Blick ins Herz massereicher Sterne

Weltraumteleskop entdeckt radioaktives Eisen

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Am 17. Oktober 2002 startete das 5 Meter hohe und 4 Tonnen schwere Weltraumobservatorium INTERGRAL (International Gamma-Ray Astrophysics Laboratory) mit einer vierstufigen Proton-Trägerrakete vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan. Seitdem umkreist INTEGRAL in einem hochexzentrischen 72-Stunden-Orbit (Perigäum: 9.000 km, Apogäum: 153.000 km) mit einer Neigung von 51,6° gegen die Äquatorebene die Erde.

Dort führt er seit Jahren erfolgreich in den Tiefen des Alls astronomische Beobachtungen im Gamma-, Röntgen- und optischen Licht durch. Der Gammastrahlungs-Bereich (15 keV - 10 MeV) stellt die energiereichste Form elektromagnetischer Strahlung dar und entsteht in vielen kosmischen Objekten. Deswegen richtet INTEGRAL sein besonderes Augenmerk auf Weiße Zwerge, Neutronensterne, Galaktische Wolkenkomplexe, kollabierende Sterne, Schwarze Löcher oder geheimnisvolle Gamma-Strahlungsausbrüche, die nach wie vor der Wissenschaft viele Rätsel aufgeben. Das Weltraumteleskop sorgt nun wenigstens für ein bisschen Licht im Dunkel - aufgrund seiner Erfolge wurde die Missionsdauer bis 2008 verlängert.

Die energiereiche kosmische Gammastrahlung kann nur im Weltraum beobachtet werden. Die Erdatmosphäre schütz uns vor dieser gefährlichen Strahlung

Erfolgreich gespäht

An Bord von INTEGRAL befinden sich insgesamt vier wissenschaftliche Instrumente, davon dienen zwei (IBIS, SPI ) der Beobachtungen im Gamma-Spektrum, während die zwei kleineren Instrumente (JEM-X , OMC) für Beobachtungen im Röntgen- und im sichtbaren Spektralbereich eingesetzt werden. Da alle Instrumente simultan den gleichen Ausschnitt betrachten, werden gleichzeitig sich ergänzende Informationen über die im Blickfeld liegenden astronomischen Objekte gewonnen.

Schon einige Erfolge konnte das Gammastrahlen suchende Weltraumteleskop aufweisen, nachfolgend nur eine kleine Auswahl Meilensteine der galaktischen Forschung:

  1. Dezember 2003: Entdeckung einer unbekannten Art energiearmer kosmischer Gammablitze
  2. März 2004: die Gammastrahlung aus dem Zentralbereich der Milchstraße stammt größtenteils von etwa 100 einzelnen Himmelsobjekten
  3. Januar 2005: Ein detaillierter Blick in die stürmische Vergangenheit des Schwarzen Loches im Zentrum unserer Milchstrasse
  4. Juli 2005: Entdeckung eines kompakten Restes aus einer Supernova: ein Neutronenstern
  5. Januar 2006: Berechnung der Anzahl der Supernovae in unserem Milchstraßensystem
  6. Februar 2007: Entdeckung des schnellst rotierenden Neutronensterns (1122-mal pro Sekunde) der Milchstraße
  7. Mai 2007: Ermittlung der Struktur des lokalen Universums (Local Large Scale Structure)
  8. Juni 2007: Nachweis von radioaktivem Eisen
Die wissenschaftlichen Instrumente an Bord von INTEGRAL erlauben das Aufspüren massereicher Sterne in unserer Milchstraße. Bild: ESA

Radioaktives Eisen - des Rätsels Lösung auf der Spur

Die aktuellste Entdeckung mit Hilfe dieses in die Tiefe des Weltraums blickenden Auges ist das radioaktive Isotop Eisen-60 durch ein Wissenschaftsteam vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching bei München . Bis zu dieser Entdeckung hatten die Astronomen vor knapp 30 Jahren (1978) nur ein radioaktives Isotop, das Aluminium-26 aufgespürt.

Obwohl in den gleichen Sternen produziert, unterscheidet es sich vom Eisen-60 in der Art der Produktion. Eisen-60 wird in einer späteren Entwicklungsphase und tiefer im Inneren hergestellt, in den Schichten, in denen Helium- und Kohlenstoff-Fusionsreaktionen ablaufen, denn massereiche Sterne durchlaufen nacheinander unterschiedliche Phasen der Kernfusionen - von zunächst leichten zu zunehmend schwereren Elementen und entwickeln so ihren charakteristischen Layer-Aufbau.

Anders als Aluminium-26 (Halbwertszeit von 740.000 Jahren) wird Eisen-60 nur ausgestoßen, wenn der Stern am Ende seines Lebens explodiert. Es zerfällt dann mit einer Halbwertzeit von 1.5 Million Jahren und produziert die Gammastrahlen, die INTEGRAL ermittelte.

Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik: Der Fingerabdruck des radioaktiven Zerfalls von Fe-60 im interstellaren Gas unserer Galaxis: In dieser Grafik sind beide Gammalinien bei ihren Sollenergien (1173 und 1332 keV) überlagert, um das schwache, mit INTEGRAL gemessene Signal sichtbar zu machen

Roland Diehl, Leiter des Teams sieht damit einen wichtigen Schritt zum Verständnis der Elemententstehung in massereichen Sternen:

Wir haben in letzter Zeit einige Berichte zum vermeintlichen Fund von Eisen-60 diskutiert. Aber das Spektrometer an Bord des Spähers INTEGRAL ist das einzige Instrument, das diese Messung genau genug durchführen kann. Jetzt wissen wir, dass radioaktives Eisen-60 in unserer Galaxis weiträumig existiert, noch heute produziert wird und zerfällt.

Obwohl die Eisenatome im interstellaren Gas verteilt sind, gestatten sie doch einen Blick ins das Herz massereicher Sterne, die unsere Galaxis prägen. Diese Gaskugeln vereinen mehr als die zehnfache Sonnenmasse in sich und leben kurz aber intensiv: Von der Geburt bis zu ihrem Ende in einer gewaltigen Supernova-Explosion vergehen gerade einmal 100 Millionen Jahre. Sie sind verantwortlich für die meisten chemischen Elemente im Universum.

Mit diesem Weltraumteleskop sind in den vergangenen Jahren auch neue Messungen zu Aluminium-26 gelungen. Daher können die Astrophysiker nun das Verhältnis der Gammastrahlung von Eisen-60 zu Aluminium-26 genau bestimmen und damit die Modellvorstellungen zur Elemententstehung in diesen Sternen testen.

Studien haben im vergangenen Jahrzehnt für das Isotopverhältnis Werte zwischen 10 und 100 vorhergesagt, wobei die neuesten Vorhersagen mit den INTEGRAL-Messungen in Einklang stehen. Obwohl das Weltraumteleskop die Gammastrahlung des interstellaren Eisen-60 deutlich sieht, ist die Intensität noch zu gering, um eine Intensitätskarte zu erstellen. Dies sei eine Aufgabe für die nächste Instrumenten-Generation, so Roland Diehl.