Besetzung von Expertengremien: Bundesregierung schätzt Zivilgesellschaft wenig
Stattdessen holt sie sich oftmals Rat bei Vertretern der Wirtschaft, zeigt eine neue Studie. Auch wenn die Zivilgesellschaft eingebunden wird, bleibt der Blick verengt. Das sind die Gründe.
Der Deutsche Ethikrat ist seit Jahren in den Medien präsent. In der Vergangenheit hat sich das Gremium zu verschiedenen Themen geäußert: zum Inzestverbot, zu Robotik und Pflege oder etwa zu Mensch-Tier-Mischwesen in der Forschung.
Doch spätestens seit der Coronapandemie dürfte das Gremium den meisten Menschen in Deutschland ein Begriff sein – zumindest die Vorsitzende Alena Buyx, die während der Pandemie aus der öffentlichen Diskussion kaum wegzudenken war.
Weniger bekannt ist, wer außer ihr dem Gremium angehört und warum diese Personen in den Deutschen Ethikrat berufen wurden. Damit unterscheidet er sich kaum von anderen Expertengremien, die die Bundesregierung auf die eine oder andere Weise beraten.
Im Februar veröffentlichte die Otto Brenner Stiftung (OBS) die Studie "Gut beraten? Zur Rolle der Zivilgesellschaft in Sachverständigengremien", in der sie der Frage nachging, wie sich die Gremien zusammensetzen und wie transparent die Berufung ihrer Mitglieder ist.
Mit der Transparenz ist es dabei nicht weit her: Die Autorinnen der Studie konnten 302 solcher Gremien identifizieren. Doch nur bei 223 konnten die notwendigen Informationen ermittelt werden. Auch Anfragen bei den Ministerien wurden teilweise abgelehnt.
"Der begrüßenswerte Anspruch der Ampelkoalition, ein transparenteres Regierungshandeln zu praktizieren, wird sich auch daran messen lassen müssen, ob diese austernähnliche Verschlossenheit aufgebrochen und die gepflegte Intransparenz überwunden werden kann", resümiert OBS-Geschäftsführer Jupp Legrand.
Die Untersuchung bezieht sich auf die Jahre 2017 bis 2021, in denen die Große Koalition aus Sozial- und Christdemokraten im Bund regierte. Unter der Ampel-Regierung seien aber "keine grundlegenden oder systematischen Veränderungen festzustellen", erklärten die Autorinnen gegenüber der Frankfurter Rundschau. Das sei auch nicht verwunderlich, da die Gremien nicht nur für die Dauer einer Legislaturperiode, sondern für längere Zeiträume einberufen würden.
In den untersuchten Gremien waren rund 4.200 Mitglieder tätig. Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft machten dabei den größten Anteil aus. Wissenschaftler stellten rund ein Drittel der Gremienmitglieder, Wirtschaftsvertreter rund 29 Prozent.
Nur knapp 14 Prozent gemeinwohlorientierte Akteure aus der Zivilgesellschaft
Der Anteil der Wirtschaftsvertreter variiert je nach Ressort. In den Beratungsgremien des Bundeswirtschaftsministeriums stellen sie laut Studie 66 Prozent der Mitglieder. Auch im Finanzministerium und im Verkehrsministerium sind sie demnach stärker vertreten als alle anderen Gruppen.
Nur knapp 14 Prozent sind gemeinwohlorientierte Akteure aus der Zivilgesellschaft. Lediglich in den Gremien des Entwicklungsministeriums sind sie mit 60 Prozent dominant vertreten. In den Beratungsgremien des Familienministeriums und des Verteidigungsministeriums erreichen sie jeweils mehr als 30 Prozent.
Vertreter der Zivilgesellschaft kommen meist aus großen Organisationen wie Kirchen, Wohlfahrts- und Naturschutzverbänden oder Gewerkschaften. Dies werde dem zunehmenden Pluralismus in der Gesellschaft nicht gerecht, so das Fazit der Studie. Zudem kritisieren die Autorinnen der Studie, dass sich darin "ein mangelndes Verständnis der Politik für die Vielfalt der Zivilgesellschaft" zeige.
Dass immer wieder die "üblichen Verdächtigen" berufen würden, liege aber auch daran, dass es keine offiziellen Verfahren und Kriterien für die Besetzung der Gremien gebe, erklärte Studienautorin Siri Hummel.
Zudem gebe es eine gewisse rechtliche Grauzone: Verbänden werde per Gesetz und Geschäftsordnung ein privilegierter Zugang zum politischen System garantiert. Aber der Begriff des Verbandes ist rechtlich und wissenschaftlich nicht klar definiert", so Hummel. Deshalb bleibe weitgehend unklar, wer beteiligt werden müsse.
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