoden gehört, die er schätzt. Trump-Anhänger haben auf der Straße einen Biden-Wahlkampfbus mit ihren Fahrzeugen bedrängt, das FBI untersucht den Vorfall. Trump meint dazu und ruft damit seine Anhänger und Milizen zur Nötigung auf, Sympathisanten der Demokraten von der Beteiligung der Wahl abzuschrecken:
In my opinion, these patriots did nothing wrong. Instead, the FBI & Justice should be investigating the terrorists, anarchists, and agitators of ANTIFA, who run around burning down our Democrat run cities and hurting our people!
Donald Trump
Dazu passt, dass er sich nur halbherzig von Extremisten und schwer bewaffneten Milizen distanziert. Sein Wahlkampfteam ruft zur Teilnahme an einer "Armee für Trump", um angeblich die Wahl zu beobachten, aber wohl eher, Wähler in eher demokratischen Wahlbezirken abzuschrecken und einzuschüchtern. Das ist auch vor Trump in der angeblichen Vorbilddemokratie schon lange praktiziert worden.
Ob Trump, der, so The New Yorker, ein Impeachment, 26 Beschuldigungen sexueller Vergehen und um die 4000 Prozesse überstanden hat, wirklich gegen eine Niederlage vorgehen wird, ist nicht klar. Manche glauben, er muss an der Macht klammern, um einer drohenden Pleite wegen großer Verschuldung zu entgehen, andere gehen davon aus, dass Trump einfach nicht verlieren kann. Trump hat jedenfalls ein Gespür für die Aufmerksamkeitsökonomie, aus möglichst Allem Spannung zu machen, vor allem jetzt aus der Wahl. Die Strategie der Spannung, alles offen zu halten, gehört dazu. Alles Mögliche kann passieren, die Menschen haben entsprechend Angst, fürchten den Ausbruch von Gewalt und rüsten sich mit Schusswaffen weiter auf.
Was ziemlich sicher zu erwarten ist und aus der Wahl ein Medienereignis machen wird, sind Störmanöver wie der Plan, sich vorzeitig als Sieger auszurufen, um die weitere Auszählung zu diskreditieren. Zwar wird in den USA weiter von den Versuchen gegnerischer Staaten, allen voran Russland, fantasiert, die die Wahl desavouieren und das Vertrauen in die demokratischen Institutionen untergraben wollen, aber der Hauptfeind ist der amtierende Präsident und seine republikanische Anhänger. Er versucht schon lange zu versichern, dass seine Niederlage nur durch Manipulation möglich und dass die Hauptachse der Manipulation die Briefwahl sei.
Aber es könnte auch nur etwas langweiliger zugehen, wenn Trump - was aber auch die andere Seite machen dürfte - die Korrektheit der Wahlergebnisse in einzelnen Bundesstaaten juristisch bezweifelt. Das kann dann bis zum Supreme Court gehen, wo Trump mit der Hilfe der republikanischen Senatoren noch schnell eine konservative Richterin auf Lebenszeit einsetzte. Das Mehrheitsverhältnis im Supreme Court ist eindeutig konservativ-republikanisch, daher könnte Trump hier gute Chancen haben, nicht nur Nachzählungen zu erzwingen, sondern auch an der Macht zu bleiben. Dazu gibt es auch ein Vorbild. 2001 hatte George W. Bush eigentlich nach 9/11 die Wahl verloren, aber der Supreme Court brach wegen des ausgerufenen Kriegs gegen den Terror die Nachzählung in Florida ab, wodurch Bush legitimer Präsident wurde. Medien ließen zwar eine Nachzählung durchführen, hielten deren Ergebnis aber zurück, um nicht die Legitimität des Präsidenten als obersten Kriegsherrn gegen den islamistischen Terrorismus und Saddam Hussein in Frage zu stellen.
In der Regel kann Trump wie seit 2016 immer, die Medienberichterstattung auf sich konzentrieren. Aber was würde das Biden-Lager machen, wenn Trump sich zum Präsidenten erklärt und die Ergebnisse den Wahlsieg bestätigen zu scheinen. 2016 ließen die Grünen mit Unterstützung der Demokraten die knappen Ergebnisse in einigen Swing States nachzählen. Vergeblich. Dieses Mal ist aber das Land noch sehr viel weiter gespalten. Mag sein, dass Biden und Harris eine Wahlniederlage einräumen. Aber werden das auch alle diejenigen, die nicht länger unter einer Trump-Präsidentschaft leben wollen? Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt fanden schon in vielen Städten statt, Trump hat sie befeuert. Es könnte sich schnell eine neue Protestbewegung entwickeln. Mit hartem Vorgehen der Sicherheitskräfte könnte es auch schnell zur Gewalteskalation kommen.