Bilderboom der Antike: Macht und Medien im alten Rom

Augustus-Bildnisse waren allgegenwärtig. Und das ohne Fernsehen und Internet. Bildquelle: Wikimedia Commons / CC BY-SA 2.5

Weniger bekannt als die Steuerlisten von Kaiser Augustus ist heute die Medienrevolution seiner Zeit. Ihr widmet sich gerade eine Ausstellung. Déjà-vus mit Blick auf die Gegenwart sind dort möglich.

"Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzet würde." So beginnt die Weihnachtsgeschichte im Lukasevangelium. Etwas moderner ausgedrückt: "In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen."

Dieser Kaiser Augustus war nicht nur der erste, was Steuerlisten betraf. Sondern er hat auch eine Medienrevolution in Gang gesetzt. Und dieser widmet das Hamburger Bucerius Kunst Forum eine Ausstellung mit dem Titel: "Die neuen Bilder des Augustus. Macht und Medien im antiken Rom". Es ist die erste Ausstellung zu Augustus in Deutschland seit 34 Jahren.

Die Ausstellungsmacher um die Kuratoren Prof. Dr. Annette Haug und Prof. Dr. Andreas Hoffmann haben eine bemerkenswerte Sammlung von 220 Objekten zusammengebracht: Statuen, Büsten, Reliefs, Wandgemälden, Münzen und Keramiken aus dem Louvre in Paris, den Uffizien in Florenz, den Kapitolinischen und Vatikanischen Museen in Rom, dem Archäologischen Nationalmuseum in Neapel und anderen Museen und Sammlungen.

Sie wollen zeigen, wie unter dem ersten römischen Kaiser ein regelrechter "Bilderboom" entstand, und wie Bildsprache, -strategien, -medien und -materialien neu verstanden wurden.

So etwa wurden Götter barfuß abgebildet, Menschen dagegen mit Schuhen. Ließ sich Augustus barfuß darstellen, rückt er sich damit in die Nähe der Götter.

Wer Augustus nicht sehen wollte, hatte keine Chance

Zwar ließen schon die Feldherren in der späten Republik Statuen von sich aufstellen, aber erst Augustus sorgte dafür, dass jeder überall sein Bild sehen konnte, oder eigentlich: sehen musste – Augustus ließ sein Bild überall und in allen vorstellbaren Formen verbreiten: seine Medienrevolution. Er ließ sich darstellen als Priester, Feldherr, Heros, und nach seinem Tod eben auch als Gott, und das in allen vorstellbaren Medien.

Münzen hatte jeder. Sie waren "das Massenmedium der Antike", sagt Kurator Andreas Hoffmann, und "Augustus ist eigentlich der erste, der Bilder und eben auch sein eigenes Bildnis als ein Medium einsetzt, um seine neue Rolle als Augustus zu kommunizieren".

Büsten waren "sozusagen das Kaiserporträt für den kleineren Geldbeutel", sagt Hoffmann. Kameen und Gemmen wiederum waren Luxusmedien für Menschen in unmittelbarer Nähe des Kaiserhauses.

Augustus' sehr strategischer Umgang mit den Medien zeigt sich in den unterschiedlichen Darstellungen in den unterschiedlichen Medien: Nur auf solchen Luxusmedien zeigte er seine große Nähe zu den Göttern wie Apollon und Jupiter, bzw. die Nähe seiner Frau Livia etwa zu Ceres.

"Das sind so Dinge, die man nicht in die Münzprägung legt, weil man da eben diesen Göttervergleich scheut, aber im ganz engen Kreis des kaiserlichen Umfeldes, denen man als Staatsgeschenk eine Kamee schenkt, vergleicht man sich eben auch selbst schon mit einem Gott", so Hoffmann, "in den Kreisen, in denen man sich das sozusagen auch traut, und wo man eben auch nicht zu viel Widerspruch befürchtet."

Herren mit langen Phalli und Affen- oder Hundsköpfen

Widerspruch gab es allerdings im privaten Raum. Gelegentlich. Und zwar in Form von Karikaturen. "Im Haus war es offenbar so, dass man die politischen Bilder im öffentlichen Raum so omnipräsent, so ubiquitär, vielleicht auch so nervig empfand, dass man sagt, das kann ich nur ertragen, wenn ich jetzt die Herren mit langen Phalli und eben mit Affen- oder Hundsköpfen – es gibt beide Identifizierungen, von verschiedenen Archäologen – darstelle."

Ansonsten ging es im privaten Bereich wohl ziemlich privat zu, und zwar im Sinne von unpolitisch. "Das ist fast wie im Biedermeier, ein Rückzug ins Private, hier ist Venus, hier ist Bacchus da, hier geht es um Liebe, Sex, Weingenuss, um Entspannung", sagt Hoffmann.

Im Öffentlichen Raum gab es sowieso keine Karikaturen, was damit zu tun hat, "dass fast alle Bildnisse des Kaisers und der Kaiserin, die aufgestellt sind, von den entscheidenden Institutionen im Reich gestiftet werden" – wie Senat und Volksversammlung, erklärt Hoffmann.

Bedenkliche Parallelen zu heutigen Politikern und Staaten

"Augustus stellt nicht nur überall von sich Bilder auf, wie man das vielleicht denken mag, sondern er lässt sich ehren, von den Institutionen des Staates". Genau hier sieht der Kurator eine bedenkliche Nähe zu manchen heutigen Politikern und Staaten.

