Blauer Brief von Blair und Schröder an Aznar
Spanien unter EU-Druck
Der spanische Ratspräsident hat einen Brief vom britischen Premierminister Tony Blair und Bundeskanzler Gerhard Schröder erhalten. Beide fordern den spanischen Ministerpräsidenten, José Maria Aznar, unmissverständlich auf, für eine "effektive Arbeit" zu sorgen. So solle die "Erweiterung Europas, die Sicherheit, Prosperität und Stabilität" garantiert werden.
Das hört sich neutral an, doch in der Folge wird ihr Brief an den "Lieben José Maria" konkreter, von dem Kopien an alle 15 Staatschefs gingen. Die EU-Gipfel müssten auf die strategischen Entscheidungen ausgerichtet werden und man sollte nicht Zeit mit Themen verlieren, die schon zwischen den Fachministern keine Einigung erreicht haben.
Dass José Maria angemahnt wurde, ist kein Zufall. Zuletzt hat der Anti-Terror Fan im Februar dafür gesorgt, dass sein Prestigeprojekt europäischer Haftbefehl, wenigstens von sieben der 15 Mitgliedern mittelfristig umgesetzt wird. Denn es war der Aznar Freund Silvio Berlusconi, wegen dem die Initiative auf 2004 vertagt wurde.
Offenbar haben Schröder und Blair Angst, obwohl ihm beide mit der Zustimmung zum Haftbefehl entgegen gekommen sind, dass Aznar den Vorsitz der EU nutzt, um die Osterweiterung zu verzögern oder sich über 2006 hinaus das Geld zu sichern, das dafür gebraucht wird. Mit seiner Blockade in Nizza sicherte sich Aznar schon bis 2006 über 50 Milliarden Euro aus den Subventionsfonds, mehr als alle Beitrittsländer zusammen erhalten.
Wegen der weltweiten und hausgemachten schlechten wirtschaftlichen Daten, könnte Aznar geneigt sein, den Pseudo-Boom der letzten Jahre mit Geld aus der EU weiter zu dopen. Erpressung statt schmerzhafte Korrekturen, diese Formel hat schon einmal zu Lasten der Beitrittskandidaten gezogen.
Doch auch in Brüssel kommt immer mehr Beamten immer öfter etwas Spanisch vor. Schon in der letzten Woche hat die Kommission das Land auf die hohe Inflation, die höchste Arbeitslosigkeit in Europa, trotz angekündigter Vollbeschäftigung, und die Probleme mit seinem Rentensystem aufmerksam gemacht. Wegen Überalterung sind letztere bald nicht mehr bezahlbar.
Neue Statistiken von Eurostat belegen, dass Spanien sich neben Griechenland, Portugal und Schweden auch am Ende der Liste befindet, was die Produktivität angeht. Doch nach Eurostat ist die Produktivität seit 1992 sogar von 94 % des europäischen Durchschnitts auf 92 % in 2001 gesunken. Auch was die hohe Inflation angeht, wird man sich in Brüssel kaum von Rechenkünsten aus Madrid an der Nase herumführen lassen. Statt eine Steigerung von 0,7 auf 3,4 % auszuweisen, sei die Inflation gar um 0,1 % gefallen, wurde in Madrid für Januar festgestellt. Dafür wurde der Warenkorb neu gemischt und sogar die Angebote im Schlussverkauf eingerechnet. Dass Spanien bei der Pisa-Studie in den Rechenkünsten extrem schlecht abgeschnitten hat, findet hierbei offenbar seinen Ausdruck.