Biden und Harris - keine Alternative zum Trumpismus

Joe Biden und Kamala Harris - ein Traumpaar? Bild: Kamala Harris

Statt wieder auf Wahlkämpfe zu setzen, sollte eine Linke auf Organisationsprozesse von unten setzten

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Eigentlich dauert es noch etwas bis zu den nächsten regulären Bundestagswahlen. Doch Deutschland befindet sich schon in einem Wahlkampf, der allerdings in den USA stattfindet. Weg mit Trump lautet die Parole, die von der gemäßigten Rechten bis weit ins linke Lager geteilt wird.

Nun ist es wahrlich nicht schwer, gegen Trump und seine Politik zu sein. Schließlich vertritt er bestimmte fossile Kapitalfraktionen und macht eine Politik, die an rechtspopulistische Strömungen anschließt, die es in den USA immer wieder gab, die aber meistens nicht mehrheitsfähig waren. Kandidaten dieser rechten Strömung wie Barry Goldwater scheiterten in den 1960er Jahren bei den Präsidentenwahlen. Der Erfolg von Trump liegt auch daran, dass die Arbeiter des fossilen Sektors der Industrie sich als Verlierer im Kampf gegen den neuen Akkumulationsregimes des digitalen Kapitalismus sehen. Trump gelang es, die Stimmen relevanter Teile der Arbeiter aus der fossilen Industrie zu bekommen. Mit dem Versprechen, Arbeitsplätze zurückzuholen, schaffte er sich eine Basis.

Das Kalkül schien aufzugehen. Die US-Wirtschaft hatte einen Aufschwung bei einem Präsidenten, der US-First propagierte, Umwelt- und Sozialgesetze schleifte und dem Kapital hohe Rendite garantierte. Doch mit Corona stiegen die Zahlen der Erwerbslosen und Trump kann nicht mehr mit guten Wirtschaftsdaten und niedriger Arbeitslosigkeit werben. So ist die Möglichkeit, dass er die Wahl verliert, gestiegen.

Das Team Biden/Harris allerdings wird auch eine Politik im Sinne des US-Kapitals machen und dabei anders als die Trump-Administration auf einen größeren Konsens setzen. Biden/Harris stützen sich vor allem auf die modernen Fraktionen des Kapitals. Dort wird die Wichtigkeit von Umweltschutz und auch der Diversität betont, weil das moderne Kapitel dort neue Felder zur Profitmaximierung sieht. Eine vorgeblich linksliberale Identitätspolitik, wie sie heute auf den unterschiedlichen Politikfeldern zu sehen ist, ist mit diesen modernen Kapitalstrategien sehr kompatibel. Doch auch große Teile der Linken spielen selber mit bei der Identitätspolitik.

Die Ablehnung des Trumpismus und seiner Basis wird so auch nur selten mit linken Inhalten begründet. Klassenkampf ist ein Begriff, der bei vielen Identitätslinken nicht besser beleumdet ist als der Trumpismus. Es wird sich zeigen, welche Folgen ein Erfolg der Demokraten bei den US-Wahlen in diesen Kreisen hätte. Es ist anzunehmen, dass ein großer Teil der Trumpgegner, denen es nur um Identitäten geht, dann ihren Frieden mit der Gesellschaft machen.

Außenpolitisch dürfte sich an der Frontstellung der USA zu China wenig ändern, die Töne gegen Russland dürften schärfer werden. Schließlich ist vor allem in linksliberalen Kreisen die Verschwörungsvorstellung von den durch Russland beeinflussten Wahlen in den USA verbreitet. Nicht nur die Rechten haben ihre Verschwörungserzählungen, die gibt es auf der anderen auch.

Wenig Änderung in der US-Außenpolitik

Die US-Außenpolitik könnte unter einer Regierung der Demokraten sogar militaristischer werden. Trump und viele seiner Minister gehören zur rechten Strömung der Isolationisten, die sich aus vielen Konflikten aus der Welt raushalten wollen und im Gegensatz beispielsweise zu den Neocons wie dem von Trump geschassten Sicherheitsberater Bolton nicht überall in der Welt gleich militärisch eingreifen wollen.

Der Friedensforscher Hans Georg Erhardt beschreibt im "Freitag" Trumps außenpolitisches Credo als eine Kombination von Isolationismus und Ethnonationalismus. Wenn Erhardt am Schluss seines Artikels die "wertebasierte deutsche Außenpolitik" dagegenstellt und die Deutsch-EU "als willigen Vasallen der USA" halluziniert, dann ist er bei jenem Deutschnationalismus angelangt, den der Publizist Wolfgang Pohrt bereits in den 1980er der Jahren der deutschen Friedensbewegung bescheinigt.

Richtig ist allerdings, dass auch nach einer Niederlage von Trump das Verhältnis zwischen den USA und Deutschland gespannt sein dürfte, selbst wennn sicher viel von einem Neustart der Beziehungen die Rede sein wird. Die Entfremdung zwischen den USA und der Deutsch-EU begann lange vor Trump und hat geopolitische Gründe. Für die USA ist schon lange China in den Fokus der geopolitischen Auseinandersetzungen gerückt. Europa hat nach dem Ende der Blockkonfrontation stark an Bedeutung verloren. Auch die Umgruppierung des Militärs, in dessen Rahmen US-Truppen aus Deutschland verlegt werden, ist keine Erfindung von Trump, sie ist geopolitischen und strategischen Überlegungen geschuldet. Trump versteht es allerdings, solche Entscheidungen als Bestrafungsaktion von Deutschlands hinzustellen, weil dort angeblich die Rüstungsausgaben nicht stark genug gestiegen sind. Damit bedient er in den USA sein Klientel und hierzulande werden solche Aussagen von denen genutzt, die schon lange Deutschlands Rolle in der Welt aufwerten wollen.

