Blut für Öl

Über die ein wenig verdeckteren Motive der amerikanischen Kriegsvorbereitung

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Dass die US-Regierung einen möglichen Militäreinsatz im Irak nicht deshalb auf den Plan gebracht hat, um der wenig schlagkräftigen UNO endlich zur Durchsetzung ihrer Resolutionen zu verhelfen, brauchte schon nach den ersten Verlautbarungen kaum ernsthaft diskutiert zu werden. Doch auch das vorerst mediale Einschießen auf den "Tyrannen in Bagdad", welches der Weltöffentlichkeit nun als argumentativer Nachschlag verabreicht wird, verdeckt die tatsächlichen Motive des amerikanischen Säbelrasselns mehr schlecht als recht.

Denn ebenso wie der Afghanistan-Krieg möglicherweise auch ohne den 11. September über die Taliban hereingebrochen wäre, weil sich die Gotteskrieger standhaft weigerten, a) Bin Ladin auszuliefern und b) den Amerikanern den Bau einer Pipeline zwecks Ausbeutung der Ölvorkommen in Zentralasien zu gestatten, könnte Saddam Hussein nun ins Kreuzfeuer strategischer Überlegungen geraten, die nur am Rande politischer Natur sind.

Worum es der amerikanischen Regierung vor allem zu tun ist, geht aus einer Studie hervor, die Vizepräsident Dick Cheney beim Baker Institute for Public Policy in Auftrag gab. Unter dem Titel "Strategic Energy Policy Challenges For The 21st Century" wurde dort bereits im April des vergangenen Jahres untersucht, wie es mit den amerikanischen Energiequellen rund um den Erdball bestellt ist. Das Ergebnis der Studie, die nebenbei zu dem Schluss kommt, es sei "keine Zeit zu verliere", um eine dramatische Situation noch abzuwenden, ist aufschlussreich genug:

"Die Vereinigten Staaten bleiben ein Gefangener ihrer Energiekrise... Der Irak bleibt ein destabilisierender Faktor, der den Ölfluss aus dem Mittleren Osten auf die internationalen Märkte behindert... Saddam Hussein hat bereits seinen Willen demonstriert, die Waffe Öl als Drohung einzusetzen und sein eigenes Exportprogramm zu benutzen, um die internationalen Märkte zu manipulieren. Deshalb sollten die Vereinigten Staaten gegenüber dem Irak sofort eine Politik einschlagen, die militärische, energiepolitische, ökonomische und politische/diplomatische Maßnahmen beinhaltet."

Wenn sich das amerikanische Auftreten im Irak und andernorts (beispielsweise im großen Ölförderland Venezuela, das am Rande einer politischen, wirtschaftlichen und sozialen Katastrophe steht) nicht auf diese Situation einstellt, prophezeien die Berichterstatter für die nächsten Jahre explodierende Energiepreise, soziale Unruhen und eine allgemeine Rezession. Eine Neuausrichtung der amerikanischen Außenpolitik unter besonderer Berücksichtigung des Energie- und vor allem des Ölproblems sei deshalb ein "security imperative". Empfohlen wurde auch eine neue Perspektive in der kaspischen Region, also in den Ländern, die durch den Afghanistan-Krieg für die USA besser erschlossen wurden.

Überflüssig zu erwähnen, dass an dieser Untersuchung kein Nationaler Ethikrat beteiligt war. Stattdessen wurde der schon aus Vater Bushs Zeiten bestens bekannte James Baker u.a. von Kenneth Lay, dem in die Schlagzeilen geratenen Ex-Chef des Energieriesen Enron, dem hochrangigen Shell-Mitarbeiter Luis Giusti, einem lokalen BP-Präsidenten namens John Manzoni und David O'Reilly, dem Geschäftsführer von ChevronTexaco, beraten. Außerdem war Sheikh Saud Al Nasser Al Sabah, der frühere kuwaitische Ölminister, mit von der Partie.

In Regierungskreisen scheinen die Probleme mittlerweile erkannt worden zu sein. Dafür sprechen nicht nur die Kriegsvorbereitungen Richtung Irak, sondern auch politische Initiativen, die sich in letzter Zeit besonders auf afrikanische Staaten konzentrieren. Auf einer Ölkonferenz in Kapstadt bekundeten die Vereinigten Staaten vor kurzem Interesse, ihre Ölimporte aus Afrika von heute 15% auf 25% im Jahr 2015 zu steigern. Nach dpa-Informationen will ChevronTexaco seine Investitionen auf dem schwarzen Kontinent in den kommenden fünf Jahren von 5 auf 20 Milliarden Dollar erhöhen, und bei Shell ist eine Verdopplung der Öl- und Gasproduktion vorgesehen. Dass in einigen Ländern und vor deren Küsten auch heute noch gigantische Ölvorkommen entdeckt werden und viele Staaten kein Mitglied der OPEC sind, dürfte die neue Freundschaft vermutlich weiter vertiefen.

Außenminister Colin Powell hat vor dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung jedenfalls schon mal in Angola vorbeigeschaut, und George W. Bush will im nächsten Jahr gleich mehrere afrikanische Staaten besuchen. Damit die den großen weißen Bruder aus Washington auch gebührend empfangen, bringt er 200 Millionen Dollar für Bildungsprogramme und 500 Millionen Dollar für den Kampf gegen AIDS vorbei. Und wenn das nicht ausreichen sollte, fallen den Strategen daheim bestimmt noch andere Möglichkeiten ein ...