Biometrie in der Werksküche

Der fette Braten kann bereits per Fingerprint bezahlt werden, Datenschützer beäugen den Pilotversuch mit Skepsis

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Biometreische Systeme sollen sicheres bargeldloses Zahlen ermöglichen. Etliche Firmen arbeiten fieberhaft an der Entwicklung von Finger- oder Pupillenscans und ähnlichen Innovationen. In der österreichischen Stadt Linz läuft derzeit ein Pilotprojekt in einer Werksküche. Eine Zwischenbilanz fiel sowohl in der Frage der Machbarkeit als auch in Sachen Akzeptanz überaus positiv aus. Viele Datenschützer stehen biometrischen Methoden jedoch recht skeptisch gegenüber.

"Wem noch nicht schlecht ist", der könne sich ja den gesamten Text zu Gemüte führen, geiferte jüngst der Aussender einer Online-Depesche der österreichischen Bürgerrechtsinitiative Quintessenz zum Thema Biometrie. Konkret ging es um eine Entwicklung unter der Schirmherrschaft des ehemaligen Staatskonzerns Voest-Alpine-Stahl Linz GmbH. Der in Österreich ansässige Stahlkonzern hatte Anfang 1999 ein Innovationsprojekt namens "Enterprise", gefördert, das unter anderem ein "komfortables und zugleich außerordentlich sicheres bargeldloses Zahlungssystem" (Eigenwerbung) entwickelt. Der Name des Konzepts lautet schlich ekey.

April 2001 wurde dann in einer Werksküche am Gelände des Stahlkonzerns ein Pilotprojekt gestartet, das die kartenlose Zahlung ermöglicht. Der Kartenersatz erfolgt über Biometrie mittels Fingerscan. Für die inzwischen 400 freiwilligen Teilnehmer an dem Versuch genügt ein Fingerdruck, um Schweinsbraten, Knödel und Dessert an der Kasse zu bezahlen.

"Das Gehirn der ekey-Technologie ist ein Service Provider, der eine Datenbank mit der gespeicherten Fingerscan-Kartei enthält. Sensoren für Fingerscans lassen sich in EDV-Peripherie wie Keyboards oder Mäuse integrieren. Auch der Einbau in Handys ist möglich. Bei jeder Transaktion wird ein Fingerscan durchgeführt und mit den gespeicherten Daten verglichen. Der gesamte Identifikationsprozess dauert etwa acht Sekunden. Der Fingerscan wird in eine entsprechende Nummer übersetzt und an die jeweilige Bank oder das Kreditkartenunternehmen weitergeleitet", beschreibt eine Presseaussendung die Funktionsweise von ekey.

Laut VA-Stahl-Vorstandsmitglied Gert Kincel soll das System ab 2002/03 in Österreich verfügbar sein. Auch dem Datenschutz würde Rechnung getragen, heißt es von Unternehmensseite. Da persönliche Daten wie Adresse und Name nicht in der Fingerscan-Kartei registriert würden, sei die Anonymität des Endkunden gewährleistet.

Projektbegleitend wird eine Akzeptanzstudie durchgeführt. Die überwiegende Mehrheit der Testpersonen stehe dieser neuen biometrischen Zahlungsmethode positiv gegenüber, verkündete das Unternehmen. Fragt sich nur, worin diese hohe Bereitschaft zur biometrischen Erfassung begründet liegt.

Zum einen liegt es sicher daran, dass viele Menschen schon die Nase voll haben von den PINs und TANs und Passwörtern. Will ich mein Handy einschalten, brauche ich einen PIN. Online-Banking benötigt auch wieder Zahlenkombinationen. Der Bankomat spuckt erst nach Eingabe des Codes Bares aus. Überleben in unserer hochtechnologisierten Welt ist begleitet von Zahlen- und Buchstabenkombinationen, die man sich merken und ja nicht aufschreiben soll. Das kann einen tatsächlich zur Verzweiflung treiben.

Kein Wunder, dass sich die Bürger nach Vereinfachungen sehnen. Fingerabdruckleser, Iris-Scanner, Gesichts-, Sprach- oder Schrifterkennungsautomaten – diese bisher eher aus Agentenfilmen bekannten Geräte für die Hochsicherheitsbereiche halten zunehmend Einzug in Betriebe, Banken und Haushalte, um dort Rechenzentren, Geldautomaten, Computer oder Haustüren abzusichern. Die Branche boomt. "Derzeit werden in diesem Segment Umsätze in Höhe von 32,8 Millionen Dollar erzielt, 2006 sollen es 160 Millionen Dollar sein", besagt eine einschlägige Studie. Wichtigster Produktsektor ist die Fingerabdrucktechnik. Praktisch klingt das schon, doch haben hohe Fehlerquoten bei der Technik eine schnellere Einführung biometrischer Verfahren bisher blockiert.

Der biometrisch "vermessene" Mensch stellt allerdings auch kritische Fragen. Etwa: Wie funktionieren die Geräte genau? Wie sicher sind sie eigentlich? Sind die Verfahren gefährlich für meine Gesundheit? Welche Daten werden über mich gespeichert, etwa auch sensible medizinische Informationen? Welche rechtlichen Regelungen schützen mich vor Missbrauch? In Deutschland wurde ein spannendes interdisziplinäres Forum eingerichtet, das sich mit den heiklen Aspekten der Biometrie beschäftigt. BioTrusT brachte Verbraucherschützer, Hersteller, Betreiber und Wissenschaftler zusammen. Auf der Homepage werden regelmäßig neue Erkenntnisse und Studien zum Thema sichere und datenschutzfreundliche Gestaltung biometrischer Systeme veröffentlicht. - Vielleicht sollten auch die Österreicher etwas ähnliches einrichten. Dann müssten die Datenschützer nicht wieder im Nachhinein böse Briefe schreiben.