Böse, weil man zu sehr nicht böse sein möchte?
Die neue YouTube-Zensur verschärft Googles Imageproblem
Google hat auf seiner Videoplattform YouTube die Zensur verschärft: Videos, die als "kontrovers" eingestuft werden, können nun nicht mehr eingebettet und gelikt werden. Außerdem werden sie "demonetarisiert" - das heißt, es gibt für sie keinen Werbeeinnahmenanteil mehr, der bei bekannten Produzenten wie Sargon of Akkad oder Diamond and Silk angesichts der Aufrufzahlen durchaus beträchtlich gewesen sein dürfte. Als kontrovers gelten Google unter anderem Beiträge des langjährigen republikanischen Kongressabgeordneten und Präsidentschaftsbewerbers Ron Paul, in denen dieser die US-Politik in Afghanistan und gegenüber WikiLeaks kritisiert. Auch Beiträge zu naturwissenschaftlichen Themen können betroffen sein, wenn sie sich beispielsweise mit den biologischen Grundlagen menschlicher Intelligenz befassen.
Die Maßnahme hat in Sozialen Medien Befürchtungen verstärkt, die seit der Entlassung James Damores in größerem Umfang geäußert werden (vgl. Monopole und Meinungsfreiheit). Der inzwischen unter anderem vom Moralphilosophen Peter Singer und von der New York Times verteidigte ehemalige Google-Angestellte betont in Interviews immer wieder, dass er nicht "Diversität" als Unternehmensziel kritisierte, sondern eine "Intoleranz gegenüber Ideen und Tatsachen, die nicht zu einer bestimmten Ideologie passen". Solch ein Umgang mit der Meinungsfreiheit von Arbeitnehmern lässt viele Google-Nutzer einen problematischen Umgang mit ihrer eigenen Meinungsfreiheit befürchten. Dem Psychologen Jordan B. Peterson nach müssen Nutzer das nicht einmal merken, wenn man so einen Umgang entsprechend geschickt in Infrastrukturen integriert.
Wöchentlich eine Mail über angebliche "Mikroaggressionen"
Seitdem hat der Konzern, der mit dem Slogan "Don't be evil" antrat, ein Imageproblem, das sich nicht nur in weit verbreiteten Logoparodien aus 4chan äußert: Viele Nutzer probieren die Konkurrenzsuchmaschine DuckDuckGo aus und entdecken dabei, wie viel ihnen Google in der Vergangenheit auf immaterialgüterrechtlichen Druck der Content-Industrie hin vorenthielt.
Die Anhänger der Ideologie, auf die sich Damore bezieht, kennt man unter Namen wie "Intersektionalisten", SJWs" oder "Snowflakes". Sie haben unter anderem die Vorstellung gemein, dass eine ihrer Ansicht nach "gute Sache" auch den Einsatz problematischer Mittel rechtfertigt. Ein anderes Kennzeichen ist, dass sie das von seriösen Sozialwissenschaftlern und Psychologen wie Scott Lilienfeld eher als untauglich abgelehnte Vorwurfskonzept der "Mikroaggressionen" ähnlich exzessiv einsetzen wie das mit Totschlagezuschreibungen wie "trotzkistisch" oder "titoistisch" während der Slánský-Schauprozesse geschah. Damore zufolge bekommen Google-Angestellte wöchentlich eine Mail über angebliche "Mikroaggressionen" zugeschickt, in der dann zum Beispiel stehen kann, dass sie vorschlugen, ein Produkt mit einer jungen Frau zu bewerben.
Massenhysterien
Ein weiteres Merkmal ist der exzessive Gebrauch des Nazi-Vorwurfs (vgl. Inflationär verwendete Zuschreibung), der das Wall Street Journal an die Red Scares nach den beiden Weltkriegen erinnert. Andere Beobachter ziehen Vergleiche zur Hexenjagd in Salem 1692 oder zur Satanistenhysterie Anfang der 1990er Jahre. Dem texanischen Ehepaar Keller, das damals wegen falscher Ritualmissbrauchsvorwürfe zu 21 Jahren Gefängnis verurteilt wurde, sprach ein US-Gericht am 22 August eine Entschädigung in Höhe von 3,4 Millionen Dollar zu.
Wie solche Massenhysterien entstehen, ist Gegenstand von Diskussionen und Forschungen. Fest steht, dass sie häufig mit einem Zusammenwirken staatlicher und privater Akteure verbunden sind. Auf diese Weise können beide Seiten Verantwortung von sich weisen.