Best before 12/2002
MS-DOS, Windows 3.x und Windows 95 sind laut Microsoft an ihrem Lebensende angelangt
Eigentlich hat man es bei einem Betriebssystem nicht mit Eiern, Nudeln oder Yoghurt zu tun, auf denen ein Mindesthaltbarkeitsdatum aufgedruckt ist, nach dessen Erreichen sie verfallen und nicht mehr verwendet werden sollten. Bei Microsoft ist dies der Fall. Schon im Oktober diesen Jahres hatte der Software-Riese im Rahmen seiner Product Life-Cycle Road Map angekündigt, dass MS-DOS, Windows 3.x, Windows 95 und Windows NT 3.5 am 31.12.2002 ihr End of Life erreicht haben. Danach wird für diese Betriebssysteme weder eine Lizenz erwerbbar sein, noch wird telefonisch und auch nicht online Support geliefert.
Laut seiner Lifecycle-Policy können gewerbliche Nutzer erst ab Windows 2000 Professional aufwärts dann fünf Jahre ab Erscheinen der Software mit Support rechnen, der gegen Bezahlung um zwei Jahre verlängert werden kann. Im Konsumentenbereich kann der Kunde ebenfalls die ersten fünf Jahre Support für das Produkt erwarten, insgesamt acht Jahre lang steht der Online Selbsthilfe-Support zur Verfügung. Der Grund hierfür ist rein finanzieller Natur. "Wir müssten auch die alten Support-Sites weiter pflegen, und das ist teuer", erklärt ein Microsoft-Sprecher. Der Software-Riese empfiehlt seinen Kunden lieber, auf eine aktuellere, da mit mehr Performance und mehr Sicherheit ausgestattete Windows-Version upzudaten.
So naht also, zumindest offiziell, das Ende jenes Betriebssystems, das wie kein anderes die Entwicklung des Personal Computers in über zwei Jahrzehnten entscheidend geprägt hat. Als Bill Gates im August 1981 die Version 1.0 des damals für IBM entwickelten "Disc Operating Systems" vorstellte, konnte keiner den Erfolg erahnen. Ursprünglich bestehend aus 4.000 Zeilen Assembler-Programmcode und in der Lage, 64 Kilobytes Arbeitsspeicher zu adressieren, wurde MS-DOS stetig der noch langsamen technischen Entwicklung im PC-Markt angepasst. Mit der Möglichkeit, auch große Festplatten und Unterverzeichnisse verwalten und Netzwerke einrichten zu können, was erstmalig mit MS-DOS 3.1 im März 1985 möglich war, stieß Microsoft in jene Gebiete vor, die bislang nur von Unix beherrscht wurden.
Bereits 1985 erschien mit Windows 1.0 der erste Versuch, MS-DOS durch eine grafische Benutzeroberfläche leichter bedienbar zu gestalten und der Oberfläche des Apple Macintosh nachzueifern. Doch erst Anfang der 90er Jahre wird die grafische Oberfläche mit Windows 3.1 wirklich populär. 1994 veröffentlicht Microsoft mit Version 6.22 die letzte eigenständige Version von MS-DOS, deren Programmcode mit 200 Kilobytes in nur 5 Minuten installieren ließ. Spätestens jedoch mit Erscheinen des fortschrittlichen und modern daherkommenden Windows 95 im Jahre 1995 nimmt Bill Gates Abschied von MS-DOS, da es angeblich auch unter Windows nur noch eine kleine Rolle spiele - obwohl die Installation von MS-DOS natürlich immer noch Voraussetzung war, um überhaupt Windows 95, Windows 98 und Windows ME einsetzen zu können.
Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, wurde in Windows ME dem Anwender gar die Möglichkeit genommen, nach DOS zu booten; lediglich die MS-DOS-Eingabeaufforderung blieb bestehen und eine Rechnung über 200 Millionen Dollar, die Microsoft noch im Januar 2000 im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs an die US-Firma Caldera überweisen musste: 1991 hatten Vorversionen von Windows 3.1 nur MS-DOS als Installationsgrundlage akzeptiert, das ehemals von Digital Research im Jahre 1987 entwickelte und MS-DOS-kompatible DR-DOS hingegen abgelehnt, was Ruf und Marktchancen schadete.
Erst Windows XP beruht jetzt auf einem Systemkern, der, genauso wie die seit 1993 entwickelte Windows-NT-Reihe, nichts mehr mit MS-DOS zu tun hat. Als Bill Gates Windows XP im Oktober vergangenen Jahres in New York vorstellte, ließ er zum letzten Mal den DOS-Prompt auf den großen Leinwänden erscheinen, bevor er davon Abschied nahm. Übrig geblieben vom klassischen single-user und single-tasking Betriebssystem MS-DOS ist nur noch die Eingabeaufforderung. Während Windows 9x DOS-Programme jedoch noch in einer Real-Mode-MS-DOS-Umgebung startete, enthält Windows XP diesen Modus nicht mehr und bietet nur noch einen Kompatibilitätsmodus an, unter dem die meisten DOS-Programme problemlos laufen. Die alten Kommandos mit ihren oftmals kryptischen Anhängseln, mit denen sich auch hunderte Dateien auf einmal umbenennen ließen, was bei Windows nicht möglich ist, sind damit hinfällig.
So wird wohl nun auch MS-DOS das gleiche Schicksal beschieden sein, das SunOS, AmigaOS, DR-DOS, OS/2, BeOS und MacOS schon hinter sich haben: außer auf einigen betagten Uralt-PCs wird man nur noch im Internet von Zeitzeugen nachlesen und auf Screenshots nachschauen können, wie die ersten Jahre des PC-Zeitalters waren.