Beschleunigte Evolution - für den ökologischen Landbau?

Seite 3: Risiken und ethische Fragen

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Geht es bei Genome Editing tatsächlich um das Wohl der Menschen? Gerade bei der Anwendung in der Humanmedizin gibt es viele offene Fragen. So ist es zum Beispiel eine Sache, Krankheiten auszuschalten, eine andere ist es, Pflanzen, Tiere, Menschen zu perfektionieren. Wo zieht man die Grenze?

Wird Behinderten und den mit Makel Behafteten schon vor ihrer Geburt das Lebensrecht verweigert? Dürfen eines Tages nur noch genetisch perfekte, fehlerfreie Menschen den Planeten bevölkern? (siehe: Durchbruch der Gentherapie von Menschen mit der Hilfe von Genscheren?) Käme die Genschere in die falschen Hände, räumt die Wissenschaftlerin Jennifer Doudna ein, ließe sich damit eine wie auch immer geartete Eugenik betreiben.

Seit mehr als 30 Jahren begleitet das Gen-ethische Netzwerk kritisch alle Bio- und Reproduktionstechnologien. Würden bei der medizinischen Anwendung von Crispr-Cas auch unbeabsichtigte Effekte diskutiert, so blieben diese bei der Nutzung in der Agro-Gentechnik völlig unbeachtet, heißt es in einer Stellungnahme vom Januar 2017.

So können monogenetische Resistenzen zwar Abhilfe gegen Pilzkrankheiten schaffen, in der Praxis aber passen sich Fusarien und andere Schädlinge schnell an die Pflanze an. Kritisiert wird auch der ganze Wissenschaftsbetrieb drum herum: Wissenschaft muss medial und ökonomisch verwertbar sein.

Forschungsgelder bekommt nur, wer am lautesten mit spektakulären Ergebnissen um die Aufmerksamkeit der Investoren wirbt. Misserfolge werden gar nicht erst veröffentlicht. Unter all dem leide sowohl die Qualität der wissenschaftlichen Arbeit als auch deren kritische Überprüfung von Forschungsergebnissen, kritisiert die Initiative.

Landbewirtschaftung: Das System verändern, anstatt einzelne Gene

Die Auswirkungen und Risiken von Crispr-Cas sind noch nicht ansatzweise erforscht. Auch deshalb distanzieren sich die Öko-Verbände von der neuen Gentechnik, wobei sie sich vor allem auf das Vorsorgeprinzip berufen. Dieses müsse Vorrang vor der Freisetzung genmanipulierter Pflanzen haben, um Gesundheit und Umwelt zu schützen.

Vor diesem Hintergrund fordern sie eine strikte Kennzeichnung der gentechnisch veränderte Produkte. So setzt sich Felix zu Löwenstein, Vorstandsvorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), für eine traditionelle, standortangepasste Pflanzenzüchtung ein. Anstatt an einzelnen Genomen herumzubasteln, hält er es für sinnvoller, das ganze System der Landbewirtschaftung zu verändern.

Nur in der ökologischen Zucht werde die Entwicklung von Resistenzen gegen Pflanzenkrankheiten auf eine breite Basis gestellt. Konkret müsste zum Beispiel die Bodenfruchtbarkeit gefördert, die Wasserspeicherfähigkeit der Böden erhöht und überhaupt die Pflanzen als Ganzes gestärkt werden, damit sie Schaderregern oder Witterungen besser widerstehen können.

Die damit verbundenen Anstrengungen dürften vermutlich größer sein als diejenigen, die es braucht, um ein Gen in einer Pflanze auszuschalten. Langfristig aber wäre eine ökologische, gentechnikfreie Landwirtschaft nicht nur umweltverträglicher, sondern auch billiger. Denn bei den neuartigen Gentech-Methoden geht es wie immer ums Geld - zunächst um die Millionen, die in die Forschung gepumpt werden.

Dann geht es um die Frage, wer ein Patent auf die neuen Verfahren anmelden darf. Denn auch der Markt der Patentierungen ist hart umkämpft. Und nicht zuletzt geht es um die Profite, die Chemie- und Saatgutkonzerne anschließend einstreichen. Vor allem für sie soll sich das Geschäft lohnen.

Tipps:
Christoph Then: Synthetische Gentechnik und CRISPR-Cas - die Risiken im Überblick

Informationsdienst Gentechnik: Neue Gentechniken