Im Kampf zwischen Trump und Biden auf keine Seite stellen

Während man solche Positionen bis weit ins konservative Lager in Deutschland wiederfindet, ist von einer genuin linken Position wenig zu hören. Damit ist eine Position gemeint, die sich im Machtkampf zwischen Trump und seinen Gegnern bei den Demokraten auf keine Seite stellt und die eine angeblich werteorientierte Außenpolitik der Deutsch-EU genauso ablehnt wie die USA-First-Rhetorik der Trumpisten.

Statt sich in diesen Auseinandersetzungen der unterschiedlichen Kapitalfraktionen auf eine Seite zu stellen, ginge es darum, Alternativen zu schaffen. Die Basis wären die Menschen in den USA, denen von den Präsidenten der unterschiedlichen Parteien vor den Wahlen immer viel versprochen wird und die nach den Wahlen vergessen werden. Dass können die Kohlearbeiter sein, denen Trump versprochen hat, die Arbeitsplätze zurückzubringen, während die Zahl der Entlassenen weiter steigt. Das wären auch die Menschen aus der Schwarzen Community, die jetzt ausgerechnet von den Demokraten umworben werden, die historisch die Partei des Südstaaten-Rassismus gewesen ist. Daran erinnerte die italienisch-US-amerikanische Philosophin und Aktivistin Silvia Federici in einem Interview. Sie findet klare Worte zu Trump und dürfte damit die Zustimmung im liberalen Milieu haben:

Trump ist schrecklich, er ruft zu einem "Race War" auf. Viele halten ihn für einen Psychopathen. Man muss aber auch sehen, dass er die Unterstützung wichtiger kapitalistischer Sektionen hat, darum steht die Republikanische Partei hinter ihm. Er hat etwa dem Energiesektor - Bergbau, Ölindustrie - viel Macht verliehen.

Silvia Federici

Aber sie kritisiert auch die parteiförmigen Trump-Gegner.

Die Demokratische Partei hat keine viel bessere Geschichte. Sie war nach dem Bürgerkrieg die vorherrschende Partei im Süden und setzte sich stark für die Aufrechterhaltung der Rassentrennung ein. Trotz Johnsons Unterstützung des Civil Rights Act hat die Demokratische Partei nie alle Schritte unternommen, um die Diskriminierung schwarzer Menschen zu beenden. Es war Clinton, der im Antiterrorgesetz von 1996 die Zahl der Verbrechen erhöht hat, auf die die Todesstrafe steht. Eine Form des Lynchmordes, wenn man bedenkt, dass die Mehrheit der Hingerichteten Schwarze sind. Er reformierte das juristische System auf eine Weise, die den Habeas Corpus praktisch abschaffte und die Zahl der Inhaftierten, wiederum überwiegend schwarze Menschen, massiv erhöhte. Und die Liste geht weiter. Selbst unter Obama gab es lediglich geringe Gesetzesreformen diesbezüglich, eine vertane Chance.

Silvia Federici

Federici tritt dem Eindruck entgegen, dass man in Fatalismus endet, wenn man die beiden hegemonialen Parteien in den USA ablehnt.

Lieber soziale Bewegungen als Hoffnung auf Wahlen

Ich setze mein Vertrauen in die Bewegungen von unten, die neueren Generationen von insbesondere schwarzen Frauen, die häufig an vorderster Front stehen. Es entstehen gerade sehr inklusive Bewegungen, denen sich auch viele Weiße anschließen. Sie drücken deutlich ihre Forderungen, Visionen und Fähigkeiten in diesen Kämpfen für die gesamte Bevölkerung aus.

Silvia Federici

Die Philosophin erinnert auch an die temporär polizeifreie Zone in Seattle vor einigen Wochen. Nach dem Black-Lives-Matter-Protesten wurde die Polizei aus einen kleinen Stadtteil gedrängt, der von alternativen Kulturbewegungen dominiert wird. Für einige Tage ließ sich dort die Staatsmacht nicht blicken. Es war keineswegs ein gewaltfreier Ort. Die Widersprüche, die das System täglich produziert, sind ja nicht verschwunden, wenn die Polizei sich zurückzieht (Besser Leben ohne Polizei).

Die Linke hat es nicht geschafft, die Proteste auch in die großen Betriebe der digitalen Wirtschaft zu tragen, die in Seattle ihren Sitz haben. Dann hätte die Bewegung eine ganz andere Dynamik bekommen. Andererseits existiert seit Jahren das Solidarisches Netzwerk in Seattle, das Menschen in ihren Alltagskämpfen organisiert und sicher mit die Basis geschaffen hat, dass die Stadt immer wieder mal wegen linker Aktivitäten in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit steht. Hier gäbe es tatsächlich Perspektiven für Menschen, die mehr wollen als eine Niederlage von Trump bei den Wahlen.

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