Big Brother Awards bekommen eine Hymne
Riesenparty in Wien mit Kakerlaken und Songs
Anlässlich der Big Brother-Awards-Verleihung in Wien wurde erstmals eine BBA-Hymne gekürt. Insgesamt waren weit über dreißig Kompositionen eingelangt.
Vor Mitternacht gab es Kakerlaken, nach Mitternacht eine neue Big Brother Hymne. Bei der bereits obligatorischen Big Brother Awards-Party in Wien drängte sich das Publikum. Weit über tausend Besucher waren in das Szene-Lokal Flex gekommen um der Verleihung der Awards beizuwohnen.
Die österreichischen Preisträger 2002 für besondere Beiträge "zur Abschaffung der Privatsphäre":
- Eine Krankenzusatzversicherung der "Uniqua", die ihrer Klientel eine weitgehende "Zustimmung zur Ermittlung, Übermittlung und Verwendung von Daten" abringt. (Kategorie Business und Finanzen)
- Stadt Innsbruck. Dort werden Personen die einen Antrag auf Sozialhilfe stellen, mit Fragen gegängelt, die nicht nur die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen sondern auch jene der Angehörigen verletzen würden. (Kategorie Behörden )
- Der Landespolitiker Erich Haider (SPÖ), der für eine geplante Mini-U-Bahn in Linz bereits jetzt ein ausgeklügeltes Überwachungssystem in Auftrag gegeben hat. (Kategorie Politik)
- Kakerlaken auch für den Klagenfurter Richtersenat, der zur Aufdeckung eines kleineren Einbruchserie, die Aushebung von rund 200.000 Mobilfunkdaten gebilligt hatte. (Kategorie Kommunikation)
- Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) für das Bildungsdokumentationsgesetz. Damit werden nicht nur Schülerstammdaten erhoben, sondern auch persönliche Daten wie religiöses Bekenntnis oder sonderpädagogischer Förderbedarf. (Kategorie Lifetime)
- Publikumspreis schließlich für Innenminister Ernst Strasser (ÖVP).
Die Vergabe der Awards (lebende Kakerlaken in Plexiglas-Röhren) an die beiden Minister wurden vom österreichischen Publikum mit besonders starkem Applaus bedacht. Offensichtlich stoßen weder die "Benimm- und Betragensdatenbank des Grauens" (BBAA-Juroren) noch die Bemühungen des Innenministeriums, präventiv (und hoch-spekulativ) Lagebilder mit personenbezogenen Daten zu erstellen, auf besondere Gegenliebe. Weitere Nominierungen und ausführliche Jury-Begründungen sind auf der BBAA-Hompage nachzulesen. Von den Preisträgern war übrigens niemand bei der Veranstaltung erschienen.
Die BBAA wurde bereits zum vierten Mal in Österreich ausgelobt. Besonderer Höhepunkt der diesjährigen Veranstaltung: die Wahl der Big-Brother-Awards-Hymne. Dieser war der Aufruf des lokalen Radiosenders fm4 vorangegangen, Kompositionen einzureichen. Nach nur wenigen Wochen waren an die vierzig Songs eingetrudelt. Fünf Tracks kamen schließlich in die engere Wahl. Die Siegerhymne wurde schließlich von Big-Brother-Award Veranstaltern aus mehreren Ländern gekürt. Einer der Juroren war BBA-Vater Simon Davis (Privacy International UK), der anlässlich der vorangegangen Konferenz "Liberties Lost" nach Wien angereist war und natürlich auch der BBAA-Verleihung beiwohnte. Weitere Jury-Mitglieder: Maurice Wessling (Bits of Freedom, BBA NL) Daniel Boos (Swiss Internet User Group, BBA CH), Peter Kuhm (VIBE!AT), Andreas Lehner (Chaos Computer Club, BBA DE), Ian Brown (Foundation for Information Policy Research, BBA UK) und Zoltan Galantai (TEA, BBA Ungarn).
Das musikalische Rennen machte schließlich ein in Wien studierender Oberösterreicher mit seinem Beitrag bigbrother2002. Künstlername Schaua: Er lässt auf seinem "Bigbrother"-Track ein Computerleseprogramm für sich sprechen und überzeugte damit die Jury. Weitere Informationen zu den eingereichten Songs und Komponisten sind der fm4-Hompage zu entnehmen.
Auch wenn es bei der Preisvergabe in Wien wie immer lustig herging, ist der Hintergrund doch ernst. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 grassiert grassiert in ganz Europa die Überwachungshysterie. Und dass Österreich beleibe keine Insel der Seligen ist, zeigte Datenschützer Hans Zeger am Vortag im Rahmen der "Liberties Lost"-Konferenz in drastischer Weise auf. 2001 seien etwa 2.000 Telefone abgehört worden, worin allerdings auch reine Verbindungsdatenerfassungen und von den Anschlussinhabern selbst gewünschte Überwachungen enthalten seien,. Der Rest würde aber immer noch 20 abgehörte Telefone pro eine Million Einwohner ergeben. Dahingegen würden in den USA "nur" sechs Anschlüsse pro eine Million Einwohner abgehört. Mehr zur Konferenz: Liberties lost: Vom Verlust alter und neuer Freiheiten.