"Da gibt es bestimmt auch viel Abstimmungsbedarf, da werden sich auch Entwürfe vorgelegt, da gibt es sicher auch die Spin Doctors und die politischen Berater des Augustus, diesen sagen ja, das nehmen wir gern und das sehr gern – und das auch nicht: Das ist einfach ein sehr modernes Bild von Medienarbeit, das Augustus so propagiert, und das ist eben auch, was uns so spannend erscheint für unsere Gesellschaft.

Und die Bezüge zu den Autokraten, die Bezüge zu Putin, die Bezüge zu Erdogan, die Bezüge zu den gelenkten Demokratien sind einfach sehr, sehr nahe, wobei, glaube ich, das, was da mit Bildern passiert, noch einmal sehr darüber hinaus geht und sich dann nicht nur auf eine politische Ebene beschränkt."

"Gelenkte Demokratie"

Der Kurator vertritt recht provokante Thesen zu Augustus. So nennt er das Prinzipat des Augustus "gelenkte Demokratie", denn es wurde mit Militärmacht erkauft.

Und als Augustus, nach Caesars Tod seine Macht etablierte, "säuberte" er die obersten Schichten der Gesellschaft, "und wir wissen aus den Quellen, dass dabei 200 Senatoren und 3000 Ritter ihr Leben lassen, und von daher speist sich dieser Vergleich zu gelenkten Demokratien aus dieser tiefroten Blutspur."

Die Hamburger wollen nicht nur schöne Kunst betrachten, sondern ihre Funktion im Kontext einer gewaltsamen Phase zwischen dem Ende der römischen Republik und dem Etablieren dieses neuen Gesellschaftssystems zeigen, "auch wenn die althistorische Forschung und auch die antiken Literaten sich so einig sind, dass Augustus zu den guten Kaisern zu zählen ist."

Die neuen obersten Schichten der Gesellschaft wurden, so Hoffmann in einer weiteren These, teils durch "Aufsteiger, Aufschneider und andere Emporkömmlinge" gebildet.

Etwa Markus Holconius Rufus, der sich in Militärtracht darstellen lässt, "obwohl er nun nie ein militärisches Amt bekleidet hat, der sich als Stifter in Pompeji engagiert, um von Augustus den Senatorenstatus zu bekommen – das klappt nicht – der sogar so weit geht, dass er sich als Statue im Panzer dieses Mars Ultor, dieses Rachegottes stilisiert und dem Augustus einen eigenen Tempel auf dem Augustus Forum weiht: Man sieht darin, wie dieser Kreis der Eliten sich in einer sehr anbiedernden, schmeichlerischen Weise an den Kaiser heranbegibt."

Bauboom parallel zum Bilderboom

Andererseits, so der Kurator, wurden die bis dahin unterrepräsentierten Schichten in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung aufgewertet: Augustus unterzog die Stadt Rom einem Bauboom und ordnete sie neu in 14 Regionen und 265 Bezirke, und an quasi jeder Wegkreuzung wurde eine Kultstätte für die Laren und den Genius des Kaisers neu eingerichtet.

Und "Augustus macht das eigentlich sehr klug, dass er als Kultdiener als Priester in diesen neuen Kulten eben vor allem Freigelassenen und Sklaven die Möglichkeit gibt, sich zu beteiligen. Das erreicht eben eine wunderbare neue Nähe dieser unteren Schichten zum Kaiser, etwas wie 'Community Building' und 'Audience development' für den Kaiser." Hoffmann nennt es "Religion als Opium fürs Volk – Kaiserkult für alle"; er sagt, "das ist schon machtpolitisch sehr interessant, was da passiert."

Die Ausstellungsmacher ihrerseits gehen selbs mit neuen Medien sehr, nun ja, interessiert um: Im Veranstaltungsprogramm gibt es "Führung und Yoga", "Kopfhörerparty Spätrömische Dekadance", "Italienischkurs L'Aperitivo" und mehr.

"Dass wir so sensibel sind für diese Medienthemen, hat auch damit zu tun, dass das Haus von der Zeit Stiftung getragen wird, gegründet von Gerd Bucerius, einer der ganz entscheidenden Verlegerpersönlichkeiten in der Nachkriegszeit, von daher sind Medien in dieser Stadt, in Hamburg, auch immer ein zentraler Zugang.

Und hier ist es eben so, dass man mit diesem Medienthema tatsächlich etwas Neues greift." Selten war Eigenwerbung so wahr. Außerdem werde auch unsere Gesellschaft sehr stark vom Bild geprägt, und da sehen die Ausstellungsmacher sehr starke Parallelen zwischen der heutigen und der augusteischen Gesellschaft, sagt Hoffmann: "Bilder sind überall und über Bilder wird kommuniziert. Bilder spielen eine ganz zentrale Rolle. Das wird in der späten Republik vorbereitet, und Augustus' Medienpolitik trifft somit auf eine darauf vorbereitete Gesellschaft: Das war für uns ein ganz wichtiger Ansatz."

Die Ausstellung läuft noch bis zum 15. Januar. Wer eine Führung mitmachen will, sollte ohne Ohrschmuck hingehen, denn man klemmt sich Mini-Lautsprecher über ein Ohr, und Ohrringe oder -stecker stören dabei sehr.

Das Museum ist täglich von 11 bis 19 Uhr und donnerstags bis 21 Uhr geöffnet. Auch an den Weihnachtsfeiertagen außer Heiligabend – und an Silvester nur bis 17 Uhr.

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