Bestrafen die USA die Türkei für ihre neutrale Haltung im Ukraine-Krieg?
Seite 2: Türkei: Der strategische Knotenpunkt Eurasiens
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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat sich mit seiner Entscheidung, S-400-Raketenabwehrsysteme aus Russland zu importieren, schon lange vor der Invasion in der Ukraine im Jahr 2022 einen politischen Ruf als "Wechselkandidat" zwischen Russland und dem Westen erworben.
Erdoğan hat gezeigt, dass er den geopolitischen Einfluss, den die Türkei als strategischer Knotenpunkt Eurasiens bietet, geschickt ausnutzen kann, indem er zwischen Moskau und den westlichen Hauptstädten manövriert, um eine knallhart-pragmatische außenpolitische Vision voranzutreiben, die sich über die umfassenderen Ziele der Nato hinwegsetzt und gelegentlich sogar gegen sie gerichtet ist.
Der Ukraine-Krieg hat Erdoğan eine Fülle von Gelegenheiten geboten, seine ihm eigene Staatskunst voranzutreiben. Die Türkei war sofort bereit, die diplomatische Lücke zu füllen, die von den westlichen Staaten hinterlassen wurde, die eine Strategie des maximalen Drucks gegen Moskau verfolgten.
Das Land festigte dabei seinen Rang als einer der wichtigsten Vermittler im Krieg. So tat sich Ankara als Gastgeber der verunglückten Friedensgespräche zwischen Russland und der Ukraine im Frühjahr 2022 und durch die Umsetzung der Schwarzmeer-Getreide-Initiative, besser bekannt als das Getreideabkommen mit der Ukraine, hervor.
Es scheint unwahrscheinlich, dass sich Erdoğan durch diese jüngste Runde von Sekundärsanktionen, die auf eine ähnliche Reihe von im April 2023 angekündigten Bestrafungen folgt, von seiner bündnisfreien Haltung abbringen lässt. Es gibt auch keine Anzeichen dafür, dass die Biden-Regierung erwägt, noch gezieltere Strafmaßnahmen gegen Ankara einzuleiten.
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Die Türkei ist auf dem Weg, weiterhin von den Vorteilen des steigenden Handels mit Russland zu profitieren. Aber da der Getreidehandel vor Kurzem von Moskau "aufgekündigt" wurde und Erdoğan selbst nach einem ereignislosen Treffen mit Wladimir Putin Anfang des Monats zugab, dass es keine "vielversprechenden Aussichten auf Frieden" zwischen Russland und der Ukraine gibt, wird es für Ankara immer schwieriger, die gewünschte Vermittlernische in einem Krieg zu füllen, der nach Ansicht beider Seiten noch Jahre dauern könnte.
Die Strafaktionen erfolgen, während die Beziehungen zwischen den USA und der Türkei angespannt sind, da Washington eine rasche Ratifizierung des schwedischen Nato-Beitrittsantrags durch die Türkei anstrebt und Ankara hofft, den bevorstehenden Verkauf von Lockheed Martin F-16-Kampfjets an die Türkei abschließen zu können.
Erdoğan hat Einspruch erhoben, den F-16-Verkauf davon abhängig zu machen, dass Ankara dem schwedischen Nato-Beitrittsgesuch grünes Licht gibt, wie von US-Präsident Joe Biden gewünscht. Er besteht darauf, dass die Entscheidung beim türkischen Parlament liegt.
Zudem wirft er Stockholm vor, nicht mehr für die Auslieferung von Kämpfern der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu tun. Sie werden von der türkischen Regierung als "Terroristen" bezeichnet werden. Wann die beiden Entscheidungen getroffen werden sollen, ist unklar.
Der Artikel erscheint in Kooperation mit dem US-Magazin Responsible Statecraft und findet sich dort im englischen Original. Übersetzung: David Goeßmann.
Mark Episkopos ist Professor für Geschichte an der Marymount University in den USA. Er forscht über Fragen der nationalen Sicherheit und schreibt über internationalen Beziehungen.